Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Die Tonalität deutscher Medienvon Eckart Spoo »Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Präsident... wir wollen überhaupt keinen Krieg«, hieß es in einem von 400 Organisationen und Einzelpersonen unterschriebenen Aufruf, der als ganzseitige Anzeige zum Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in der Frankfurter Rundschau erscheinen sollte. Der Verlag verweigerte die Veröffentlichung - ohne Begründung. Die Ablehnung war schlicht so formuliert: »Aus verlegerischer Sicht möchten wir von der Veröffentlichung absehen.« Der Fall sprach sich in der Friedensbewegung schnell herum. In die Frankfurter Redaktion strömten Leserbriefe, von denen nur eine winzige Auswahl veröffentlicht wurde. Empörung regte sich auch innerhalb der Redaktion. Chefredaktion und Verlag sahen sich zu einer Verlautbarung »In eigener Sache« veranlaßt: »Der Verlag der FR hat wie jeder andere Zeitungsverlag das Recht, Anzeigen abzulehnen. Dies geschieht, falls Anzeigen justiziable Inhalte wie etwa Verleumdungen oder Beleidigungen enthalten. Darüber hinaus gibt es - insbesondere bei politischen Anzeigen - eine Grauzone von Faktenungenauigkeit und Tonalität, bei der sich der Verlag eine Ablehnung nach Rücksprache mit der Chefredaktion vorbehält.« Und die beanstandete Anzeige sei eben »in Teilen faktenungenau« gewesen, und es seien darin Behauptungen in einer Wortwahl aufgestellt worden, »die für Verlag und Chefredaktion nicht akzeptabel waren«. Dem Verantwortlichen für die Anzeige, dem Kasseler Hochschullehrer und Sprecher des »Friedensratschlags«, Peter Strutynski, wurde eine derartige Begründung nie gegeben. Erst recht gab es keinen Versuch, mit ihm über Textänderungen zu verhandeln. Der Verlag trat mit ihm nie in Kontakt, die Chefredaktion ebenso wenig. Gegenüber den Lesern behaupteten sie, an eine zwischengeschaltete Agentur mit der Bitte herangetreten zu sein, die Wortwahl an einigen Stellen zu ändern. Die Agentur bestreitet das. An welchen Formulierungen Verlag und Chefredaktion der FR Anstoß nahmen, wurde nicht bekannt. Die Unterzeichner des Aufrufs hatten viele tausende Euro für die Anzeigenveröffentlichung aufgebracht. Dieses materielle Opfer wäre nicht nötig gewesen, wenn die FR die Argumente der Friedensbewegung im redaktionellen Teil veröffentlicht hätte. Daß die Anzeige dann in drei Berliner Blättern erschien, macht die Sache nicht gut, denn dort waren die Argumente des Aufrufs schon im redaktionellen Teil erschienen. Und diese drei kleinen linken Berliner Blätter erreichen eben nicht die Leserschaft der FR oder gar die der gewöhnlichen deutschen regionalen Monopolblätter. In einem der veröffentlichten Leserbriefe war zu lesen: »Glückliches Deutschland - hier zu Lande machen die Verlage die Zensur überflüssig...« Ein wahres Wort. Denn der hier geschilderte Fall ist alles andere als ein Ausnahme, die das schöne Bild einer freien Presse, aus der sich freie Bürger frei informieren können, bestätigen würde. Vor einigen Jahren informierte die Humanistische Union über eine gemeinsame Erklärung von 96 Professorinnen und Professoren der Strafrechts-, Staatsrechts- und Politikwissenschaften gegen die Legalisierung des »Lauschangriffs«. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schwieg die offenbar unerwünschte Erklärung tot. Die Humanistische Union informierte die FAZ-Leser daraufhin mit einer bezahlten Anzeige. Aber was damals bei der FAZ möglich war, nämlich bei einem kapitalistischen Presseunternehmen Platz für die Veröffentlichung politischer Argumente käuflich zu erwerben, erwies sich in vielen anderen Fällen als unmöglich - nicht erst jetzt bei der FR. Ich habe in meinem Archiv eine große Sammlung abgelehnter politischer Anzeigen. Daraus einige Beispiele: 1994 entschied die Süddeutschen Zeitung, im damaligen Bundestagswahlkampf keine Anzeige der PDS zu veröffentlichen. Begründung: In der PDS gebe es »Leute, die darüber nachdenken, unser System zu verändern«. Die Entscheidung sei »in Abstimmung mit der Chefredaktion« gefallen, teilte SZ-Verlagsleiter Ulrich Gehrhardt mit. Die Elmshorner Nachrichten nahmen eine Anzeige der DKP im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf 1996 zwar zunächst an, teilten jedoch drei Stunden später mit, auf Anweisung des Springer-Konzerns, zu dem das Blatt gehört, dürften grundsätzlich keine Anzeigen der DKP erscheinen. Der Aachener Zeitungsverlag wies eine Todesanzeige für Josef Henges, einen Überlebenden des KZ Börgermoor, deswegen zurück, weil im Text zutreffend erwähnt war, daß Henges Kommunist war. Im Bocholt-Borkener Volksblatt durfte eine Anzeige unter dem Motto »Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker« (Che Guevera) nicht erscheinen: Dem Inserenten wurde mitgeteilt, eine Veröffentlichung komme nur dann in Betracht, wenn er auf den Namen Che Guevera verzichte. Eine Anzeige »Niemals vergessen!«, die an Todesopfer eines Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen erinnerte, wurde von der FR mit dem üblichen Text abgelehnt: »Leider können wir den von Ihnen eingesandten Text aus verlegerischen Gründen nicht veröffentlichen. Wir bitten um Verständnis für diese Entscheidung.« Aber wie sollen man Verständnis aufbringen, wenn die Gründe nicht einmal konkretisiert werden? 1993 weigerten sich die Berliner Zeitung und viele weitere Blätter, eine Anzeige zu drucken, die einen schief über einem Grabkreuz hängenden Stahlhelm mit den Worten »ohne uns - PDS« zeigte. 1994 versuchte es die PDS nochmals. Der Text lautete nun: »Wir bleiben dabei: ohne uns - PDS«. Die FR blieb dabei: Die Anzeige wurde nicht gedruckt. Ähnliche Erfahrungen machten die Grünen, als sie noch eine Friedenspartei waren. Beispielsweise lehnte im Golfkrieg Anfang 1991 die Wilhelmshavener Zeitung eine Anzeige unter anderem deswegen ab, weil sie einen Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung enthielt - obwohl das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz garantiert ist. Der Rüstungskritiker Jürgen Grässlin widmet in seinem Buch »Daimler Benz. Der Konzern und seine Republik« den Medien ein eigenes Kapitel, »Die Mercedes-Medien - Von der meinungsbildenden Macht des Konzerns«, worin er schildert, wie »selbst seriöse Tageszeitungen vor Anzeigen der Konzerngegner zurückschrecken«: Es habe sich zum Beispiel als unmöglich erwiesen, in Anzeigenform Kritik an Daimler-Benz-Rüstungsexporten in der SZ und in der FR »für gutes Geld zu veröffentlichen«. Vielleicht hat Daimler-Benz besseres Geld. Als die Deutsche Volks-Union mit gewaltigem publizistischem Aufwand für die Bremer Bürgerschaft kandidierte, durfte in der örtlichen Presse eine Hausfrau inserieren: »Ich möchte wissen, woher die alten Nazis so viel Geld haben...« Abgelehnt wurde dann jedoch die Anzeige eines ehemaligen KZ-Häftlings: »Wo die alten Nazis ihr Geld herhatten, weiß ich. Sie wurden vom Kapital bezahlt.« Vom Kapital bezahlte Anzeigen stoßen bei deutschen Zeitungsverlagen, soweit bekannt, nicht auf Ablehnung. Mit ihnen machen sie ihr Hauptgeschäft. Da stimmt die Tonalität. Auch auf Faktengenauigkeit scheint es bei Anzeigen von Siemens, Telekom oder dem Bundespresseamt nicht anzukommen, sonst dürften die meisten nicht erscheinen. Als die Zeitungsverlage ihr ergiebiges Geschäft auf den Rundfunk ausdehnen wollten, was ihnen auch gelang, war der hannoversche Monopolverlag Madsack (Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse, Hannoversches Wochenblatt) nicht bereit, eine Anzeige von über 100 prominenten Bürgern Niedersachsens, darunter zwei ehemaligen Ministerpräsidenten, gegen den Kommerzfunk zu veröffentlichen. Rundfunk, so hieß es in dem Anzeigentext, müsse »Forum auch für Minderheiten und alle bleiben, denen nicht die Zeitungen gehören. Überließe man den Rundfunk den wirtschaftlich Mächtigen, dann müßte um des Grundrechts der Informationschancen willen die Presse öffentlich-rechtlich organisiert werden.« Die Verlagsleitung wäre zur Veröffentlichung der Anzeige nur bereit gewesen, wenn die Inserenten auf diese Aussage verzichtet hätten. In der Welt, dem Leitblatt des Springer-Konzerns, fand ich vor Jahren, als die SPD noch die gewerkschaftliche Forderung nach innerer Pressefreiheit unterstützte, die schöne Belehrung: »Die SPD fordert seit Jahren, die Pressefreiheit umzufunktionieren, weil angeblich bei der freien Presse die Andersdenkenden nicht zum Zuge kommen. Nun kann aber jeder, der seinen Standpunkt in der Tageszeitung nicht genug berücksichtigt glaubt, wenigstens dort eine Anzeige aufgeben - auch als Gewerkschaft gegen die Arbeitgeber.« Ja, wenn das wahr wäre. Doch das Landgericht Stuttgart gab dem dortigen Monopolverlag (Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten) in einem Rechtsstreit gegen den DGB recht: Der Verlag habe ein DGB-Inserat ablehnen dürfen, denn die Pressefreiheit erstrecke sich nicht nur auf den redaktionellen, sondern auch auf den Anzeigenteil. Das Landgericht stützte sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1976, wonach die Presse »den Abdruck von Anzeigen und Leserzuschriften einer bestimmten Richtung verweigern« dürfe, ohne daß dadurch die Rechte der Inserenten unzulässig beeinträchtigt würden. Daran ändere auch eine regionale Monopolstellung nichts. Entscheidend für den Abdruck von Anzeigen politischen Inhalts sei allein das Ermessen des Verlags. Das ist die Pressefreiheit der Verlagsunternehmen. Sie kann nur von der Pressefreiheit noch größerer Konzerne übertroffen werden - (etwa dann, wenn diese zum Mittel des Anzeigenboykotts greifen, um auf den redaktionellen Teil, etwa auf Personalentscheidungen in der Redaktion, Einfluß zu nehmen. In den Medien darf eben nicht für alles geworben werden. Aber für manches. Zum Beispiel für die Aufrüstung und für die Militarisierung der Politik. Zum 40jährigen Bestehen der Bundeswehr erschien die FR mit einer Jubelbeilage, in der viele Generäle zu Wort kamen. Friedensbewegte Leser des als linksliberal firmierenden Blattes wunderten und empörten sich über diese Werbung - die aber gar keine bezahlte Werbung war. Die unkritische Würdigung der Bundeswehr war, wie in einer erregten Redaktionsversammlung bekannt wurde, vom Verlag selber finanziert worden. Verantwortlich für den Inhalt war der jetzige Chefredakteur Jochen Siemens. Der treffliche Peter Strutynski und seine Mitaufrufer (Ich gehörte zu ihnen) sollten sich dieses Dokument noch einmal anschauen, um es auf Tonalität und Faktengenauigkeit hin zu prüfen - nicht etwa um sich daran zu orientieren. Ungehindert geworben wird auch für rassistische und andere diktatorische Regime im Ausland, die zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie gehören. Als dagegen einmal ein Leserbriefschreiber in der SZ Einwände erheben wollte, antwortete ihm die Chefredaktion: »Die Trennung des redaktionellen vom Anzeigenteil gehört zu den Prinzipien aller bedeutenden Zeitungen in den westlichen Demokratien.« Mit dieser Begründung wurde der Abdruck des Leserbriefs verweigert - äußerst faktenungenau. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |