Klarer Kurs

von Werner René Schwab

Zu erraten ist, welcher Partei dieser Bundestagsabgeordnete angehört, der in seiner Fraktion als Experte für Wirtschafts- und Haushaltsprobleme eine führende Stellung einnimmt. Und sein Name.

Im Verlauf der jetzigen Legislaturperiode stellte er unter anderem folgende Thesen und Forderungen auf:

Im Rahmen eines Plans für »Arbeitsmarkt- und Sozialreformen« müßten die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung spürbar gesenkt werden. Das sei ein »klares Aufbruchssignal für Arbeitslose und Unternehmer«. Weniger Bürokratie am Arbeitsmarkt sei nötig. Deshalb brauche man auch »betriebsnahe Lösungen im Tarifsystem«. Für diese Vorstöße, wenige Tage vor einer Sitzung des »Bündnisses für Arbeit«, erntete er sogleich den wohlverdienten Beifall der Unternehmer.

Weiter: Die Kündigungen sollten erleichtert werden. Wenn ein Arbeitgeber sich von einem Arbeitnehmer »trennen« wolle, sei das nämlich mit einem immensen Aufwand, auch finanzieller Art, verbunden. »Wir müssen endlich mehr Spielräume lassen.«

Er kündigte an: »Die Arbeitslosenhilfe werden wir abschaffen.« Denn: »Man muß an die Besitzstände rangehen, mit der wohlgefälligen Sozialstaatshaltung aufräumen.« Und das Wohngeld kürzen. Und überhaupt weiter deregulieren.

Der gesuchte Bundestagsabgeordnete gehört einflußreichen Gremien an. Zum Beispiel der »Bertelsmann-Stiftung«, die das Niedriglohnkonzept entwickelt hat (d.h. Bezahlung unter Tarif), für die Anhebung des Rentenalters eintritt und allemal der Wirtschaft »mehr Freiräume« schaffen will. Und der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« unter Vorsitz des einstigen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer, unterstützt von Arbeitgeber- und Industrieverbänden. Zu ihren erklärten Zielen gehören weniger Sozialstaat und mehr Wettbewerb in Beruf und Bildung.

Als er neulich in Berlin im Haus der Demokratie und Menschenrechte mit ostdeutschen Arbeitslosen diskutierte, verhöhnte er sie, indem er bei ihnen die »Larmoyanz der Looser« feststellte.

Daß er für den Einsatz der Bundeswehr in Jugoslawien und Afghanistan war und ist, versteht sich von selbst.

Also: Welcher Partei gehört der Abgeordnete wohl an?

Nein, nicht der FDP, obwohl diese Vermutung naheliegt; deren Vorsitzender Guido Westerwelle wollte ihm nach einem seiner Vorstöße schon einen Aufnahmeantrag zusenden. Nein, auch nicht dem Wirtschaftsflügel der Union. Vielmehr hat der baden-württembergische Finanzminister Strathaus vor der Wirtschaftsunion der CDU über ihn gesagt: »Wäre der in unserer Partei, würde er wegen neoliberaler Umtriebe ausgeschlossen.«

Es ist Oswald Metzger vom Bündnis 90/Die Grünen, inzwischen allerdings Bundestagsabgeordneter auf Abruf. Auf dem baden-württembergischen Landesparteitag Mitte April fiel er beim Kampf um einen sicheren Listenplatz durch. Doch das ist kein Grund zur Sorge für die Wirtschaftsfreunde oder zur Freude für die anderen. Denn auf der Liste blieben Rezzo Schlauch und Fritz Kuhn und Cem Özdemir und für jeden dieser Realos auch eine Reala, die alle den gleichen Kurs verfolgen. Bewerber, die im Ruch linker Gedanken stehen oder Kriegseinsätze ablehnen, hatten keine Chance. Der Durchfall des neoliberalen Oswald Metzger bedeutet also keine Änderung der grünen Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik.

Er selbst will sich nun, wie er sagte, »einen anständigen bürgerlichen Beruf« suchen.

Erschienen in Ossietzky 9/2002