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Das Militär scheute sich nie, das Kriegsrecht zu brechen, denn Übermut, aggressive Feigheit, Rachsucht und Angst vor Vergeltung gehören zur Natur des Krieges. Als die Briten 1942 bei ihren Vorstößen auf Dieppe und die Kanalinsel Sark gefangene deutsche Soldaten fesselten, drohte Hitler die Fesselung britischer Gefangener an. Das half. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Gefangenenfesselung zur Normalität. Es wird gefesselt, gefoltert, gemordet. Das Kriegsrecht, das dies alles ausdrücklich untersagt, schrumpft zur bloßen Theorie, auf die sich nur machtlose Menschenrechtler berufen. Daß der Krieg trotz aller Versuche, ihn zu verrechtlichen, immer wieder verunrechtlicht wird, hat zwei Hauptursachen, die offenbar ewigen Bestand haben, solange Mensch sich Krieg leistet. Einerseits hält sich der Schwächere nicht an die jeweils geltenden Kriegsregeln, die der Stärkere zu seinen Gunsten auslegt und handhabt. Also wird der Schwächere stets als Partisan, Terrorist und Barbar erscheinen. Schrecken und schieres Grauen zu verbreiten, ist eine seiner wenigen Waffen. Andererseits wird der Stärkere seinen Feind eben wegen dieser terroristischen Kriegführung mit Gegenterror bekämpfen, was schon Clausewitz ungescheut als »Vernichtung« zum Ziel ernannte, allerdings ausdrücklich als »Vernichtung der feindlichen Streitkraft«. Moderne Kriege und Bürgerkriege halten sich nicht an diese Einhegung, die entweder im taktischen Selbstlauf oder absichtsvoll strategisch übergangen wird. Der jeweils Stärkere hofft damit, einen endgültigen Sieg zu erringen. Der Schwächere antwortet, ist er der totalen Vernichtung zunächst entkommen, mit seinen partisanenhaften Terror-Aktionen. Den Grundriß dafür kennen wir aus Irland und Spanien, wo fundamentalistische Separatisten seit Jahrzehnten der Staatsmacht widerstehen. Maximale Ausmaße nahmen Vernichtung und Terror im 2. Weltkrieg an, der im Osten und auf dem Balkan jede Spur von Kriegsrecht vermissen ließ. Die deutsche Seite leistete sich extreme Massaker, Kriegsgefangene wurden zu Hunderten und Tausenden erschossen und vergast, Hunderttausende ließ man einfach verhungern. Ein klassisches Kriegsverbrechen geschah auf der Insel Kephalonia, wo die Wehrmacht 1943 auf »Führerbefehl« über 4000 italienische Kriegsgefangene mit Gewehr und Maschinengewehr niederstreckte, obwohl das Soldbuch des deutschen Soldaten seit 1942 die Heeresdienstvorschrift Nr. 231 enthielt, in der unter Nr. 4 steht: »Es darf kein Gegner getötet werden, der sich ergibt ...« Die Soldaten mordeten gehorsam, ohne ins Soldbuch zu blicken. »Kein Italiener verläßt lebend die Insel«, hieß es anfangs. Daß dann doch ungefähr die Hälfte der Gefangenen dem Tode entging, grenzt an ein Wunder. Andererseits überstanden auch von den damals auf Kephalonia Davongekommenen nur wenige Gefangenschaft, Arbeitseinsatz an der Ostfront sowie erneute Gefangenschaft bei den Sowjets. Das Beispiel gilt für die Gefangenen im Ostkrieg insgesamt, wobei die Sowjetrussen als die Humaneren erscheinen - von drei gefangenen Rotarmisten überlebte nur einer, von drei deutschen Gefangenen kehrten zwei in die Heimat zurück. Die gesamten Menschenverluste zeigen den Unterschied noch deutlicher: auf sowjetischer Seite zwischen 20 und 29 Millionen Tote, auf deutscher fünf bis sieben Millionen. Die Angreifer erlitten also nur etwa ein Viertel der Kriegsopfer der Angegriffenen. Nach 1945 führte der Kalte Krieg über heiße Stellvertreterkriege zur weiteren Schwächung der Sowjetunion und deren Zusammenbruch, dem die globale Ausbreitung des US-Imperiums folgte. Jetzt aber, um die Jahrtausendwende, ist die Verdeutschung der USA wie auch Israels augenscheinlich, in viererlei Hinsicht: aggressive Aufrüstung; Übermachtstrategie; Marginalisierung der Opposition; Absage der Verrechtlichung. Der israelisch-palästinensische Stellvertreterkrieg kulminierte in der Ermordung des Ministers Rehavam Zeevi, der unter Berufung auf Gott das Programm der Vertreibung aller Palästinenser vertreten hatte. Scharons Einmarsch als offen deklarierte Strafe für das Attentat auf Zeevi wird von den Palästinensern logischerweise als Schritt zur Realisierung des Programms, als Beginn der Vertreibung verstanden. Besetzung, Zerstörung, Vertreibung sind die klassischen Stufen solcher Kriege. War einst der jüdische Exodus Folge des Kampfes der Juden gegen das Römische Imperium, so führt nun 2000 Jahre später, nach der staatlichen und kriegerischen Rückkehr der Israelis, der Widerstand von Palästinensern, die erst seit Jahrhunderten in diesem Land leben, zu deren Austreibung und Tod. Im Hintergrund entwirft das neue Rom USA sein unilaterales Programm, das nur Verbündete und Feinde kennt. Völker, die anders wollen, müssen zu Protektoraten befriedet werden. Auf die Balkankriege folgte Afghanistan. Der Irak ist als nächster dran. Geben die als Schurkenstaaten Gekennzeichneten nicht freiwillig auf, sind sie Kandidaten für künftige Bombardements. Ein Satellitendasein ist die Konsequenz. Wie also sieht unsere schöne Zukunft aus? Der nordirische und spanisch-baskische Terror eskalierte zum Muster des isralisch-palästinensischen Terrorkrieges. Die Protektorate auf dem Balkan, in Vorder- wie Mittelasien frieren den Krieg für eine Übergangszeit ein. Ob es dem US-Imperium gelingt oder nicht, weitere Schurkenstaaten in Protektorate umzuwandeln, ist eine bloße taktische Frage. Strategisch gesehen bietet der israelisch-palästinensische Konflikt das gültige Weltmodell des 21. Jahrhunderts. Schon die Vorbereitung darauf destruiert die Demokratien zu bloßen Bürgerkriegsteilnehmern. Es kann sein, daß Mr. Bush gar nicht zu begreifen vermag, was er weltweit auslöst. Seine beratenden Hintermänner aber müssen es ebenso wie die europäischen Politiker und Intellektuellen wissen. Doch die sind es ja gewohnt, sich mit Lust ins eigene Knie zu schießen. So dürfen wir staunend auf eine sich selbst zugleich fesselnde und in die Luft sprengende Welt blicken. Und keine Alternative zur permanenten Verdeutschung des 3. Weltkrieges? Doch: Sie bestünde in der Stärkung der israelisch-palästinensischen Friedensbewegung. Im Verzicht der USA auf Unilaterismus und Israels auf die Zwingburgen der Siedler in Palästina. Im Verzicht der Palästinenser auf Rache. Wir Europäer aber, wir Kriegsidioten des 20. Jahrhunderts, müßten jene Energien entwickeln, die Amerika davor bewahren können, zum kollektiven Kriegsidioten des 21. Jahrhunderts zu eskalieren. Ist das pure Utopie? Dann wäre ist die Zukunft der Welt ein universeller Bürgerkrieg, in dem sich die Minderheit der wohlhabenden Staaten und die Massen der Benachteiligten gegenseitig umbringen wie heute Palästinenser und Israelis.
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
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