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Im neuen Roman »Tod eines Kritikers« beschreibt er, aber das wissen Sie ja, eine Schriftstellergattin, wie er sie fürchtet, wie er sie aus eigenem Erleben nicht kennen kann: »Aber sie war doch die, der er es recht machen mußte. Er konnte sich ihr gegenüber weniger leisten, als sie sich ihm gegenüber leistet. Sie war die Chefsekretärin, die von ihrem Chef sprach, als wäre er ihr Sekretär.« Eigenhändig und widerspruchlos mußten Sie abtippen, wie er eine angeblich andere beschreibt: »Dieser überspannte Mund. Offenbar ein Schriftstellergattinen-Mund. Kein in sich ruhender Mund, sondern eine Verformung der ganzen Partie, als habe letzten Endes ein Schmerz den Ausschlag gegeben. Ich würde von jetzt an Schriftstellergattinen auf den Mund schauen.« Hat er es getan? Wenn, dann hat er es jedenfalls nicht getan, damit sich das zum Besseren ändert. Im Gegenteil. Nehmen Sie sich in Acht, Frau Walser, passen Sie auf, was Herr Walser mit Frau Berkéwicz macht, der Frau seines Verlegers Siegfried Unseld, den er vorsorglich schon mal hat sterben lassen, obwohl er sich in Wirklichkeit doch wieder von seinem Lager erhoben hat und die ganze Geschichte noch mitbekommt. Mit ihr, der »Schwänin« oder »Spitzbübin« mit dem »verwegen geschürzten Mund«, fühlt sich Ihr Gatte beziehungsweise sein alter ego verbunden in »Schicksalsgemeinschaft« - »Schicksalsgenossenschaft« sagte er zu Kanzler Schröder, und sogar der war darüber etwas erschrocken. Und nicht nur »Schicksalsgemeinschaft« stellt er mit seiner Verlegergattin her - er fühlt sich auch durch die Liebe zur »Mystik, Kabbala, Alchemie« mit ihr verbunden. Das »Saturnische«, Dunkle - Hölderlin. Der Dichter, Ihr Gatte, Frau Walser, »klirrt« vor Erregung. Dagegen das »Zusammengeschraubte, eine Kulissenschieberei, etwas Hohles, Leeres, das nur durch seine Schädlichkeit besteht«. Das ist der Kritiker Ehrl-König alias Reich-Ranicki - wie er im Buche steht. Sie haben das abgetippt, Frau Walser: »Wie viele Schräubchen Ehrl-König drehte und drehen ließ, bis er Koloß war, vor dem alle in die Knie gingen.« Ja die Schädlichkeit der Kritik, die hatte schon mal einer erkannt und dann kurzerhand die Kritik ganz verboten. Aber Sie dürfen Ihrem Herrn Gatten ja nichts sagen. Oder wollen Sie nicht? Meinen Sie wirklich, er würde es merken, wenn Sie da oder dort Hand anlegen würden? Er schreibe »aus Erfahrung«, sagt er, aber mußten Sie ihm wirklich alles ungefiltert herausfließen lassen? Wenn Sie wenigstens das »Ejakulat« des Kritikers (»Der Lippengorilla... ejakuliert durch die Goschen«) diskret hätten verschwinden lassen - Sie hätten Ihrem Gatten einen Gefallen getan. Oder gar den Vergleich mit einem Aal, dem »geschmeidigen«, wegglitschenden, der »sein Geschlechtsteil zoomen« läßt. Wir kennen das ja, wie schwer der totzukriegen ist, daß er noch aus der Pfanne hüpft. Reich-Ranicki hat ja das Warschauer Getto vorschriftswidrig überlebt. Der Verleger Pilgrim-Unseld weiß, wann es Zeit ist abzutreten, er stirbt im richtigen Augenblick - jedenfalls im Roman. Der Kritiker weiß es nicht - er lebt und lebt und lebt. Der ewige Jude ist einfach nicht totzukriegen. Aber, liebe Frau Walser, machen Sie sich keine Gedanken, antisemitisch ist der Roman Ihres Gatten nicht. Jedenfalls nicht über das Maß hinaus, das ein deutscher Nationalschriftsteller - das ist Ihr Gatte seit Jahren - beanspruchen kann. Alles lief ja wie besprochen. Schirrmacher hielt diesmal nicht die Laudatio wie bei der Friedenspreisrede Ihres Gatten, die Ignatz Bubis und dessen Frau erstarren ließ. Diesmal klagte er schon vor Erscheinen den Roman als antisemitisch an - ein Riesenverkaufserfolg ist gesichert. Allein schon durch das Zitat: »Das Thema war jetzt, daß Hans Lach« - Ihr Gatte! - »einen Juden getötet hatte«. Die Schlagzeile der Deutschen National-Zeitung schrie schon auf: »Maulkorb für Martin Walser«. Und der sagte spitzbübisch Ätsch - der Jude lebt. Aber die Idee war gut. Und der Nachsatz auch: »Der Unterschied, den Moral und Gesetz zwischen Tätern und Opfern machen müssen, begreife ich, je schlimmer die Tat ist, umso weniger.« Ja: Hans Lach - die Gegengestalt zu Wagners bösartigem Judenstämmling Hanslick, dem Kritiker - »Hans Lach ist der gequälte Christ, der sich helfen kann zuerst nur mit dem Delirium, dann mit der Tat«. Und wenn er sich schon nicht zur Tat entschließen konnte - Reich-Ranicki lebt, obwohl er, das hat heute Konjunktur, in Bodo Kirchhoff inzwischen schon einen zweiten Mörder gefunden hat -, das mit dem Delirium, liebe Frau Walser, hätten Sie ihm lieber streichen sollen. Man muß ja nicht alles zugeben. Martin Walser: »Tod eines Kritikers«, Roman, Suhrkamp Verlag, 240 Seiten, 19.90 €.
Erschienen in Ossietzky 12/2002 |
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