Michael Naumann, Zeit-Herausgeber. - In einem Leitartikel Ihres Blattes pflichten Sie dem Vorhaben des Präsidenten der USA bei, auf den Irak militärisch loszuschlagen: »Wer sonst« solle Saddam Husein »beizeiten in die Arme fallen? Eine internationale Friedenstruppe? Sie kann noch nicht mal die Verwandlung des Kosovo in einen Mafia-Staat aufhalten.« Ihr Gedankengang ist unvollständig. Der Friedenstruppe im Kosovo ging das Bombardement der USA und ihrer Verbündeten voraus. Wenn nun, so müßten Sie schlußfolgern, die Friedenstruppe dort nicht erfolgreich ist, bleibt nur eines: nachbombadieren! Und im Hinblick auf den Irak: so bombardieren, daß eine Friedenstruppe überflüssig wird. Andererseits: Vom Standpunkt der Mafia aus gesehen haben sich Bombardement und Friedenstruppe offenbar als nützlich erwiesen - so wie in Afghanistan das von den Taliban zeitweilig unterbrochene Opiumgeschäft nun wieder floriert.

Angelika Beer, Militärexpertin. - Sie sind als »verteidigungs«-politische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion durch Ihr Eintreten für den internationalen kriegerischen Einsatz der Bundeswehr unentbehrlich geworden; dennoch hat der schleswig-holsteinische Landesverband Ihrer Partei Sie nicht wieder als Bundestagskandidatin aufgestellt. Nun »zweifeln« Sie, laut Ihrer Mitteilung an die taz, »am politischen Verstand« Ihrer Basis. Wir wissen Rat, wie sich solche Pannen im grünen Parteibetrieb zukünftig vermeiden lassen: Wer Parteimitglied sein will, muß erst einmal nachweisen, daß er alle Tassen im Schrank der Kriegspolitik hat.

Edmund Stoiber, Kanzlerkandidat. - Wie die Mordtat in Erfurt zu erklären ist, wußten Sie dem Wahlvolk mitzuteilen: Das stetige Angebot an Gewaltszenen in den Massenmedien verführt junge Menschen zur Nachahmung. Jetzt wissen wir, weshalb Ihre Landesregierung dem Kirch-Imperium so massive finanzielle Hilfe zukommen ließ. Sie wollten diesem Unternehmen zu so viel Reichtum verhelfen, daß es auf den Gewinn aus dem Brutalo-Filmgeschäft locker hätte verzichten können.

Christiane Hörbiger, Filmschauspielerin. - Bei allem guten Schauspielern sollten Sie auch auf den Inhalt Ihrer Rollen achten. Die alternde verliebte EU-Beamtin (»Klaras Hochzeit«, ARD 25. April 2002, 21 Uhr) geht Ihnen zwar flott von den Lippen, aber gegenüber einem Liebhaber, der ein Subventionsbetrüger (300 000 Euro) und Urkundenfälscher ist, hätten Sie sich doch etwas mehr zurückhalten sollen. Eigentlich waren Sie ja beauftragt, sein Verbrechen aufzuklären, aber Sie nutzen Ihre von Brüssel bezahlte Dienstreise lieber zu einem Flirt und verraten Ihrem Lover den Trick (Selbstanzeige), wie er nicht in den Knast kommt. Eigentlich gehörten auch Sie dorthin, weil Sie ihm alle Ihre Dienstgeheimnisse verraten haben. Aber Ihr Drehbuch-Autor Johannes Reben geht wohl davon aus, daß EU-Betrug ein Kavaliersdelikt ist und die Brüsseler Beamten alle Augen zudrücken. Und die ARD spielt mit.

Uri Avnery, Publizist, Tel Aviv. - Wir gratulieren Ihnen zum Carl-von Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg. Manches in Ihrem jetzt 78jährigen Leben, das in einer westfälischen Kleinstadt begann und 1933 von Ihrer Familie nach Palästina gerettet wurde, erinnert an den Namensgeber des Preises, vor allem der Mut und die Zähigkeit des Kampfes für Frieden und Menschenrecht. Schon im Unabhängigkeitskrieg Israels, in dem Sie schwer verwundet wurden, erkannten Sie, daß Frieden unmöglich ist, wenn nicht die Palästinenser ebenfalls einen eigenen Staat erhalten. Wie Ossietzky in der Weltbühne, so haben Sie kontinuierlich in Ihrer kleinen Zeitschrift Ha'olam Ha'zeh (»Diese Welt«) scharfsinnig eine in militärischem Denken befangene Regierungspolitik kritisiert. Erfolgreicher als der junge Ossietzky haben Sie sich auch immer wieder als politischer Organisator betätigt. Ihre Parteien überwanden sogar gelegentlich die in Israel geltende Ein-Prozent-Hürde. Alle Versuche, Ihnen mit Zensur beizukommen oder Sie - wie Ossietzky in der Spätphase der Weimarer Republik - als »Verräter« zu diffamieren, sind bisher gescheitert; und heute ist Ihr außerparlamentarischer »Gusch Schalom« (Friedensblock) die weltweit höchstgeachtete oppositionelle Kraft in Israel. Ossietzky-Redakteur Eckart Spoo wird am 4. Mai in der Preisverleihungsfeier in Oldenburg die Laudatio halten.

Erschienen in Ossietzky 9/2002