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Da erscheint es sinnvoll, wenn eine der an der Aktion Beteiligten erläutert, worum es eigentlich ging und was daraus wurde. Der Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas ist verantwortlich für eine neue Welle der Aufrüstung. Die USA werden im Jahre 2003 mehr Geld fürs Militär ausgeben, als die Bundesrepublik Deutschland im gesamten Haushalt zu verteilen hat. Die Ausrichtung und Beschränkung der US-Außenpolitik auf militärische Aktionen, bewaffnete Interventionen und Kriege zeigte sich in der jüngeren Vergangenheit etwa in Jugoslawien und in Afghanistan. Die Rede Bushs vor dem Bundestag ist aber auch im Kontext seiner gesamten Reise durch Europa zu sehen: Ziel und Zweck ist es, eine neue Kriegskoalition zu schmieden, die sich gegen den Irak und andere Staaten auf der »Achse des Bösen« richten soll. Sowohl die Rede des US-Präsidenten als auch die Äußerungen deutscher Regierungspolitiker haben deutlich gemacht, wie weit die Militarisierung der Politik schon fortgeschritten ist. Das unselige Wort des Generals v. Clausewitz, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, wird inzwischen vom Bundeskanzler, von seinen Ministern und anderen bedenkenlos in zahllosen Varianten wiederholt. Deswegen richtete sich unser Transparent auch nicht nur an George W. Bush, sondern ebenso an Gerhard Schröder: »Mr. Bush & Mr. Schröder: Stop your wars!« In der Sondersitzung des Bundestages brachten die anwesenden Abgeordneten der PDS mit einer (sehr) kleinen weißen Friedenstaube am Revers oder am Kostüm ihre kritische Haltung gegenüber der US-Politik zum Ausdruck. Heidi Lippmann, Winfried Wolf und mir war das zu wenig. Angesichts der Bedrohung für den Weltfrieden, die von der Politik der US-Administration ausgeht, hielten und halten wir ein deutlicheres Signal des Protests für notwendig. Daher neben den Tauben unser Transparent. Auch wenn die Saaldiener es sofort wegrissen: Unsere Botschaft steht im Raum, und wir sind uns darin einig mit den vielen Zehntausenden von Menschen, die für den Frieden demonstriert haben: Wir wollen keine Kriege. Die Auseinandersetzung innerhalb der PDS-Fraktion um das Transparent ist meiner Meinung nach eine Auseinandersetzung um den politischen Kurs: Sind wir Ihrer Majestät loyale Opposition, die zwar die eine oder andere Einzelheit der Regierungspolitik kritisiert, sie aber grundsätzlich mitträgt? Oder machen wir eine konsequente Politik, die auch die Anliegen der außerparlamentarischen (Friedens-) Bewegungen aufgreift? Der Vorwurf, wir hätten uns mit »peinlichem Aktionismus« auf Kosten der Gesamtfraktion profilieren wollen, geht fehl. Im Gegenteil: Die Reaktionen - auch die aus dem Ausland - machen deutlich, daß die PDS hierdurch an Profil gewonnen hat. Über 150 E-Mails, die bei mir innerhalb von drei Tagen angekommen sind, drücken Unterstützung für unsere Aktion aus und Unverständnis gegenüber der Entschuldigung von Roland Claus, die als die eigentliche Peinlichkeit empfunden wird. Viele schreiben, wir hätten das Ansehen der PDS als Friedenspartei gerettet. So heißt es in einer Mitteilung: »Drei Bundestagsabgeordnete haben (...) einen Grund für eine Wahlentscheidung in Richtung PDS aufgezeigt. Heute sind wir den zwei Prozent im Westen ein Stück näher gekommen.« Viele Basis-Organisationen der PDS sind entsetzt über die Distanzierung des Fraktionsvorstandes. Die Stadtdelegiertenkonferenz der PDS in Leipzig beschloß eine Resolution, in der es unter anderem heißt: »Wir haben kein Verständnis für die Entschuldigung von Roland Claus und Petra Pau und wenden uns gegen die Disziplinierungsabsicht gegen diese drei Abgeordneten«. Der Kreisverband Delmenhorst kritisierte, daß die Mehrheit der Fraktion ihren Protest nur in Form von Anstecknadeln gezeigt habe, und meinte, es wäre »purer Opportunismus«, das Töten und Abschlachten in Afghanistan und - demnächst - im Irak und anderswo mit solchen »Mätzchen zu verharmlosen. Sonst werden demnächst noch >Rosen gegen den Krieg< verteilt«. Und die PDS-Rathausfraktion von Duisburg berichtete: »Seit heute Vormittag haben wir mehrere Telefonanrufe - privat und in der Geschäftsstelle - erhalten. Alle haben Eure Aktion begrüßt und sich verärgert über die Reaktion der Fraktionsspitze gezeigt.« Ein PDS-Mitglied aus Köln wurde schärfer: »Tief bückt sich, wer - um jeden Preis! - dazu gehören möchte.« In der Frage, ob und wie die PDS im Bundestag ihren Protest deutlich machen sollte, hatte es übrigens keinen Beschluß der Fraktion gegeben. Noch haben wir die Freiheit der einzelnen Abgeordneten. Protest ist nicht genehmigungspflichtig, auch nicht durch den Fraktionsvorstand. Selbstverständlich wäre es besser gewesen, wir hätten mit Bush diskutieren können. Das Parlament soll ja ein Ort der Debatte sein, nicht der Kundgebung. Freigewählte, selbstverantwortliche Abgeordnete müssen immer darauf bedacht sein, nicht in die Rolle von Statisten oder Claqueuren zu geraten - verwechselbar mit den Polizei- (in Zivil) und Verwaltungsbeamten, mit denen für Bushs Auftritt der Plenarsaal gefüllt worden war, damit kein Platz frei blieb. Jubelkulisse für Kriegspolitik - ohne uns.
Erschienen in Ossietzky 11/2002 |
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