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Größere Aufregung löste in den vergangenen Wochen eine Meldung aus, die ebenfalls auf die geheim mitgeschnittenen und jetzt veröffentlichten Gespräche im Weißen Haus zurückgeht: Billy Graham, Amerikas »höchstverehrter religiöser Führer«, »Gottesmann«, »Präsidentenberater«, dieser »Heiler« und »Brückenbauer« (so die New York Times vom 18. 3. 2002), hatte in vertrauter Präsidentenrunde im April 1971 gesagt, daß »die Juden das Land im Würgegriff« hielten und die Nixon-Administration »etwas dagegen unternehmen« müsse. Die »Anti-Diffamierungs-Liga« nannte Grahams Antisemitismus »abstoßend und erschreckend«, und das Simon-Wiesenthal-Center bezeichnete den Mann, in dem viele US-Amerikaner so etwas wie ihren Nationalpapst sehen, als »gewissenlos«. Die Informationen über Graham sind nicht ganz neu. Schon in den 1994 veröffentlichten »Tagebüchern des Weißen Hauses« des Präsidentenvertrauten Halderman ist festgehalten, daß Graham von den »satanischen Juden« gesprochen hatte, die »das »Problem der Nation« seien. Sein eigenes Problem konnte Graham damals mit einem Dementi aus der Welt schaffen: »Ich habe niemals öffentlich oder privat über jüdische Menschen gesprochen - und das gilt auch für die Gespräche mit Präsident Nixon -, ausgenommen in sehr positiven Ausdrücken.« Aber nun ist das amerikanische Idol als frecher Lügner entlarvt. Ist das sein geistliches Ende? Billy Graham, geboren 1918, 1939 zum Baptistenpfarrer ordiniert, verstand es wie kein anderer im 20. Jahrhundert, die herkömmliche calvinistische Erwählungslehre für die politische Praxis handhabbar zu machen. Nach dieser Lehre kann man die Erwählung von Gott für alle Zeit und Ewigkeit daran erkennen, daß man Erfolg, Reichtum und Macht hat. Der Erfolgreiche ist zugleich der Gute (»good guy«) und hat nach dem göttlichen »masterplan« die Aufgabe, die Bösen (»bad guys«) zu bekämpfen - nach der Methode »search and destroy« (»aufspüren und vernichten/ausrotten«), wie sie im Vietnamkrieg angewandt wurde. Graham hatte gleich zu Beginn des Kalten Krieges seine Lebensaufgabe erkannt: gegen alle Feinde des gotterwählten Amerika zum »Kreuzzug« aufzurufen, vornehmlich gegen »den Kommunismus«, aber auch gegen den Islam; vom Feindbild Katholizismus verabschiedete er sich, nachdem er die römischen Päpste als erfolgreiche Bundesgenossen im Kampf gegen den Kommunismus erkannt hatte. Gestützt auf einen Mitarbeiterstab, der bis zu 10 000 Personen umfaßte, und gesponsert aus der Rüstungsindustrie, führte seine »Billy-Graham-AG« (gegründet 1950) religiöse Großveranstaltungen in fast allen amerikanischen Großstädten durch. Da in jener Zeit in Deutschland viele Menschen sich nichts von einer Wiederaufrüstung gegen den Kommunismus, von Atomwaffen und von ihrem eigenen Atomtod versprachen, erweiterte Graham sein Betätigungsfeld: In mehreren Großveranstaltungen ließ Graham, gern als »Maschinengewehr Gottes« vorgestellt, einen »Feuerstoß auf die deutschen Seelen los«, so daß bei seinen »Sturmangriffen Zehntausende Menschen kapitulierten«, wie damals verschiedene Zeitungen berichteten. Nicht weniger als 100 000 Zuhörer hatte er 1954 im Berliner Olympiastadion. Inhalt seiner Gottesbotschaft: Nicht die Wasserstoffbombe sei zu bekämpfen, sondern die »Sünde«, besonders die auf dem geschlechtlichen Gebiet, die durch den »modernen Materialismus« über die Menschen komme; deshalb müsse die Bundesrepublik auch mit den modernsten Waffen ausgerüstet werden, um so »auf die Sowjets abschreckend wirken zu können«. Seine Missionserfolge in den USA, in Deutschland und ganz Westeuropa trugen dazu bei, daß seitdem kein US-Präsident auf Grahams Beratung und Seelentröstung verzichten mochte. Eisenhower hatte von ihm gelernt: »Amerika ist groß, weil es gut ist,« und plante, mit seiner »roll-back-Politik« seine Güte der ganzen Welt zu bringen. Johnson ließ 1965 während des »Marsches auf Washington« der Vietnamkriegsgegner Graham zur Gebetsstunde auf seine Ranch kommen und führte dann mit ihm gemeinsam eine Massenevangelisation in Houston (Texas) durch; danach reiste Graham zur Stärkung der Soldaten nach Vietnam. Mit Nixon verband ihn seit 1950 engste Herzensfreundschaft, die während der verbrecherischen Aktivitäten des Präsidenten so recht zum Tragen kam. Obgleich er sich nach eigenen Bekundungen »typischerweise nicht in politische Angelegenheiten hineinziehen ließ«, beriet er den Präsidenten in so unpolitischen Angelegenheiten wie Beendigung des Vietnamkrieges, Neuordnung des Verhältnisses zur Volksrepublik China oder Umgang mit Kabinettsmitgliedern. Nach Nixons Sturz veranlaßte Graham den Nachfolger Ford, Nixon zu begnadigen. Einen gleich guten Freund wie Nixon fand er in Ronald Reagan, dem et nach eigener Darstellung beibrachte, daß das »Reich des Bösen« mit dem Zentrum Sowjetunion auch nach Zentral amerika, Asien und Afrika reiche. Präsident Bush sen. erfuhr von Graham, daß die militärische Stärke der USA eine »Kraft für das Gute« sei; nach dieser göttlichen Botschaft und »nach ausführlicher Gewissenserforschung und einem Gebet« mit dem »Gottesmann Amerikas« konnte er seinen »gerechten Krieg« gegen den Irak beginnen. Im Jahre 2000 übergab Billy Graham das Propagandaunternehmen seinem Sohn Franklin. So wie er dem alten Bush gedient hatte, so diente nun sein Sohn dem jüngeren Bush. Im Januar 2001 sprach Franklin Graham das »Segensgebet« beim Einführungszeremoniell des Präsidenten, und gleich nach dem 11. September verbreitete er das Gotteswort: »Der Islam ist ein Übel und eine böse Religion.« Der Gottesdienst am 14. September mit allen noch lebenden Präsidenten (außer dem schwerkranken Reagan) wurde dann allerdings wieder von Billy Graham, dem erfahrenen Hohenpriester des amerikanischen Erwählungsglaubens, zelebriert. Er rief ihnen zu, was er ihnen immer gepredigt hatte: »Wir sind hier heute zusammengekommen, um unsere Überzeugung zu bekräftigen, daß Gott für uns sorgt, welches unser ethnischer, religiöser oder politischer Hintergrund auch sein mag.« George W. Bush ist diesem Prediger in besonderer Weise verbunden, hatte der ihn doch als 40jährigen aus seiner Alkoholabhängigkeit befreit. Deshalb wird das Idol Graham auch keinen Schaden nehmen; im Gegenteil: Die US-Administration wird es in den kommenden Kriegen nötiger brauchen als je zuvor. Die »Anti-Diffamierungs-Liga« hat ihm seine antisemitischen Ausfälle »vergeben« und sieht in ihm wieder die »amerikanische Ikone«. Auch religiöse Extremisten in Deutschland werden ihren Weg weiter mit ihm gehen. Hier beackert er seit 1993 ein neues Missionsfeld mit Hilfe der »Pro-Christ-Bewegung«. Großveranstaltungen, via Satellit übertragen, wurden im Jahre 2000 schon in mehr als 3000 Gemeindeversammlungen empfangen. Diese Aktivitäten sollen im Jahre 2003 noch gesteigert werden. Dazu wurde ein Kuratorium gebildet, dem der baden-württembergische Ministerpräsident Teufel, der bayerische Innenminister Beckstein, prominente Sportler wie Golfprofi Langer, der berlin-brandenburgische Bischof Huber und andere angehören. Die Oberen der Evangelischen Kirche in Deutschland haben der Satelliten-Evangelisation ihre Unterstützung ausdrücklich zugesagt - da sie eine neue Form der Mission darstelle. Doch die neue Mission aus dem Geist Billy Grahams ist wie die alte: »Kreuz und Schwert«.
Erschienen in Ossietzky 8/2002 |
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