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Der Zeichner Klaus Pielert hat dem Bonner Haus der Geschichte anläßlich seines achtzigsten Geburtstags sein Werk vermacht - ein, wie es heißt, »zeithistorisch wichtiger Bestand«. In einer groß angekündigten Ausstellung zeigt das Museum auf sechs Stellwänden 26 Karikaturen. Ein Blatt des Meisters fällt mir sofort ins Auge. Titel: »Die Skyline von Köln - demnächst«. Es zeigt den Kölner Dom mit seinen zwei Türmen eingeengt, ja fast erdrückt von zehn Moscheen mit zwölf Minaretten. Dazu ein ausgewogener Kommentar dieses unzweifelhaft deutschen Hauses der Geschichte: Das Bild spiegele »Ängste und Vorurteile der Bevölkerung«. Grundsätzlich, so stellt das Museum fest, verwende Pielert das Bilderrepertoire »kreativ und vielschichtig, um seine Botschaften zu zeichnen«. Vielschichtig vor allem, denn Pielert war für die unterschiedlichsten Medien tätig - von der sozialdemokratischen Neuen Ruhr-Zeitung über den bürgerlichen Kölner Stadtanzeiger bis hin zum Industriekurier. Von da ist mir Pielert aus den Sechziger Jahren bekannt. Der Industriekurier war ein entschieden rechtsgerichtetes Organ der westdeutschen Schwerindustrie. Berühmt wurde die Zeitung durch einen Satz, der dort am 7. Oktober 1965 zu lesen war: »Die Demokratisierung der Wirtschaft ist so unsinnig wie eine Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der Zuchthäuser.« Eine Pielert-Karikatur, die diese Botschaft kreativ und vielschichtig widerspiegelt, ist zwar in der Ausstellung vorhanden, sehen darf sie jedoch keiner der Besucher. Diese Pielert-Karikatur stammt aus dem Jahr 1968: Kanonier Willy Brandt reicht das Feuer zum Zünden der Kanone, die den Namen »Mitbestimmung« trägt. Das Kommando zum tödlichen Schuß gibt der DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg mit der sichtlich krummen Nase - weiß man ja, war Jude. Anvisiert von Rosenberg und somit in der nächsten Sekunde tot sind fünf hilflose unbewaffnete Unternehmer. Der dritte Kanonier - desertiert er angesichts solch feigen Mordes? - läuft, sich die Ohren zuhaltend, aus der Karikatur davon auf uns, die erschreckten Betrachter, zu. Es ist Karl Schiller, der Wirtschaftsminister, der tatsächlich immer Mensch geblieben ist: als er von der NSDAP zur SPD kam, später angesichts des Kanonenterrors zur CDU über- und dann, nachdem der Mitbestimmungsschrecken unter Helmut Schmidt ein Ende hatte, zur SPD zurücktrat. Eine nicht nur zeitgeschichtlich hochinteressante Karikatur. Nicht jedoch für dieses Haus der Geschichte. Da zeigt man lieber neben der erwähnten neuen Skyline von Köln die »Wahllokomotive« Erhard oder Neckischkeiten wie die zeichnerische Interpretation des Nierentisches der fünfziger Jahre: Der Bundesbürger brauchte ihn, um beim Essen Platz für seinen dicken Bauch zu haben. Nein, die Mitbestimmungskarikatur gegen den Juden Rosenberg ist wohlverwahrt in der dritten von drei festverschlossenen Glasvitrinen. Sie befindet sich auf Seite 49 eines Karikaturenbändchen, das dort zugeschlagen liegt und nicht aufgeblättert werden kann. Ähnlich wie vor Jahren in einer Ausstellung über die Wirtschaftsordnung. Da lag in einer Vitrine die Broschüre mit dem Ahlener Programm der CDU von 1947, aber mit keinem Wort war erwähnt, was darin gefordert wurde: die Vergesellschaftung der Großindustrie. Im Bonner Haus der Geschichte, gegründet nach einer Idee und mit einer Strickjacke von Helmut Kohl, gibt es viele Kammern, deren Türen verschlossen bleiben müssen. Sichtbar ist dagegen in der zweiten Pielert-Vitrine eine Manuskript-Seite mit der unwahren Behauptung: »1947 textet und zeichnet Klaus Pielert mit ’Bumm macht das Rennen‘ den ersten deutschen Comic.« Als Beweis liegen in der ersten Vitrine vier Stifte und ein abgenutzter Radiergummi, garantiert aus der Hand des Künstlers. Im Haus der Geschichte weiß man nichts von der Comics-Großproduktion, die Reichsaufklärungsminister Goebbels in Auftrag gegeben hatte. Später finde ich in der Pressemappe das Museumsmagazin, nunmehr, wie Museumschef Hermann Schäfer feststellt, »in neuem Gewand«. Es will jetzt auch, verspricht er, »Hintergrundinformationen in verständlicher Sprache« bieten. So auf Seite 25 über eine »Mission«. Sie heißt: »Deutsche Streitkräfte am Hindukusch«. Weiter im Text erfahre ich: »Während der Aufgaben in Kroatien und Bosnien-Herzegowina (ab 1995) wuchsen die deutschen Streitkräfte in internationale Friedensmissionen hinein.« Was ist eine Friedensmission? Der nächste Satz erläutert es: »Bombardierung serbischer Truppen durch die Luftwaffe« und »Einmarsch deutscher Panzer« mit »deutschen Soldaten«. Von Kollateralschäden ist sowenig die Rede wie bei der vorletzten deutschen Friedensmission im Jahre 1941. Haus der Geschichte, Bonn. Ich wünsche ihm, daß es schleunigst einer Friedensmission anheimfällt.
Erschienen in Ossietzky 9/2002 |
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