Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Heilige Traditionenvon Werner René Schwab Es wirkt immer beeindruckend, wenn unsere Unternehmer, Wirtschaftsweisen, Regierenden, Bankiers, Großaktionäre und tonangebenden Publizisten tiefbesorgt über die Unmäßigkeit gewerkschaftlicher Forderungen klagen und an das Verantwortungsgefühl der Lohnabhängigen für das Allgemeinwohl appellieren. In solchen mahnenden und warnenden Worten klingt eine jahrhundertealte Tradition mit, die hier einmal gewürdigt sei. Da sagt beispielsweise der Wirtschaftsweise Rürup, schon das Angebot der Metallarbeitgeber von 3,3 Prozent mehr Einkommen sei zu hoch gewesen, ganz zu schweigen von der Gewerkschaftsforderung. Und Bundeskanzler Schröder stellt fest, »zu hohe« Tarifabschlüsse gefährdeten den Wirtschaftsaufschwung. Die gleiche Weise wurde schon vor 500 Jahren gesungen, nur damals etwas schriller. 1512 zum Beispiel schrieb der Franziskaner Thomas Murner in seiner »Narrenbeschwörung«, die Bauern seien, statt ihre Erträge einzuteilen und sparsam zu leben, nur von Neid auf Adel und Geistlichkeit getrieben. Sie seien lästerliche Schlemmer und Fresser. Sie seien unmäßig und stürzten sich für ihr Luxusleben in Schulden, und dann wollten sie den sparsamen Adel und die Geistlichkeit berauben, um weiter prassen zu können. Wem fällt da nicht ein, wie 1998 die »Partei der Besserverdienenden«, offiziell nennt sie sich FDP, in einem Wahlkampfslogan den Gewerkschaften eine »Neidkampagne« vorwarf. Und erst vor wenigen Wochen plagiierte Thyssen-Aufsichtsratsvorsitzender Gerhard Cromme den alten Franziskanermönch. Er nannte den Hinweis der IG Metall auf die Unternehmergewinne und Managerbezüge (allein Rolf Breuer, bisher Chef der Deutschen Bank, erhält im Jahr elf Millionen Euro) »eine Neiddiskussion, die nicht weiterhilft«. Bescheiden sollen die einfachen Leute in ihren Ansprüchen und Forderungen bleiben. Martin Luther, der es mit den hohen Herren hielt, sofern die nicht dem Papst oder Kaiser anhingen, predigte 1525 den Bauern: »So wird dich wahrlich dies auch zu keinem Christen machen, daß du die Obrigkeit verachtest, dich voll und toll frissest und säufst.« Der Unternehmerverband Gesamtmetall mahnte 477 Jahre später die Arbeitnehmer ebenfalls zur Mäßigung und verwies auf die inzwischen bewiesene Bescheidenheit der Manager. Denn im Jahre 2001 seien ja die Börsenkurse rapide gesunken, und das habe »tiefe Spuren in den Vorstandsbezügen hinterlassen«, ohne daß Klagen laut geworden seien. Rund ein Vierteljahrtausend zuvor hatte die juwelenübersäte königliche Maitresse Madame Pompadour den Duc de Richelieu aufgefordert: »Lernen Sie von einer Frau, maßvoll zu sein.« Damit meinte sie sich. Wenn FDP- und Unionspolitiker wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel Studiengebühren wiedereinführen wollen, was vor allem die Schlechterverdienenden beträfe, stehen sie damit in der Nachfolge des Preußenkönigs Friedrich III. Der beschied einen Kantor, der um ein Stipendium für seine beiden Söhne gebeten hatte: »Es ist ja überhaupt nicht nötig, daß jeder Kantor seine Söhne studieren läßt, sie können auch Schneider werden.« Viele Jahre alt ist auch die Forderung, daß der Staat sich gefälligst aus dem Wirtschaftsleben herauszuhalten habe (außer es geht um Subventionen für die Unternehmer). Als 1790 der Pariser Stadtrat Nationalwerkstätten für 12 000 Arbeitslose einrichtete (heute fiele das unter den Begriff ABM), hetzte die Presse der sich langsam bildenden Kapitalistenklasse mit Argumenten dagegen, die unverändert in unsere Tage übernommen worden sind: Das widerspreche dem freien Spiel der Kräfte, bedrohe die Freiheit der Unternehmer; man müsse nur den Marktgesetzen vertrauen, die würden alles in Ordnung bringen. Gleichzeitig appellierten in der Nationalversammlung die Abgeordneten der Rechten und der Mitte angesichts der schlechten Finanzlage des Staates an die »Opferbereitschaft der Bürger«. Ihre Mehrheit setzte durch, daß die sich bildenden Berufsorganisationen der Arbeiter, Gesellen und kleinen Gewerbetreibenden verboten wurden. Auch Streiks wurden untersagt, denn sie seien ein »Attentat auf die Freiheit« und schadeten der Konkurrenzfähigkeit (das Wort »Standortnachteil« gab es dazumal noch nicht). Gegenwärtig wagt zwar niemand von einem Streikverbot zu sprechen. Doch daß es nicht aus den Augen verloren ist, verrät die Äußerung des Industrieverbandspräsidenten Rogowski, diese Arbeitskampfmaßnahme sei veraltet, sie passe nicht mehr in unsere Zeit. Die großen Medien sprechen von überholten Ritualen. Nicht überholt ist natürlich das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln und Meinungsmonopolen. Hier können sich die eingangs genannten Mächtigen und Profiteure sogar auf die »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« von 1789 berufen. Deren Artikel 17 nennt das Eigentum ein »unverletzliches und heiliges Recht«. Nur dieses und kein anderes Menschenrecht wird in der vom Besitzbürgertum verfaßten Erklärung heiliggesprochen.
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |