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Er lautete: »Handle stets so, daß du die Zustimmung des Wahlkampfmanagers deiner Partei findest. Verstehe also deine Rolle nicht als die eines unabhängigen Ermittlers, sondern nütze sie, um dem politischen Gegner maximal zu schaden und die eigene Partei möglichst unschuldig erscheinen zu lassen.«Für diese eigentliche Aufgabe werden treue Parteisoldaten gebraucht - die ihre Motivation auch aus dem Marschallstab ziehen, den sie im Tornister zu tragen glauben. Mustergültig spielte diese Rolle der CDU-Obmann im Ausschuß, Andreas Schmidt. Seine Leistung ist um so höher zu bewerten, als er wegen der klaren Beweislage (öffentliche Geständnisse führender CDU-Politiker über schwarze Konten, Geldtransfers in die Schweiz, erfundene jüdische Vermächtnisse usw.) um seine Aufgabe wahrlich nicht zu beneiden war. Zwar verblüffte es allgemein, wenn er sich vor wichtigen Ausschußsitzungen regelmäßig im Büro eines der Hauptbeschuldigten, Helmut Kohl, zu Lagebesprechungen einfand, er wurde deswegen als Zerrbild eines unabhängigen Parlamentariers verspottet (»His Masters Voice«), aber tapfer (oder frech) ging er in die Vorwärtsverteidigung: Ein Untersuchungsausschuß sei nun einmal ein politisches Kampfinstrument und habe nichts mit einem neutralen Gericht zu tun. Also dürfe er wie ein Anwalt agieren und müsse sich nicht so distanziert verhalten wie ein Richter. Damit hatte er vielleicht sogar recht. Jedenfalls ließen auch seine Kontrahenten von der Koalition wenig Distanz erkennen, sondern produzierten eifrig Vorurteile, indem sie nach jeder Zeugenvernehmung unbeirrt behaupteten, wieder einmal sei der Beweis erbracht worden, wie korrupt die frühere Bundesregierung gewesen sei - selbst wenn die Zeugen sich partout an nichts erinnert hatten und ihre Aussagen für keine seriöse Beweisführung taugten. SPD-Obmann Frank Hofmann und manchmal auch sein grüner Kollege Hans-Christian Ströbele bewiesen, daß sie das simple Grundprinzip eines solchen Ausschusses ebenso gut verstanden hatten wie Schmidt. Zweck der Veranstaltung war eben nicht, in zweieinhalbjähriger Kleinarbeit Indizien zusammenzutragen und am Ende gemeinsam eine zusammenfassende Bewertung zu formulieren. Vielmehr funktioniert der Ausschuß nach dem aliquid-haeret-Prinzip der alten Römer - es wird schon etwas hängenbleiben. So ließ man beispielsweise zum Schluß noch den Zeugen Schreiber in Toronto Anschuldigungen gegen die CSU verbreiten, um sofort bedauernd hinzuzufügen, jetzt sei keine Zeit mehr, den Wahrheitsgehalt durch weitere Ermittlungen zu erhärten oder zu erschüttern. Auf solche Weise läßt sich die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung ins Gegenteil verkehren. Nun waren ja massive Rechtsverstöße der CDU und vor allem des früheren Kanzlers Kohl schon erwiesen. Dem Ausschuß blieb die Funktion, das durch die Medien Ermittelte dem Publikum immer wieder aktuell vor Augen zu führen, eine Art Prangerfunktion. Die gewünschte Wirkung zeigte sich, als die SPD die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewannen. Doch da mit des Geschickes Mächten kein ew'ger Bund zu flechten ist, kam kurz vor Ende der Ausschußarbeit der Kölner und gleich danach der Wuppertaler SPD-Spendenskandal heraus. Die Spende an die SPD in Wuppertal sollte die spätere Genehmigung eines umstrittenen Einkaufszentrums sicherstellen - wahrscheinlich der einzige konkret nachweisbare Korruptionsfall, den der Ausschuß behandelt hat. Ansonsten blieb es bei Verdachtsmomenten ohne Beweise. Es rauschte im Blätterwald, weil SPD-Generalsekretär Franz Müntefering dem Ausschuß nicht über die Existenz einer internen, noch nicht überprüften Liste möglicher Empfänger falscher Spendenquittungen berichtet hatte. Ein nebensächliches Detail, aber das Thema war nun: Hat Müntefering gelogen? Ja, behauptete CDU-Soldat Schmidt vor einem Millionenpublikum - ohne Beweis. Bei seiner zweiten Vernehmung verlangte Müntefering von Schmidt die Rücknahme dieses Vorwurfs. Schmidt aber trat vor die Kameras und behauptete, Müntefering habe wieder gelogen - wieder ohne Beweis. In seinem ehrenwerten Zivilberuf als Rechtsanwalt würde er sich vermutlich anders verhalten, aber die Bundestagswahl naht, der Zweck heiligt die Mittel. Derlei war nur möglich, weil sich das Hauptgeschehen im Laufe der Zeit vom Sitzungssaal in die Lobby verlagert hatte. Direkte Fernseh- oder Rundfunk-Berichterstattung war verboten. Also wurden Kameras und Mikrofone im Vorraum aufgebaut. Die entscheidende Arbeit für uns Abgeordnete bestand darin, nach - oder noch geschickter während - einer Zeugenvernehmung ein Statement abzugeben, mit dem man es möglichst schaffte, in die Tagesschau vorzudringen, mindestens aber bis zur Deutschen Presseagentur (dpa). Daran messen die Parteifreunde die Qualität der Ausschußmitglieder. Kann es da verwundern, wenn persönlich gefärbte, tendenziös verdrehte und auch glatt gefälschte Darstellungen herauskommen? Einziges Gegenmittel wäre die Rundfunk- und Fernsehöffentlichkeit aller Sitzungen von Anfang bis Ende. Die Bundesregierung hatte den FDP-Politiker Burkhard Hirsch mit Vorermittlungen wegen der mysteriösen Datenlöschungen und Aktenlücken im Kanzleramt beauftragt. Das war Kohl merklich unangenehm. Denn warum waren Akten entfernt und Daten gelöscht worden, wenn es nichts zu verbergen gab? Wie zu erwarten wies Kohl alle Verdachtsmomente zurück. Auffällig war aber, wie angestrengt er es vermied, den Namen Burkhard Hirsch in den Mund zu nehmen. Er sprach von dem »Herrn, den Sie gestern hier vernommen haben« oder wählte ähnliche Umschreibungen - billige darstellerische Kunstgriffe, mit denen jemand, der Gefahr wittert, sich aufbläst, um Erhabenheit zu demonstrieren. Viel Neues hat der Ausschuß nicht ans Tageslicht gebracht. Aber der Zeuge Ehlerding legte ein überraschendes Geständnis ab, ein sehr plausibles. Ihm war vorgeworfen worden, eine Millionenspende an die CDU habe ihm dazu verholfen, beim Verkauf zehntausender Eisenbahnerwohnungen aus Bundesbesitz den Zuschlag zu erhalten. Ehlerding gab eine andere Erklärung: Er habe persönlich so sehr von der Steuerpolitik der Regierung Kohl profitiert, daß er sich schon Anfang 1998, also lange vor dem Kauf der Wohnungen, zu der höchsten Spende in der Geschichte der CDU entschlossen habe, damit diese Partei die Wahl gewinne und ihre Steuerpolitik fortsetze. Und ich? Als FDP-Vertreter im Ausschuß befand ich mich in der angenehmen Lage, daß der Flick-Skandal schon 20 Jahre zurücklag. Ähnlich erging es Evelyn Kenzler von der PDS, denn der Verbleib des SED-Vermögens war nicht Gegenstand der Untersuchung; bei den Journalisten erwarb sich Evelyn Kenzler mit detaillierter Aktenkenntnis und daraus resultierenden interessanten Fragen große Anerkennung. So bildeten FDP und PDS sozusagen die Fraktion der Neutralen. Und darum kann ich hier locker darüber plaudern. Ach so, jetzt habe ich fast nichts darüber geschrieben, was die Arbeit am offiziellen Untersuchungsauftrag erbracht hat. Aber ich sagte doch schon: Darauf kam es eigentlich gar nicht an. Und Kohls anonyme Spender kennen wir immer noch nicht.
Erschienen in Ossietzky 12/2002 |
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