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Die Produktionsstätten der Unternehmen befinden sich zwar nach wie vor auf dem Festland, und die Verkaufsgeschäfte werden zu 99 Prozent ebenfalls nicht auf kleinen Inseln getätigt; die Finanzzentrale aber ist dorthin ausgelagert oder sogar nur Teile davon, vielfach nicht mehr als eine Büroadresse. Ähnliche Funktionen für Deutschland erfüllen kleinere Länder wie Luxemburg oder Liechtenstein. Einziger Zweck ist das Vermeiden von Steuerzahlungen in den Standortländern. Transnationale Konzerne müssen dann ihre Brutto-Gewinne nur noch mit ihren Aktionären teilen, nicht mehr mit dem Staat. Die der Besteuerung entzogenen Gewinne fließen in sogenannte "Kriegskassen", mit denen die Konzerne überall auf der Welt ein- und aufkaufen, regionale Konkurrenten vom Markt fegen können. Nicht zuletzt mit Hilfe der Offshore-Zentren hat die von den 100 größten Firmen vorangetriebene "Globalisierung von oben" in den letzten zehn Jahren ihre enorme Schubkraft entwickelt. Ganze Volkswirtschaften in Ländern der Dritten Welt wurden aufgekauft und haben ihre Eigenständigkeit verloren. Manche kollabieren, wie zur Zeit gerade in Argentinien und Venezuela. Die Regierungen der großen Industrieländer lamentieren zwar gern darüber, daß ihnen die Steuern der Kapitalgesellschaften immer öfter entgehen. Sie verschweigen aber, daß sie selber es sind, die mit der fast vollständigen Deregulierung der Finanzmärkte erst die Voraussetzungen für solche Art Kapitalflucht geschaffen haben. Luxemburg, Liechtenstein oder Monaco bekamen ja bisher immer den Segen der EU-Kommission für ihre Steuerdumpingpolitik, trotz gelegentlicher markiger Sprüche der sich als geprellt darstellenden Finanzminister der großen Länder. Auch schweigen die Politiker der Industrienationen zu der Tatsache, daß bisherige Offshore-Zentren von großen nationalen Regierungen wie denen Englands oder der USA eigens geschaffen, zumindest geduldet worden sind. Oft gehören die Inseln völkerrechtlich zu diesen Staaten, sie erhielten lediglich das Privileg eigener Steuergesetzgebung - vergleichbar den zollfreien Kaffeefahrt-Dampfern auf der Ostsee. Weil die Deutschen schwerlich auf Helgoland oder Scharhörn steuerfreie Zonen anbieten können, die auch für verwöhnte Banker klimatisch und kulturell attraktiv genug wären, hat man sich unter Rot-Grün in Berlin etwas Neues einfallen lassen: Machen wir doch einfach das ganze Land zum Offshore-Zentrum! Nur so können wir das "scheue Reh", das Kapital, das sonst so leicht kein Vaterland kennt, hier bei uns halten und weggelaufene Tiere wieder heimisch machen. All die Steuersenkungen für Unternehmen und Einkommen unter Kohl und Waigel reichten ja noch nicht aus, sagten die Unternehmensverbände. Zwar trugen die Unternehmens- und Einkommenssteuern zusammen 1999 nur noch sechs Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei und lagen damit schon um ein Drittel niedriger als noch 1992. Zwar hatte die BRD - singulär im Chor der großen Industrienationen - schon Mitte der neunziger Jahre die Vermögenssteuer gänzlich abgeschafft. Die Erbschaftssteuer ist bei uns nach wie vor kaum der Rede wert: ganze drei Milliarden Euro auf 150 Milliarden Euro vererbtes Vermögen pro Jahr. Dennoch lamentierten die Hüter und Halter, ihre Rehe würden hierzulande immer scheuer. Also machte sich Hans Eichel mit seiner "Jahrhundert-Steuerreform" ans Werk und wies seine Beamten an, den Ratschlägen der Lobbyisten aus Unternehmerverbänden zu folgen. Und nun scheint es endlich gelungen: Kapitalgesellschaften müssen ihre Einkünfte nicht mehr mühsam umlenken. Sie können sie stolz den Finanzämtern in Deutschland präsentieren, weil die ihnen nichts mehr tun. "Volkswagen z. B. gelang (2001) das Kunststück, seinen Gewinn vor Steuern (›nur‹) um 37 Prozent zu steigern - und nach Abzug der Abgaben an den Fiskus ein Plus von 144 Prozent zu präsentieren," schreibt Der Spiegel. Die Deutsche Bank erwirtschaftete einen Gewinn vor Steuern von 600 Millionen Euro. Doch für die Berechnung der Körperschaftssteuer konnte sie einen Verlust von 940 Millionen Euro ausweisen, für die Gewerbesteuern ebenfalls einen Verlust von 823 Milionen Euro. Im Ergebnis braucht diese Großbank für 2001 weder Körperschafts- noch Gewerbesteuern zu entrichten. Sie hat den Finanzbehörden in Frankfurt a. M. und anderen Standorten schon mitgeteilt, daß die vorgetragenen Verluste auch in den nächsten Jahren zu Steuer-Rückforderungen führen werden. Für das ganze Land ergibt sich, daß die Körperschaftssteuer für 2001 nicht nur auf Null gesunken ist, sondern mit Rückzahlungsforderungen der Konzerne von 500 Millionen Euro abschließt, nachdem sie im Jahr zuvor noch 23,6 Milliarden Euro erbracht hatte. Die Entwicklung der Gewerbesteuer, von der vor allen die Städte abhängig sind, läßt sich bisher nur schätzen: in Frankfurt a. M. beispielsweise ein Minus von 400 Millionen Euro, in Münster 75 Millionen Euro. Gelegentlich läßt sich ein bemerkenswerter Zusammenhang nachzeichnen, wie die staatlich legitimierte Steuerverweigerung personell organisiert worden ist und sich lokal auswirkt. So wurde mit Eichels Dienstantritt ein Herr Heribert Zitzelsberger zum Finanzstaatssekretär berufen und mit der Ausarbeitung der Feinheiten für die Reform der Körperschafts- und Gewerbesteuern beauftragt: auf 15 Jahre rückwirkende Ermäßigung der Steuersätze, Verlustverrechnung im Börsenwert gefallener Tochterunternehmen auch aus dem Ausland, Freistellung von Gewinnen bei Verkäufen, Anrechnung von Dividendenzahlungen an Aktionäre und so weiter. Heribert Zitzelsberger findet sich auf der Gehaltsliste der Firma Bayer in Leverkusen; er war dort bis 1999 Leiter der Steuerabteilung. Im April 2002 schreibt die Frankfurter Rundschau über die Stadt seines originären Arbeitgebers: "Leverkusen ist eigentlich eine wohlhabende Stadt. Doch jetzt herrscht im Rathaus ein eiserner Sparkurs. Hallenbäder und Bibliotheken werden stillgelegt, freie Planstellen nicht mehr besetzt oder auf Pump finanziert. Mitte Februar hat der zuständige Regierungspräsident das Wort," d. h. Zwangsaufsicht wegen eines nicht mehr auszugleichenden Haushalts. Der Bayerkonzern leistet sich ja schon einen erfolgreichen Fußballclub in Leverkusen. Es kann kein Problem sein, ihm die gesamte Infrastruktur der Stadt einschließlich Rathaus und Beschäftigtenapparat zu übereignen. Geld hierfür bekommen die Manager gerade vom Fiskus erstattet, sie könnten es dann im nächsten Jahr wieder steuermindernd geltend machen. Wahlen könnten wir uns sparen... Entsinnt sich noch jemand der gespielten Aufregung in Berlin wegen eines angeblich drohenden "blauen Briefes" aus Brüssel? Alles Theater! Schröder, Eichel und Co. hatten ja mit ihrer Steuerreform die 2,7 Prozent Staatsdefizit bewußt herbeigeführt. Was da fehlte, ist ungefähr die Summe, die man dem Kapital an Steuern gerade erlassen hatte - in der Hoffnung, durch die Schaffung des Offshore-Zentrums Deutschland die Konzerne am Ort zu halten, damit sie sich hier engagieren. Was diese auch tun: Aufkauf der Stadtwerke, der Abwassersysteme, der Kabelnetze, bald auch der Krankenhäuser, Schulen, Universitäten. Erste Folge jeder Privatisierung: Abbau der Arbeitsplätze zur Kostensenkung und Gewinnmaximierung. Eichel hat inzwischen die Länder und Kommunen auf seinen "Stabilitäts pakt" verpflichtet: Kaputtsparen und Privatisieren. Das Land wird ein anderes werden, wenn diese Art der Globalisierung hier jetzt ähnlich greifen sollte wie in der Dritten Welt. Unser Grundgesetz müßte erneut umgeschrieben werden. Diesmal in Art. 14, Abs. 2 und 3, wo es immer noch heißt: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist zum Wohle der Allgemeinheit zulässig." Wenn keine Gegenwehr erfolgt, wird der Text bald lauten: "Staatliche Dienste verpflichten. Ihr Gebrauch soll zugleich dem Wohle des Kapitals dienen. Eine Privatisierung Öffentlicher Dienste ist zum Wohle kapitalistischer Unternehmen geboten."
Erschienen in Ossietzky 10/2002 |
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