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Der Regisseur Nanni Moretti richtete am 2. Februar auf einer Kundgebung des Mitte-Links-Bündnisses »Ulivo« an der römischen Piazza Navona eine scharfe Verbalattacke gegen die bisher zögerlichen und zerstrittenen Parteiführer Piero Fassino und Francesco Rutelli und forderte die am Rednerpodium neben ihm Stehenden auf, endlich entschieden zu opponieren. Moretti sprach offenbar nur laut aus, was viele aus der Ulivo-Wählerschaft dachten; und seine Worte lösten eine Lawine aus: Bürger aller Schichten, angeführt von aus ihrem Berlusconi-Winterschlaf erwachten Intellektuellen und Künstlern, begannen, an den Wochenenden Menschenketten um die Gerichtsgebäude der großen Städte zu bilden. Tausende von Menschen gedachten überall des Beginns der Aufdeckung der Parteikorruption von »Tangentopoli« vor zehn Jahren. In Mailand weitete sich eine per Internet von der Zeitschrift MicroMega zusammengetrommelte Veranstaltung zu einer Kundgebung von 40 000 Menschen im Palavobis-Stadion aus. Und vor wenigen Tagen beschloß der italienische Richterverband einen nationalen Streik für den 6. Juni. Justizstreiks sind selten in Italien, der letzte fand 1991 statt. So reagiert eine wachsende Mehrheit der Italiener auf die rücksichtslosen Angriffe gegen die Grundprinzipien ihres Rechtsstaates durch Berlusconi seit Mai 2001. Der Medienzar, Ministerpräsident und Außenminister läßt planmäßig diejenigen Justizorgane verunglimpfen, die gegen ihn und seine Statthalter im Fininvest-Konzern Prozesse führen; sein Ziel ist, die Urteile, wie immer sie ausfallen mögen, als politisch motiviert zu diskreditieren. Denn eine definitive Verurteilung durch die Justizorgane könnte der Regierungschef nicht überstehen. Seine als notwendig propagierte »Justizreform« verfolgt die Absicht, die Richterschaft durch Eingriffe in Karriere- und Disziplinarentscheidungen den politischen Weisungen von Parlament oder Regierung zu unterwerfen. Deren Befugnisse würden dann eher ein absolutes Herrschaftssystem als eine bürgerliche Demokratie kennzeichnen. Das italienische Rechtswesen krankt tatsächlich an vielen Mängeln, nur gerade nicht an denen, die Berlusconi kurieren will. Es müßte längst reformiert werden. Insofern kann die Opposition es jetzt nicht einfach verteidigen. Darüber müßte gründlich debattiert werden, doch das läßt der große Vereinfacher Berlusconi nicht zu, dessen Propaganda über fast alle Medien immer nur ein größeres Maß an »Freiheit« verspricht: von der allgemeinen Abschaffung der Erbschaftssteuer bis zur Straffreiheit bei Bilanzfälschung, Konkurs und ähnlichen auch Finanzdelikten, die auch unter kleinen und mittelständischen Unternehmern verbreitet sind. Man darf nicht vergessen, daß Berlusconi, der heute zu den wirtschaftlich Großen gehört, klein angefangen hat. Seine politische Kandidatur wurde seit dem Jahre 2000 nachdrücklich von dem Unternehmerverband »Confindustria« unterstützt, der erstmalig in seiner Geschichte von einem Vertreter des Mittelstandes geleitet wird. Diese durch den wirtschaftlichen Umbau der Neunziger Jahre erstarkte Kapitalfraktion, die neben den einst alleinherrschenden Familienimperien des Großkapitals eine erhebliche Rolle spielt, fordert aus Wettbewerbsgründen nachdrücklich den »Umbau« des Sozialstaates und erwartete ihn von einer Berlusconi-Regierung, die dazu eher bereit und imstande zu sein schien als jede mögliche andere. Daran erinnerte man auf der jüngsten Confindustria-Tagung in Parma, wo die Regierung gerügt wuerde, noch nicht genug auf diesem Gebiet erreicht zu haben. Andererseits verstärkt sich inzwischen der Widerstand von Betroffenen. Beim geplanten Sozialabbau, »Flexibilisierung« genannt, geht es nicht nur um einzelne Artikel des »Statuto dei lavoratori«, der in den Sechziger und Siebziger Jahren erkämpften Magna Charta der italienischen Arbeiterklasse, die der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft als pure Ware Grenzen setzte. Symbolkraft ist inwischen dem umstrittenen »Artikel 18« zugewachsen, der vor willkürlicher Kündigung schützt, zumindest in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern. Er steht heute für die Verteidigung von Grundprinzipien des Arbeitsrechts durch die Gewerkschaften, die mit großen offensiven Protestaktionen aus ihrer Marginalisierung heraustraten, in die sie zuvor wärend der Ulivo-Regierung geraten waren. Die von Romano Prodi und Massimo D'Alema angeführten Regierungen hatten bereits erhebliche Schritte zum Abbau herkömmlicher fester Arbeitsverhältnisse und damit zu immer mehr prekärer Zeitarbeit unternommen, wodurch die Gefahr droht, daß das Rentensystem wegen ausbleibender Beitragszahlungen in Zukunft in die Klemme geriet. Zur Verteidigung der Grundrechte der Arbeiterschaft organisierte die ehemals kommunistisch orientierte Gewerkschaft CGIL am 23. März die größte Massenkundgebung der italienischen Nackriegsgeschichte im römischen Circus Maximus, an der drei Millionen Menschen aus dem ganzen Land teilnahmen; schon die Fernsehbilder vermittelten den Eindruck eines epochalen Ereignisses. Den konnten auch die tobende Berlusconipresse und seine Fernsehsender nicht widerlegen, die versuchten, die Demonstranten als Sympathisanten, ja gar als Hintermänner des zwei Tage zuvor verübten Mordes an dem Regierungsberater Marco Biagi zu denunzieren. Der am 16. April von allen drei Gewerkschaften ausgerufene Generalstreik legte dann entscheidende Bereiche des Landes lahm, 70 bis 90 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Sektor und der Großindustrie nahmen daran teil, insgesamt mehr als 13 Millionen. Am Tag danach forderte die Regierung die Gewerkschaften zum »Dialog« auf, ab dem 2. Mai, wenn es denn mit den roten Fahnen ein Ende haben soll, bekundete aber gleichzeitig ihre Unnachgiebigkeeit im Hinblick auf den Artikel 18. Der Machtkampf steht also erst bevor. Die große Frage unter den zweifellos an Kampfbereitschaft erstarkten Parteien, Bewegungen und Gruppen der Opposition, wozu inzwischen auch politisch aufgewachte Berlusconi-Wähler gehören, ist die, wie sich dieses Protest-Potential politisch möglichst wirkungsvoll umsetzen läßt. Und diese Frage ist noch offen. Berlusconi will sein Wahlversprechen, aus Italien ein völlig anderes Land zu machen, mit allen Mitteln durchzusetzen will. Dem ist schwer zu begegnen. Das unselige Mehrheitswahlgesetz hat seiner Parteienkoalition, die am 13. Mai 2001 mit nur knapp zwei Prozent mehr Stimmen im Parlament und drei Prozent im Senat das Ulivo-Bündnis übertraf, die absolute Stimmenmehrheit in beiden Kammern verschafft. Ulivo hatte sich nicht mit der links von ihr stehenden Partei der Rifondazione Comunista auf ein Regierungsbündnis einigen können; die politische Tragweite dieses Versäumnisses war unterschätzt worden. Auch die französische Linke hat ihre Blauäugigkeit mit dem Machtverlust am 21. April teuer bezahlt. Ob die Mitte-Links-Parteien anderswo in Europa lernfähiger sind?
Erschienen in Ossietzky 9/2002 |
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