Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Der Schrei der Olivenbäumevon Rainer Butenschön Schnell spürt jeder im Saal: Diese zierliche Frau mit ihren so warm und freundlich leuchtenden Augen ist stark, sie sprüht vor Energie, läßt sich gewiß nicht so schnell unterkriegen. Doch dann sagt sie unvermittelt Sätze wie: "Wenn ich verzweifelt bin, laufe ich ins Tal, umarme meine Olivenbäume, ich bin ja Botanikerin, und weine und schreie und schreie." "Das gibt mir wieder Kraft", erläutert die Palästinenserin Sumaya Farhat-Naser in perfektem Deutsch; beschwörend fügt sie hinzu: "Wir dürfen uns auch an unserem tiefsten Punkt nicht von Verzweiflung beherrschen lassen." Diesen Punkt hat Farhat-Naser nicht nur einmal durchlitten. Sie wurde 1948 in Birseit nahe Jerusalem geboren, ist so alt wie der Staat Israel; die Leidensgeschichte der Palästinenser begleitet sie wie ein Schatten. "An 78 Beerdigungen habe ich in den vergangenen zwölf Monaten teilgenommen", erzählt sie vom Leben und Sterben in ihrer Heimat - das war kurz bevor Ariel Scharon die mörderische "Operation Schutzwall" begann und auch Birseit militärisch besetzen ließ. Trotz alledem: So leidenschaftlich diese Frau ihre Sache vertritt, die der Befreiung ihres Volkes von israelischer Unterdrückung, so schrecklich die Erlebnisse sind, von denen sie berichtet - etwa die Verhaftung des Vaters, die Schußverletzung des Sohnes, die Folter in israelischen Gefängnissen -, so überzeugend wirbt sie für Verständigung und Aussöhnung von Israelis und Palästinensern. Mitten im nahöstlichen Gemetzel streitet sie - anfangs nicht ernst genommen, oft belächelt - als Pazifistin für strikte Gewaltfreiheit: "Die Stärke des gewaltlosen Widerstandes ist, daß wir Menschen gewinnen - auf beiden Seiten." Das gelingt ihr immer wieder auf beeindruckende Weise. Zu Hause organisiert sie seit Jahren Gesprächsforen (zum Beispiel mit der israelischen Gruppe "Bat Schalom"). Frauen aus Israel und Palästina sollen lernen, ihre Empfindungen zu artikulieren, Demütigungen und Ängste zu überwinden, freundschaftliche und politische Verbindungen zu knüpfen. "Der Friede kann nicht diktiert werden. Er kann nur erwachsen aus Vertrauen und aus der Einsicht, daß es anders nicht geht", erläutert sie das Credo ihrer Arbeit. Ein herausragendes Beispiel für das, was der Berliner Friedensforscher Ekkehart Krippendorf in dem Sammelband "Demokratie - wo und wie" (VSA-Verlag Hamburg) herrschaftssubversive, Grenzen aufhebende, demokratische "Außenpolitik von unten" genannt hat. Wie schwierig und mühsam das ist, welche unvorstellbaren Barrieren und Vorurteile zu überwinden sind, hat Farhat-Naser in zwei auch auf Deutsch erschienenen Büchern nachlesbar gemacht: Das 1995 erstmals im Lenos-Verlag in Basel veröffentlichte Buch "Thymian und Steine", inzwischen mehr als 60 000 mal verkauft, erzählt ihre spannende Lebensgeschichte bis zum Ende der ersten Intifada. Aufgewachsen in einer bitterarmen Familie konnte sie dank zähen Fleißes und glücklicher Fügungen in Hamburg studieren, wurde Professorin für Biologie und lehrt heute an der Universität ihres Heimatortes Birseit. Beim Studium in Deutschland hörte sie erstmals von der Ermordung der europäischen Juden - und begann die Ängste der Israelis zu verstehen. Mit "Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Eine Palästinenserin im Streit für den Frieden" ist nun Mitte April ihr zweites Buch in deutscher Sprache erschien. Beide Bände gewähren tiefe Einblicke in die palästinensische Gesellschaft und den Dauerkonflikt in Nahost. Farhat-Naser zeigt anschaulich, daß sie an mehreren Fronten stark sein muß: gegen die israelische Besatzung, gleichzeitig aber auch gegen die Männerherrschaft und die autokratischen Strukturen in der palästinensischen Gesellschaft, für deren umfassende Demokratisierung sie kämpft. Und wir erfahren, daß es ihn gibt, "den Schrei der Olivenbäume", die von israelischen Bulldozern niedergewalzt werden. Nachvollziehbar werden die tagtäglichen Demütigungen, die Palästinenser unter der Besatzung erleiden. Ihre ohnmächtige Wut. Die Panik, die losbricht, wenn israelische Hubschrauber auftauchen. Und was es heißt, wenn jüdische Siedlungen und Siedlerstraßen systematisch die besetzten Gebiete in große "Gefängnisse" zerteilen, über die sie schreibt: "In jedem dieser Gefängnisse gibt es kleinere Gefängnisse, und darin sind Käfige und in den Käfigen kleine Käfige. Von einem Gefängnis zum anderen zu gelangen, ist sehr schwierig." Deutlich wird, wie Frieden möglich sein könnte - und warum der Haß angesichts der wachsenden jüdischen Siedlungen, der willkürlichen Zerstörungen und Übergriffe wächst; warum so viele Palästinenser als Selbstmordattentäter ihr Leben und das ihrer unschuldigen israelischen Opfer achtlos vernichten. "Die Besatzung treibt die Menschen zum Wahnsinn", sagt Farhat-Naser. Land für Frieden - darin sieht sie auch heute noch die einzige Erfolg versprechende Formel. Unverdrossen setzt sie weiter auf die kleinen Schritte der Verständigung, deren Probleme sie analysiert und genauso erhellend diskutiert wie die Geschichtsmythen beider Konfliktparteien. Farhat-Naser beharrt im Angesicht der Gewalt darauf: "Im Krieg gewinnt niemand, die einen verlieren nur mehr als die anderen." Und: "Es gibt auf beiden Seiten wundervolle Menschen." Sumaya Farhat-Naser: "Thymian und Steine. Eine palästinensische Lebensgeschichte", 280 Seiten, Basel 1995, 9,95 Euro; "Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Eine Palästinenserin im Streit für den Frieden", 270 Seiten, Basel 2002, 19,90 Euro; Kontakt zur Autorin: sumayanaser@hotmail.com
Erschienen in Ossietzky 10/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |