Martin Walser, Heimatdichter. - Der Bundeskanzler hat Ihnen die Gelegenheit verschafft, mit großem Medieneffekt etwas zur Volksaufklärung beizusteuern: An Hitler sei Versailles schuld, das dürfe man wohl sagen, sagten Sie. Allerdings gab es keinen Grund, diese Geschichtsansicht vor Originalität zitternd vorzutragen. Schon Hitler verkündete gern, er habe seinen Aufstieg zum Retter Deutschlands dem Versailler Vertrag zuzuschreiben. Bis heute ist dies eine Story mit Massenerfolg.

Edmund Stoiber, Ernstmacher. - Bei der Vorstellung des Wahlprogramms der Unionsparteien haben Sie angemerkt, man habe die "Reformvorschläge" darin "nicht allzu radikal gestalten können". Volksparteien müßten, um ihr Wahlziel zu erreichen, erst einmal "alle mitnehmen". Das nennen wir offenherzig gesprochen. Wenn der Mitnahmeeffekt erreicht ist, soll es radikaler zugehen, bei der Umverteilung von unten nach oben. Da können Sie dann auch an die Arbeit Ihres Vorgängers im Bundeskanzleramt anknüpfen.

Wolfgang Gerhardt, Kanzlerkandidatengehilfe. - Als außenpolitischer Sprecher Ihrer Partei für den Wahlkampf haben Sie den FDP-Parteitag eine Entschließung annehmen lassen, wonach kein nationales Interesse es legitimiere, "Selbstmörder zu rekrutieren und Unschuldige mit in den Tod zu reißen". Viele Regierungen auf der Welt halten sich schon an diesen Grundsatz. Deshalb rekrutieren sie im Bedarfsfall Mörder, die Unschuldige, aber möglichst nicht sich selbst zu Tode bringen.

Heidi Knake-Werner, Berliner PDS-Senatorin. - Beim Besuch des US-Präsidenten in der deutschen Hauptstadt wollen Sie "für den Frieden und nicht gegen Bush demonstrieren". Bei Ihrem neuen Paradigma für politischen Protest werden Sie die eigene Lage mitbedacht haben: für ungeschmälerte soziale Leistungen der Berliner Stadtregierung, nicht gegen Knake-Werner demonstrieren!

Erschienen in Ossietzky 10/2002