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Seit den 1970er Jahren gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Bundesverkehrswegepläne (BVWP). In ihnen wurde – unterteilt in Fünf-Jahres-Perioden – die Verkehrsentwicklung prognostiziert, als Grundlage für die Investitionen im Verkehrswegebau. Da die Prognosen immer politischen Charakter hatten und vor allem die Wünsche der Autoindustrie reflektierten, erwiesen sich die BVWPs in der Regel als eine Art Wirtschaftsplanung in Richtung Autogesellschaft. Der letzte Bundesverkehrswegeplan stammt aus dem Jahre 1992, es war der erste »gesamtdeutsche« – auf diesem Gebiet beglückte der Westen den Osten mit einer spezifischen Planwirtschaft. 1997 stand die turnusmäßige Überarbeitung dieses BVWP an, doch Verkehrsminister Wissmann wollte sie auf die Zeit nach der Wahl verschieben. Als SPD und Grüne das Thema Verkehr im Wahlkampf aufgriffen, attackierten sie konsequenterweise den geltenden BVWP. Elke Ferner, die damalige verkehrspolitische Sprecherin der SPD, spätere Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, stellte fest: »Zunächst muß (nach einem Wahlsieg; d.A.) der Bundesverkehrswegeplan in den Papierkorb... Alle Projekte müssen neu bewertet werden. Der BVWP enthält nämlich keinerlei objektive Kriterien hinsichtlich einer Rangfolge von Projekten.« Doch der 1992er BVWP gilt noch heute. SPD und Grüne haben eine Legislaturperiode lang behauptet, sie müßten erst noch »Kriterien für eine Neubewertung von Verkehrsprojekten entwickeln«. So setzte Rot-Grün die Verkehrswege-Investitionspolitik, die von den Kohl-Regierungen seit 1982 betrieben worden war, ohne wesentliche Änderungen fort. Nur bei zwei Projekten schien sich eine Verkehrswende anzudeuten: beim Transrapid und bei der extrem unrentablen ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke über Erfurt. Tatsächlich legte die Bundesregerung den Bau der Magnetbahnstrecke Hamburg-Berlin im Jahr 2000 ad acta – um zum gleichen Zeitpunkt zwei neue, ähnlich absurde Transrapid-Projekte (zwischen Düsseldorf und Dortmund und vom Münchener Hauptbahnhof zum Flughafen) aus der Taufe zu heben. Der Bau der ICE-Strecke über Erfurt wurde 1998 gestoppt, was vor allem die Grünen als »Sieg der verkehrspolitischen Vernunft« feierten. Anfang 2002 verkündete der Kanzler, eben diese Strecke werde nun mit Volldampf gebaut werden. Selbst die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen, die früher als Minimalforderung gegolten hatte, wurde von Rot-Grün genierlich beiseitegelegt. Den Antrag der PDS auf Maximalgeschwindigkeit 130 km/h auf den Autobahnen schmetterten alle anderen Bundestagsparteien ab – auch die Mehrheit der Grünen. Die Gründe für den wachsenden Lkw- und Pkw-Verkehr, für den explosionsartig ansteigenden Flugverkehr, für die Misere des Schienenverkehrs und für die Stagnation der Binnenschiffahrt liegen kaum da, wo man sie vermutet: in Verkehrsbedürfnissen. Dieser »verkehrte Verkehr« resultiert zuvörderst aus einer Verkehrsmarktordnung, die im wesentlichen von zwei Elementen bestimmt wird: von den schon erwähnten Verkehrswege-Investitionen und von dem »Wegegeld«, das die Verkehrsteilnehmer für die Nutzung der jeweiligen Verkehrs- und Transportart zu zahlen haben. Daher wird seit Jahrzehnten das Straßennetz kontinuierlich länger, das Schienennetz kürzer, und Jahr für Jahr entstehen neue Startbahnen oder ganze Flughäfen. Das überörtliche Straßennetz wuchs von 1995 bis 2001 um 4000 auf 233 000 Kilometer, das Schienennetz dagegen schrumpfte im selben Zeitraum um gut 6000 auf 35 800 Kilometer. Zu recht hatten Umweltverbände, Verkehrsclub Deutschand, Grüne und einige SPD-Politiker vor der Wahl 1998 gesagt, bei allen Verkehrsarten seien die Wegekosten nicht gedeckt und am größten seien die »externen Kosten«, also faktisch der Zuschußbedarf, im Straßen- und im Luftverkehr. Doch Rot-Grün hat auch diese verkehrte Verkehrsmarktordnung nicht geändert. Zwar wurde eine Ökosteuer eingeführt, die jedoch drei entscheidende Fehler hat: Sie ist erstens sozial unausgewogen (keine Entlastung für Nichterwerbstätige). Zweitens werden die Einnahmen der Ökosteuer nicht für eine Verkehrswende eingesetzt, sondern – völlig systemwidrig – für die Senkung der Sozialabgaben. Drittens wird die Ökosteuer mit dem halben Satz auch bei den öffentlichen Verkehrsunternehmen und bei der Bahn erhoben, wodurch sich deren Kosten absurderweise erhöhen. Ursprünglich hatten die Grünen vor der Bundestagswahl gefordert, die Bahn müsse von der Mineralölsteuer befreit werden. Sie wurde nicht befreit – und die Ökosteuer kam noch hinzu. Im Flugverkehr dagegen wird der Kerosinverbrauch weiterhin nicht besteuert, die Fluggesellschaften tragen somit auch nicht zur Ökosteuer bei. Der finanzielle Systemvorteil des Luftverkehrs gegenüber dem Bahnfahren hat sich dadurch nochmals vergrößert. Der Binnenluftverkehr in der BRD wuchs zwischen 1995 und 2001 um 35 Prozent, während der Schienenfernverkehr stagnierte. Die Verkehrsinflation setzte sich seit der Bundestagswahl 1998 fort; nirgendwo wurde Verkehr vermieden. Während der Personenfernverkehr auf der Schiene zurückging, erhöhte der Binnenluftverkehr seinen Anteil am gesamten Personenverkehr von 3,9 auf 4,6 Prozent. Der motorisierte Individualverkehr blieb mit über 80 Prozent dominierend. Im Güterverkehr verringerte sich der Anteil der Schiene von 15,7 Prozent (1998) auf 14,8 Prozent (2001). Der Lkw-Verkehr erhöhte seinen Anteil von 67,4 auf 69,0 Prozent. Die Binnenschiffahrt sank von 16,2 auf 15,5 Prozent. Alle negativen Trends setzten sich im ersten Halbjahr 2002 fort. Der für Verkehr verantwortliche Bundesminister Bodewig bilanzierte in seinem jüngsten »Verkehrsbericht«: »Das wichtigste Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen, konnte nicht erreicht werden.« Diese Bilanz läßt sich auf die gesamte Verkehrspolitik übertragen – der Kanzler aller Autos bestimmte die Richtlinien. Und so sind die Jahre 1998 bis 2002 verlorene Jahre für alle, die auf die angekündigte Verkehrswende gehofft hatten, also auf eine humane, soziale, Natur und Umwelt schützende Verkehrspolitik. Winfried Wolf ist verkehrspolitischer Sprecher der PDS im Bundestag.
Erschienen in Ossietzky 13/2002 |
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