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Zuvor hatten CDU und FDP, die in Münster die Ratsmehrheit bilden, den Initiatoren des Bürgerentscheids vier Wochen lang eine Materialschlacht sondergleichen geliefert – aufwendiger als vor einer Wahl: Wöchentlich wechselten Großplakate im ganzen Stadtgebiet, täglich erschienen in den Zeitungen Anzeigen und Berichte über »Informationsveranstaltungen« mit »namhaften Fachleuten«, professionelle Austräger brachten Infoblätter in jeden Haushalt und verteilten noch am Tag vor der Abstimmung in alle Briefkästen einen persönlichen Brief des Oberbürgermeisters, der mit einem sechsfach großgedruckten roten »Nein« die Bürger bedrohte: Ohne Teilaufkauf durch einen großen Konzern würden die Stadtwerke untergehen. Geld schien keine Rolle zu spielen, wahrscheinlich waren schon reichlich Spenden von den interessierten Firmen RWE oder e.on geflossen. Die Bürgerinitiative hatte nur ein karges Budget, aufgebracht von der Gewerkschaft ver.di, von Ortsvereinen der SPD, Grünen, PDS und Unabhängiger Wählergemeinschaft sowie Einzelpersonen. Es reichte für einmaliges Plakatieren und für den Druck einer Infozeitung, die ein Busfahrer auf seinem Computer erstellt hatte. Fürs Kleben der Plakate und Verteilen der Zeitung fanden sich viele Freiwillige, besonders engagiert waren die Busfahrer. Auch attac und eine Gruppe »Studierende gegen Privatisierung« beteiligten sich. Die unterstützenden Parteien waren so klug, sich zurückzuhalten und fast ausschließlich unter dem Logo des Bürgerentscheides zu agieren. Das gab Sozialdemokraten und Grünen die Freiheit, gegen den sonst vorherrschenden Kurs ihrer Parteien zu agieren. Gerade an dieser Stelle versuchten CDU und FDP anzusetzen: Die rot-grüne Landesregierung unter Clement oder die Bundesregierung mit Schröder und Eichel seien doch eifrige Verfechter der Privatisierung öffentlicher Dienste – was leider stimmt und vielerorts auch für rot-grüne Kommunalpolitik gilt. Im hessischen Darmstadt zum Beispiel hat die Ratsmehrheit aus SPD und Grünen die weitere Privatisierung der Stadtwerke beschlossen – der Sprecher der oppositionellen CDU dort nannte das eine »kapitalistische Intrige«. – Man sollte Parteien öfter in die Opposition schicken. Da kommen sie zu richtigen Erkenntnissen. Zwei Tage vor dem Entscheid holte die CDU ihre Getreuen in die Stadthalle zum Podium mit Gunda Röstel – ehemals Bundessprecherin der Grünen, jetzt für rund 150 000 Euro Jahresgehalt Vorstandsmitglied bei Gelsenwasser, einer RWE-Tochter – sowie mit dem Betriebsratsvorsitzenden eines schon privatisierten kommunalen Unternehmens. Beide versicherten, wie gut die Großkonzerne wirtschaften könnten... Einer der Sprecher des Bürgerbegehrens ist ohne Parteibindung, von Beruf Pfarrer. Ihn versuchten die geärgerten Christ-Unionisten zu diffamieren: Ein linker Ideologe sei er mit offenbar klassenkämpferischen Allüren, ein Nachfolger der »Wiedertäufer«, die ja schon vor 478 Jahren die unwissende Bevölkerung Münsters ins Verderben geführt hätten. Der einfache Bürger sei überfragt, nur Fachleute wüßten, was gut für alle sei. Als Fachleute wurden dann auch die smarten boys der mit dem Verkauf beauftragten Oppenheim-Bank aus Köln präsentiert, die schon einige hunderttausend Euro als erste Rate einstreichen konnten. Wäre der Verkauf geglückt, hätten sie ein Salär um die drei Millionen Euro in ihre Bank getragen. Solche Leute wissen natürlich genau, wofür Privatisierung gut ist. Bei einer repräsentativen Umfrage sechs Wochen vorher wollten 80 Prozent der Bevölkerung zur Abstimmung gehen und davon zwei Drittel mit »Ja« stimmen, ein Drittel mit »Nein«. Die Relation bestätigte sich, nur die Teilnahme lag wesentlich niedriger. Die teure Materialschlacht der CDU und FDP blieb also nicht wirkungslos, sie verwirrte viele Menschen, vermochte aber nicht zu überzeugen. Eigentlich haben die beiden rechten Parteien in Münster eine Wählerbasis von über 60 Prozent. Das wären bei üblicher Wahlbeteiligung rund 100 000 Stimmen. Doch sie konnten nur gut 22 000 mobilisieren, also nicht einmal jeden Vierten ihrer Stammwähler. Aus Gesprächen auch mit Konservativen konnte man viel Unmut heraushören: »So geht das nicht«, »Die Politiker sind dabei, unsere Lebensqualität zu zerstören«, »Sie verkaufen die soziale Infrastruktur«, »Sie machen die Demokratie kaputt«. Es lohnt sich, diesen Unmut zu artikulieren und solche demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu nutzen. Die münsterschen Erfahrungen legen den Schluß nahe, daß die Privatisierungseuphorie der neunziger Jahre verflogen ist. Die im Dienste der Konzerne und Banken stehenden Politiker können nicht mehr fest damit rechnen, daß ihnen die Bevölkerung Gefolgschaft leistet. Hoffnungsfroh meint einer der Initiatoren des erfolgreichen Bürgerentscheids, es sehe so aus, als ginge die neoliberale Hegemonie ihrem Ende entgegen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 13/2002 |
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