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Für seine »historische Rede« hatte er aus der Geschichte beliebige Fakten hervorgekramt oder hervorkramen lassen, um die »Werte« und »Ideale« zu beschwören, nach denen, wie er meinte oder einfach behauptete, die Neue wie die Alte Welt leben: »die Versprechungen der Magna Charta« (deren Freiheitsprinzipien in den USA gerade demontiert werden), »die Lehren Athens« (wo es sich die Philosophen in der Sklavenhaltergesellschaft gut gehen ließen), »die Kreativität von Paris« (hier dachte Bush vielleicht an die Mode, sicher nicht an die Französische Revolution), »das unerschütterliche Gewissen Luthers« (das sich bewährte im Kampf gegen die aufständischen Bauern, die Juden, die Türken, die »Hexen«, die Homosexuellen und andere Randgruppen), »der sanfte Glaube des Heiligen Franziskus« (der angesichts des »Klimakillers Bush«, von dem Franz Alt spricht, noch einmal einen »Sonnengesang« schreiben müßte). Daß der Präsident weder die Aufklärung noch die 1848er Bewegung erwähnte, versteht sich bei ihm von selbst. Aber dann präsentierte er einen neuen Heiligen, einen Theologen, der sowohl in den USA als auch in Deutschland hohes Ansehen genießt und nun den Kampf gegen »Tyrannei und das Böse« inspirieren soll: Pastor Dietrich Bonhoeffer, Widerstandskämpfer gegen die NS-Barbarei und Märtyrer. Er sei »einer der größten Deutschen des 20. Jahrhunderts«, würdigte ihn Bush. Und er wußte noch mehr über ihn: »Er verließ die Sicherheit Amerikas, um sich gegen das nationalsozialistische Regime zu stellen.« Das ist so zwar nicht korrekt, doch wer von den Beifall klatschenden Abgeordneten wußte es besser? Tatsächlich war Bonhoeffer im Juli 1939 nach nur wenigen Wochen aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt, nicht um Widerstand zu leisten (in den wuchs er erst später hinein), sondern um während des Krieges bei den gefährdeten Brüdern und seiner Kirche zu sein. Sonst, so schrieb er damals, hätte er »kein Recht, nach dem Kriege am Wiederaufbau des christlichen Lebens in Deutschland teilzunehmen«. Schließlich zitierte der Präsident ein Wort Bonhoeffers, das ihm besonders wichtig erschien: »Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösen, Gutes entstehen lassen kann und will.« Bush zitierte aber nicht ganz korrekt (»auch aus dem Bösesten« heißt es bei Bonhoeffer; den Zwecken des Präsidenten war das Wort evil = das Böse dienlicher). Den Sinn aber verfälschte er dadurch, daß er den Zusammenhang außer acht ließ: nämlich eine Reihe persönlicher Glaubenssätze, mit denen, wie Bonhoeffer meinte, »alle Angst vor der Zukunft überwunden sein« müßte. Als dogmatische Formel gebraucht muß ein solcher Satz, vor dem Hintergrund des Holocaust, zynisch klingen. Ganz abwegig ist es, ihn zur Rechtfertigung des geplanten Angriffskriegs gegen Irak zu benutzen. Präsident Bush ist sicherlich nicht von allein darauf gekommen, Bonhoeffer für diesen Zweck zu vereinnahmen. Deutsche Theologen haben hier Vorarbeit geleistet. So versuchte schon 1999 eine »Wort-zum-Sonntag«-Sprecherin den völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit Bonhoeffers Widerstand gegen Hitler zu rechtfertigen; ebenso wie andere bezog sie sich auf Bonhoeffers Wort, einem »wahnsinnigen Autofahrer« müsse das Steuer entrissen werden. Mit einiger Mühe kann man in dieses Bild hineininterpretieren, Bonhoeffer habe den Tyrannenmord gerechtfertigt; der Theologe stand ja im Kontakt mit einer Gruppe, die später, als er längst inhaftiert war, ein Attentat auf Hitler unternahm. Niemals aber propagierte Bonhoeffer den Krieg, den militärischen Überfall auf andere Länder. Eine direkte Vorlage für Bush lieferte der Berliner Bischof Huber in seiner Ansprache am 12. September 2001 in der Berliner Hedwigs-Kathedrale. Nach den Trauerbekundungen für die Opfer des Anschlages am 11. September erklärte er: »Unseren Respekt, unsere Unterstützung, unser Gebet verdienen all diejenigen, die politische Verantwortung dafür tragen, solcher Bosheit zu wehren....« Er kam dann auf Bonhoeffer in »schwerster Situation« zu sprechen und zitierte jenes Wort, das nun auch der Präsident benutzte, allerdings korrekt und im Zusammenhang. Zugleich wies er zur Abwehr des Bösen auf die Mittel des Rechtes hin. Nach der Bush-Rede müßte ein anderer Text des von Ghandi beeinflußten Pazifisten Bonhoeffer, seine Morgenandacht in Fanö 1934, verbreitet werden. Darin sagt er einiges zu den milliardenschweren Aufrüstungsprogrammen, mit denen Bush Frieden durch Sicherheit schaffen will: »Wie wird Frieden? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch die Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern, d.h. durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zur Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall Friede und Sicherheit verwechselt wird... Friede ist das Gegenteil von Sicherheit. Sicherheiten fordern heißt Mißtrauen haben, und dieses Mißtrauen gebiert wiederum Krieg.« Und es gibt einen anderen, ganz knappen, ganz einfachen Satz Bonhoeffers, der aktuell geblieben ist: »Der nächste Krieg ist zu ächten.« Die Kirchen haben bisher keinen Einspruch gegen die Bonhoeffer-Interpretation des US-Präsidenten erhoben. So ergeht es Bonhoeffer ähnlich wie Jesus, den 300 Jahre nach dem Tod auf Golgatha der römische Kaiser Konstantin zum Kriegspropagandisten verwandelte. Bei Bonhoeffer gelingt das in unserer schnelllebigen Zeit schon nach 60 Jahren.
Erschienen in Ossietzky 12/2002 |
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