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Christa Randzio-Plath (SPD), Mitglied des Europäischen Parlaments, sagte voraus, für die Verbraucher werde der Euro bessere Vergleichsmöglichkeiten schaffen sowie, »weil der Wettbewerb der Anbieter steigt«, tendenziell niedrigere Preise. Sie versicherte: »Eines ist klar: Alle werden sich mit dem Euro genausoviel leisten können wie z.B. mit der D-Mark.« In den letzten Monaten des vergangenen Jahres, als in den Geschäften und Supermärkten der Preisanstieg nicht zu übersehen war, wurde das Kundenvolk mit Hinweisen auf die Witterung (in tausendjähriger Vorzeit war es »General Winter« gewesen, der für manches herhalten mußte) und auf »jahreszeitlich bedingte« Gründe beschwichtigt - die bevorstehende Einführung des Euro habe jedenfalls nichts damit zu tun. Außerdem seien die Steigerungen nur gering, und ihnen ständen viele Preisminderungen gegenüber. Auch als die Hoffnung aufkam, daß der Handel die Preise nur zu dem Zweck anhebe, um sie im Januar, nach der Währungsumstellung, senken und dafür Lob einfangen zu können, entzogen sich die verantwortlichen Politiker jeder Diskussion darüber, und man spürte förmlich, wie man in den Verdacht des Defaitismus geriet, wenn man überhaupt Fragen zu stellen wagte. Bald jedoch mußte die EU-Statistikbehörde bestätigen, daß im Jahr 2001 in allen Euro-Ländern die Preise erheblich gestiegen waren. Der Bundesvorstand der Verbraucherzentralen rechnete bereits im Januar vor, daß von 216 untersuchten Dienstleistungsangeboten im zweiten Halbjahr 2001 nicht weniger als 131 teurer geworden waren, in Einzelfällen um bis zu 48 Prozent. Die Berliner Zeitung berichtete zur gleichen Zeit über eine Studie, die den Eindruck verstärke, daß Preise im Zusammenhang mit der Einführung des Euro häufiger angehoben als gesenkt wurden. Auch dies eine Bestätigung der Klagen, die bislang vehement in das Reich der Fabel verwiesen worden waren, nicht selten mit dem Vorwurf an die Verbraucher, sie würden sich von »gefühlter Inflation« leiten lassen, die mit der tatsächlichen nicht übereinstimme. Das Statistische Bundesamt aber entzog sich auch zu dieser Zeit noch allen Fragen. Ossietzky kann in Anspruch nehmen, sich sehr frühzeitig (in Heft 10/01) dieses Themas angenommen zu haben, als der Bundesfinanzminister noch versicherte, daß er im Gegensatz zu Skeptikern im Lande nicht an Preissteigerungen glaube. Im Gegenteil, die neuen Schwellenpreise würden eher zu Senkungen führen. Ein Jahr später nun - viele Händler haben sich, vorerst jedenfalls, von Schwellenpreisen verabschiedet, vor allem von der 99 hinterm Komma - folgt Hans Eichels kleinlaute Erklärung: »Wir haben uns zu sehr auf die Selbstverpflichtung des Handels verlassen, und das war möglicherweise ein Fehler.« Man mag einem Finanzminister nachsehen, wenn er nicht alle ökonomischen Lehrbücher kennt. Aber darf man von einem Politiker in seiner Funktion nicht doch wenigstens ein Quentchen fundierten Wissens um die Psyche von Händlern erwarten? Die in diesem Zitat sich offenbarende Naivität erstaunt und erschreckt. Die Verantwortlichen in Deutschland wehren jetzt alle Vorwürfe mit dem Argument ab, die Marktwirtschaft lasse keinen staatlichen Einfluß zu. Wenn man aber weiß, daß Eichels französischer Kollege Kontrolleure eingesetzt hatte, die vor der Währungsunion Preissünder aufspürten, daß in den Niederlanden Ähnliches geschah und die österreichische Regierung Preistreiber schriftlich aufforderte, ihre Mehrforderungen zurückzunehmen, versteht man auch, warum ausgerechnet in unserem Lande der Euro umgangssprachlich zum Teuro wurde und die Verbraucher, für den Handel spürbar, zu Kaufrückhaltung veranlaßte - wozu offenbar weiterhin Anlaß besteht, denn gerade erst zitierte Focus den Vertreter eines Kölner Forschungsinstitutes, der im Ergebnis seiner seit 1999 laufenden ständigen Preisuntersuchungen zu dem Schluß kommt: »Die Verteuerungen galten keineswegs nur kurz nach dem 1. Januar, wie von vielen erhofft, sondern sind offenbar auf Dauer angelegt.« Der Internationale Karlspreis, der dem Euro zuerkannt worden ist, wäre vielleicht wohlverdient, wenn der europäischen Währungsunion eine weitgehende Angleichung sozialer Verhältnisse in den Mitgliedsländern vorangegangen wäre. Oder lag das gar nicht in der Absicht der Beschließenden? Jetzt werden in den einzelnen Ländern der EU teilweise sehr unterschiedliche Preise für gleiche Erzeugnisse verlangt - was neue Fragen aufwirft: währungspolitische, wirtschafts- und sozialpolitische, europapolitische Fragen.
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
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