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Scharping versprach, die SPD werde sich »nach einer Regierungsübernahme dieser Frage annehmen...« Jahrelang hatte damals die Hardthöhe einen hinhaltenden Abwehrkampf um die Traditionswürdigkeit des Nazi-Generals Dietl geführt, den Rühes Fraktionskollege Kurt Rossmanith als »Vorbild in menschlichem und soldatischem Handeln« verstand. Erst am 9. November 1995 ordnete Rühe schließlich die Umbenennung der Füssener »Generaloberst-Dietl-Kaserne« in »Allgäu-Kaserne« an. Und was geschah, seit Scharping Ende 1998 Rühes Amt übernahm? Ein kraftvoller Paukenschlag schreckte am 27. Januar 1999, dem Gedenktag der Befreiung der letzten Überlebenden von Auschwitz, die Ungeister der Traditionspflege auf: Der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann (SPD), tat kund, die nach Nazi-Generälen benannten Kasernen würden umbenannt: »Das ändern wir jetzt. Das schwör' ich Ihnen. In zwei Jahren finden Sie keine mehr.« Doch mit einer Ausnahme heißen sie heute immer noch so - und diese Ausnahme ist nicht ohne Peinlichkeit. Als sich die Grünen von früheren pazifistischen Positionen verabschiedeten, entwickelte ihr Wehrexperte Winfried Nachtwei neue Perspektiven für die Traditionspflege: »Verfehlt und kontraproduktiv wären ’Korrekturen‘ nach Art der political correctness, von Bilderstürmerei und ’Geschichtssäuberung‘.« Es gehe, schrieb Nachtwei in dem 2000 erschienenen Sammelband »Braucht die Bundeswehr Tradition?«, um »wertorientierte Auseinandersetzung«. Gegenüber dem Jahre 1982, aus dem der Traditionserlaß stammt, hätten »sich die Rahmenbedingungen der Traditionspflege gravierend verändert: Der Auftrag der Bundeswehr ist erheblich ausgeweitet, die Bundeswehr ist in inzwischen eine Armee im Einsatz, vor allem in multinationalen friedenserhaltenden Einsätzen der verbundenen Kräfte in Ex-Jugoslawien.« Es könne kaum einen größeren Gegensatz geben als den zwischen diesen Einsätzen und dem Balkankrieg der Wehrmacht, meinte Nachtwei. Nun hätte man daraus schließen können, daß Nazi-Generale als Vorbilder ganz untauglich geworden seien. Tatsächlich ging Generalleutnant Willmann, der damalige Inspekteur des Heeres, 1999 auf klare Distanz zur Wehrmacht: »Die Wehrmacht hat sich zum reinen Ausführungsorgan für das nationalsozialistische Regime entwickelt. Die Führung der Wehrmacht hat Hitler ihre Loyalität immer wieder, manchmal in übertriebenem Maße, bewiesen. Dies führte so weit, daß in der Wehrmacht sogar offensichtlich verbrecherische Befehle gegeben und kritiklos umgesetzt wurden.« In Willmanns »Wegweiser für die Traditionspflege im Heer« wurde als »vorbildlicher Soldat« der Bundeswehr-Feldwebel Erich Boldt vorgestellt, der 1961 starb, als er beim Übungssprengen das Leben seiner Soldaten rettete. Nach ihm heißt eine Kaserne in Delitzsch. Aber welches Verhalten ist nun in der Bundeswehr traditionswürdig? Leben retten wie Feldwebel Boldt oder auf Befehl Hitlers töten wie zum Beispiel General Hüttner? Generalmajor Hans Hüttner (1885-1956) ist Kasernenpatron in Hof an der Saale. An seinem Beispiel läßt sich zeigen, wie arbeitsteilig Wehrmacht und Einsatzgruppen der SS im Zweiten Weltkrieg vorgingen. Bei der Eroberung von Schitomir (Ukraine) kämpfte Hüttner an vorderster Front. Auf den Fersen folgten die Mordgesellen der Einsatzgruppe C, die in Schitomir ein Blutbad anrichteten. In den dienstlichen Beurteilungen gilt Hüttner als ein soldatischer Führer, der »vom Nationalsozialismus erfüllt ist«. Am 20. April 1943, »Führers« Geburtstag, hielt Hüttner in Hof eine Durchhalterede: »Einmal wird auch dieser Krieg siegreich zu Ende gehen, und dazu wollen wir alle unserem Führer helfen!« Es gibt wohl beziehungsreiche Zufälle: An Hitlers 40. Todestag wurde in Hof die »General-Hüttner-Kaserne« eingeweiht. Als Scharping im Frühjahr 2000 eine Kaserne suchte, die er nach dem Feldwebel Anton Schmid benennen könnte, der als Judenretter in Israel als »Gerechter unter den Völkern« geehrt wird, schlug der Führungsstab der Streitkräfte nicht etwa die »General-Hüttner-Kaserne« in Hof zur Umbenennung vor, sondern zunächst sollte der Name der »Feldwebel-Boldt-Kaserne« in Delitzsch weichen. Man entschloß sich dann, die »Rüdel-Kaserne« in Rendsburg in »Feldwebel-Schmid-Kaserne« umzubenennen - allerdings mit einer historisch falschen Begründung. Die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP hatte im März 2000 die Behauptung verbreitet, der bisherige Namensgeber Rüdel habe im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs dem Volksgerichtshof angehört, der mehr als 5000 Menschen verurteilt habe. Eine Empfehlung des Militärgeschichtlichen Forschungsamts, die Mitwirkung Rüdels an den Sitzungen des Volksgerichtshofes an Hand der im Bundesarchiv verwahrten Akten eingehend überprüfen zu lassen, blieb im Bundesverteidigungsministerium unbeachtet. Nach der Umbenennung ließ sich Scharping dann in der New York Times so zitieren: Es sei kürzlich entdeckt worden, welche Rolle General Rüdel speziell bei den Todesurteilen gegen tausende Menschen nach dem mißlungenen Attentat auf Hitler im Juli 1944 gespielt habe. Deswegen habe er persönlich entschieden, daß ein Namenswechsel notwendig sei. Nach meinen Forschungsergebnissen gehörte Rüdel zwar tatsächlich dem Volksgerichtshof an, jedoch schon viel früher. Im Frühjahr 1940 nahm er an einer einzigen Verhandlung teil. Sie endete durch Rüdels Intervention mit einem Freispruch. Eine weitere Beteiligung Rüdels am Volksgerichtshof läßt sich mit historischen Findmitteln nicht nachweisen. Die Traditionalisten in der Bundeswehr ignorierten und blockierten alle gutgemeinten Vorstöße des Ministers. Im Frühjahr 1999 hatte Scharping Truppe und Stäbe aufgefordert, von sich aus Vorschläge für die Auswechslung historisch belasteter Kasernennamen zu unterbreiten. Das Ergebnis war trostlos: Kein einziger Vorschlag ging auf der Hardthöhe ein. Am 20. Juli 2000 würdigte Scharping im Bendlerblock in Berlin vier Wehrmachtssoldaten: »Der Oberleutnant Albert Battel verhinderte 1942 in Galizien unter Androhung von Waffengewalt eine Mordaktion gegenüber jüdischen Bürgern. Durch die Kriegsereignisse entkam er seiner Verhaftung. Er überlebte und wurde nach dem Krieg in Israel geehrt. Der Hauptmann Wilm Hosenfeld war Offizier der Besatzungstruppe in Warschau. Aus eigener Initiative versteckte und rettete er verfolgte polnische und jüdische Bürger. Er selbst starb 1952 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Ewald Kleisinger half als Offizier in Warschau verfolgten Juden. Er stellte ihnen Personalpapiere aus und verschickte sie in seine Heimatstadt, wo sie als vermeintlich christliche Fremdarbeiter überlebten. Auch Kleisinger wurde später als ’Gerechter der Völker‘ geehrt. Generalleutnant Theodor Groppe, Kommandat einer Infanteriedivision, wagte es Ende 1939, Ausschreitungen gegen Juden unter Androhung von Waffengewalt zu verhindern und offiziell gegen Befehle Himmlers zu protestieren. Er wurde seines Kommandos enthoben und aus dem Dienst entlassen. Nach dem 20. Juli 1944 wurde Theodor Groppe im Zuge der allgemeinen Säuberungswelle verhaftet, und er entging dem Tode nur mit knapper Not.« Nach keinem dieser vier Soldaten ist eine Kaserne benannt. Den historisch gebildeten Staatsbürger in Uniform wünscht man sich vor allem auf der Führungsebene der Bundeswehr. Aber dort ist nicht einmal das Datum 22. Juni 1941 geläufig. Ausgerechnet am 22. Juni 2001 wollten die Traditionalisten der Bundeswehr den »Ball des Heeres« veranstalten. Erst zivile Proteste brachten den neuen Inspekteur des Heeres, Gert Gudera, zur Einsicht: »Wie erst kürzlich zu erfahren war, muß davon ausgegangen werden, daß dem 60. Jahrestag des Kriegsbeginns zwischen Deutschland und der damaligen Sowjetunion in der Öffentlichkeit und den Medien besondere Beachtung geschenkt wird. Die zeitgleiche Veranstaltung ’Ball des Heeres‘ erscheint mir daher nicht mehr angeraten.« Am Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion waren folgende Kasernen-Patrone der Bundeswehr beteiligt: »Hüttner (Hof), Schulz (Munster), Hülsmann (Iserlohn), Lilienthal (Delmenhorst), Konrad (Bad Reichenhall), Röttiger (Hamburg), Bamm (Munster), Briesen (Flensburg), Fahnert (Karlsruhe), Henke (Neuwied), von Seidel (Trier), Mölders (Visselhövede und Braunschweig), Schreiber (Immendingen), Medem (Holzminden), Heusinger (Hammelburg). In gleicher Weise würdigt die Bundeswehr auch noch immer den Feldmarschall von Mackensen, der bei Hitlers Traditionsoffensive 1937/38 zum Kasernenpatron gekürt worden war. Hier ein Auszug aus seinem Sündenregister: Im Ersten Weltkrieg hatte Mackensen in der Schlacht von Gumbinnen in nur zwei Stunden 9000 seiner Männer in Tod und Verderben gehetzt. Er selbst sprach von »Massenmord« und »Massenschlächterei«. Den Durchbruch von Gorlice-Tarnow erzwang er mit Giftgas. Mackensen empfand Genugtuung angesichts der Ermordung Matthias Erzbergers: »Den Schädling sind wir los...« Stauffenbergs Tat am 20. Juli 1944 verdammte er als »fluchwürdig«. Mitte November 1944 richtete er einen Aufruf an die Jugend, um 14- bis 17jährige Buben zu »Opferbereitschaft und Fanatismus« zu ermahnen. Mackensen hielt bis zuletzt an Hitler als »Retter« fest. Noch immer ist Mackensen Kasernenpatron der Bundeswehr in Hildesheim. Die Bilanz ist entmutigend. Was bleibt, sind Anpassung, Gehorsam und die offenbar zeitlosen Werte des Berufssoldaten: »Stolz auf eine unverwechselbar männliche Lebensweise, das Bemühen um die Anerkennung der Kameraden, die Befriedigung, die ihm die Rangzeichen gewähren, die Hoffnung auf Beförderung sowie die Erwartung eines behaglichen und ehrenvollen Ruhestandes« (Keegan: »Kultur des Krieges«). Nur, daß jetzt auch Frauen zur »unverwechselbar männlichen Lebensweise« zugelassen sind.
Erschienen in Ossietzky 9/2002 |
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