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Und es bedurfte keines Drucks von Staat oder Partei, um den Gesamtvorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig zwei Tage danach zu der Erklärung zu veranlassen, er begrüße die »nationale Erhebung«. Er selber hatte den Nazis seit langem vorgearbeitet. Einflußreiche Verlage wie die Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg mit dem Deutschen Handlungsgehilfen-Verband im Hintergrund, der Eugen Diederichs Verlag Jena, der antisemitische Theodor Fritsch Verlag Leipzig, der Armanen-Verlag Leipzig, der Avenarius-Verlag Leipzig, der antisemitische J. F. Lehmann Verlag München, der Hitler seit 1919 förderte, der F. Bruckmann Verlag München, dessen Besitzer Hugo Bruckmann und Ehefrau Mitglieder der Reichsleitung des Kampfbundes für deutsche Kultur waren, und der Albert Langen-Georg Müller Verlag München, um nur einige zu nennen, wirkten schon jahrelang daran mit, einen Dunstkreis der Intoleranz, des Hasses und der Gewalt zu schaffen. Ein 1926 in Frankfurt am Main erschienenes Buch »Deutsche Politik. Ein völkisches Handbuch« zeigte, wie weit nationalistische und rassistische Ideen verbreitet waren. Die Autoren des Buches forderten einen autoritären Führerstaat, eine völkische Grundgesinnung, die Förderung des »Deutschtums« in allen Bereichen bis in die christliche Lehre, Eingang von Rassentheorien und Antisemitismus in die Politik, »Wehrhaftigkeit« und ein »germanisches« Sendungsbewußtsein in der Außenpolitik. Zu den Autoren gehörte der evangelische Generalsuperintendent Otto Dibelius ebenso wie der Mediziner Otmar Freiherr von Verschuer; beteiligt war auch Gerhard Menz, Lehrstuhlinhaber für Buchhandelskunde an der Handelshochschule Leipzig und Hauptschriftleiter des Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel. In der Erklärung vom 12. Mai 1933 betonte der Börsenverein, seine Vorstandsämter seien von jeher nur mit »nationalgesinnten Männern« besetzt gewesen. »Rassenfremde gehören seit einem halben Jahrhundert dem Vorstand nicht an.« Abschließend versicherte er: »In der Judenfrage vertraut sich der Vorstand der Führung der Reichsregierung an. Ihre Anordnungen wird er für seinen Einflußbereich ohne Vorbehalte durchführen.« Bereits am 4. Mai 1933 hatte Paul Nitschmann im Namen des Gesamtvorstandes des Börsenvereins die dem Vorstand unterstehende Deutsche Bücherei beauftragt, Schwarze Listen schöngeistiger, volkswirtschaftlicher und medizinischer Literatur schnell zu erstellen. »Alle drei Listen sollen jüdische Autoren enthalten oder solche Autoren, die als antideutsch, pazifistisch oder als Sexual-autoren zu betrachten sind.« Damit begann der Börsenverein, nazistische Literaturpolitik zu praktizieren und die Bücher der in Schwarzen Listen genannten Autoren sowie deren Verlage zu reglementieren und auszuschließen; faktisch kündigte er die Vertretung des Gesamtbuchhandels auf. Demonstrativ beschloß er (veröffentlicht am 13. Mai 1933 im Börsenblatt), zwölf bekannte deutsche Schriftsteller für das »deutsche Ansehen als schädigend« zu betrachten und sie für den deutschen Buchhandel zu verbieten. Unter den verbotenen Autoren befand sich Kurt Tucholsky. Der erste Entwurf der Schwarzen Liste »Schöne Literatur« von Anfang Juni 1933, beraten im zentralen »Ausschuß Schwarze Listen«, dem neben Nitschmann auch der Generalsekretär des Börsenvereins, Albert Heß, angehörte, verzeichnete bereits 600 »unerwünschte« Autoren, darunter fast alle, die in der Weltbühne/em> publiziert hatten. Von Tucholsky nannte die Liste zehn Titel; der Autor wurde mit den Worten charakterisiert: »Unter den jüdisch-zersetzenden Vaterlandsfeinden und Asphaltliteraten der Gewissenloseste.« Neue Quellen belegen, daß der Börsenverein schon lange vor dem Mai 1933 in diesem Geiste gehandelt hatte. So ließ der Vorstand von seiner Geschäftsführung über längere Zeit für den 23. März 1933 eine Aufstellung »Kommunisten als Börsenvereinsmitglieder« erarbeiten, um deren Ausschluß vorzubereiten. In einem Brief vom März 1933 informierte die Geschäftsstelle des Börsenvereins den Deutschen Verlegerverein, daß sie sieben Mitglieder »stillschweigend« gestrichen habe und »lediglich den betreffenden Kommissionär« hiervon benachrichtige. Der Geschäftsführer des Verlegervereins bestätigte am 12. April 1933, er habe auf Grund der Mitteilung des Börsenvereins ebenfalls sieben Mitglieder »stillschweigend« ausgeschlossen, unter ihnen »Frau Edith L. Jacobsohn i. Fa. Verlag der Weltbühne, Berlin«. Ein Nachtrag des Börsenvereins vom 3. Mai 1933 listete 20 Verlage auf, davon drei ausländische, einige sozialdemokratische, linke sowie jüdische, die in das Verzeichnis derjenigen Firmen aufgenommen wurden, die - angeblich - gegen die Verkaufsordnung verstoßen hatten. Ihm schloß sich eine Aufzählung von 14 gestrichenen Firmen an. Auch hierunter befand sich der »Verlag der Weltbühne Siegfried Jacobsohn & Co., Berlin«. Abschließend hieß es: »Die Streichung soll den Firmen selbst vom Börsenverein nicht mitgeteilt, wohl aber den Kommissionären bekanntgegeben werden...« Im Auftrag des Vorstandes des Börsenvereins hatte die Geschäftsstelle etliche Wochen vorher zahlreiche Bücher von der Deutschen Bücherei entliehen, um eine umfangreiche Aufstellung »kommunistischer Verlagsfirmen« anzufertigen, auch solcher, die nicht Mitglieder des Vereins waren. Von einem Verlag wurden hier 53 Buchtitel angeführt, die seinen Ausschluß mitbegründen sollten. Diese Aufstellung angeblich kommunistischer Verlage diente als Grundlage für die Sitzung vom 11. und 12. April 1933, auf der der Vorstand aus eigener Initiative zahlreiche Mitglieder des Börsenvereins ausschloß und zusätzlich Firmen und Personen aus dem »Adreßbuch des Deutschen Buchhandels« streichen ließ. Gleich einen Tag darauf teilte die Geschäftsführung dies dem Deutschen Verlegerverein mit - eine unausgesprochene Aufforderung, ebenso zu verfahren. Indem der Börsenverein schon etliche Wochen vor der Bücherverbrennung sein Mitglied Edith Jacobsohn ausschloß und den Verlag aus dem Adreßbuch strich, stempelte er sie als außerhalb des deutschen Buchhandels stehend ab. Die angebliche Interessenvertretung des Buchhandels gab den Verlag, die jüdische Besitzerin und den Chefredakteur der Weltbühne, Carl von Ossietzky, sowie Mitarbeiter des Blattes für den Terror der Nazis frei (das letzte Heft war am 6. März erschienen, Ossietzky saß seit dem Reichstagsbrand in Haft). Aufschlußreich ist, daß die »nationalgesinnten Männer« des Vorstands und der Geschäftsführung des Börsenvereins den Verlag der Weltbühne kurzerhand als »kommunistisch« abqualifizierten, um ihn auszugrenzen. So weit waren selbst der »Sicherheitsdienst« (SD) der SS, der den Verlag der Weltbühne und dessen Hauptschriftleiter in seinen internen »Leitheften« als jüdisch-liberal, pazifistisch eingestuft hatte, und auch Joseph Goebbels' Propagandaministerium nicht gegangen.
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
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