Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Leid-Linienvon Dietrich Kittner Wie halten Sie das aus? Es kann einem engagierten Menschen wie Ihnen doch nicht gleichgültig sein, daß Ihre schwärzesten Prognosen erst Lacher erzielen und dann real werden. »Richtig zufrieden werden sich deutsche Politiker wohl erst dann fühlen, wenn von den Golanhöhen herab allmorgendlich das zackige Kommando schallt: Still...gestanden! Die...Augen...rrrrechts! Heiß Flagge!« So habe ich das vor mehr als zehn Jahren in meinem Kabarettprogramm »Droge Deutschland« vorgetragen und ob solcher Obszönität oft betretenes Schweigen im Auditorium kassiert. Dabei war die grobe Geschmacklosigkeit keineswegs der perversen Phantasie eines ausgeflippten Satirikers entsprungen, sondern nur logischer Endpunkt einer schon damals absehbaren Entwicklung. Mich hat Schröders Forderung (denn »nicht ausschließen wollen« ist bei ihm nun mal ein Synonym für »fordern«) nach dem Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten deshalb nicht übermäßig verblüfft. Kabarett, das weiß ich längst aus Erfahrung, kann einem oft das Hellsehen ersparen. Die Arbeitsweise ist dabei relativ einfach: Man sehe sich die Ungereimtheiten der Politik genau an. Bei Unklarheiten hilft es oft, möglichst viele kleine Meldungen unterschiedlicher Medien zum selben Thema nebeneinanderzuhalten. Ein Detail, das die eine Zeitung verschweigt, bringt die andere und umgekehrt. (Auch Geheimdienste bedienen sich gern dieser Mosaiktechnik. Mit ein wenig Kombinationsgabe läßt sich so oft sorgsam Verborgenes erkennen.) Dann stelle man sich dumm, betrachte also die auftretenden Widersprüche als schlüssig und sinnvoll, unterstelle den handelnden Personen und Institutionen (»Nur bis hierher und nicht weiter! Ehrlich.«) getrost böse Absichten (das Erdöl nicht vergessen, versteht sich), frage sich stets: »Cui bono? - Wem nützt es?« und ziehe dann Kurven auf die Zukunft. Wenn man die nun ansatzweise sichtbar gewordenen Linien nach der Logik der Akteure konsequent fortführt, ergibt sich - vorausgesetzt, man schreckt vor keiner Absurdität zurück - im Schnittpunkt zweier Kurven regelmäßig eine aberwitzige Pointe, die die Leute je nach Gusto kräftig belachen oder vergrätzt als völlig überdrehten Gag abtun. Wer solcherart sauber gearbeitet hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später erleben, daß seine Satire von der Realität eingeholt wurde. »Man kann gar nicht so dumm denken, wie es dann kommt« (niedersächsische Bauernweisheit). So auch jetzt: Wo läge heute bei der eingangs zitierten Textpassage noch die überzeichnende Pointe? Manchmal versuche ich, mich in die Denkweise von Politikern hineinzuversetzen. (Gelegentlich sogar mit Erfolg. Dem Innenminister Zimmermann habe ich seinerzeit - frei erfunden, jedoch wohlüberlegt - schon einmal einen Ausspruch in den Mund gelegt, den er ein halbes Jahr später wörtlich so getan hat, ohne mir jemals auch nur einen Pfennig Texttantieme für meine einfühlsame Zuarbeit zu überweisen.) Was geht in den Köpfen von Schröder und Fischer vor? Wessen Geschäfte sie zu besorgen haben, wissen sie. Schließlich hat man als Regierungsmitglied mal geschworen, dem Volke zu dienen, und »Volk« ist bekanntermaßen das Fremdwort für »die großen Firmen«. Leiten sie aber nicht auch persönliche Motive, »politische Visionen«, wie es modern umgangssprachlich heißt? Klar. Im November 1998 wurde der frischgebackene Bundeskanzler Gerhard Schröder vom französischen Staatspräsidenten zu einer internationalen Veranstaltung nach Paris eingeladen. Die Queen nahm auch teil, und vermutlich wird es nicht nur Dosenbier gegeben haben. Anlaß war der 8. November, 80. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs. Ein wirkliches feiernswertes Datum. Der deutsche Regierungschef jedoch sah sich bedauerlicherweise an der Teilnahme verhindert. In der französischen Zeitung Liberation wurde seine Begründung mit den Worten zitiert: »Wir Deutschen wollen nicht immer die Geschlagenen und Verlierer sein.« Aus den selben Beweggründen wahrscheinlich hatte drei Jahre zuvor Bundeskanzler Kohl seinen Diplomaten strikt verboten, in Frankreich Gedenkfeiern anläßlich des Jahrestages der Niederwerfung des Faschismus zu besuchen. Immer wenn ich in der Zeitung Berichte über Friedenskundgebungen oder andere politische Manifestationen lese, an denen teilzunehmen mir aus Termin- oder sonstigen Gründen nicht möglich gewesen war, empfinde ich es noch nachträglich als Versäumnis, gefehlt zu haben. Bei Schröder, Fischer und Scharping geht es wohl ähnlich: Kaum erfahren sie, daß irgendwo in der Welt kriegerische Auseinandersetzungen ohne deutsche Beteiligung stattfinden, fühlen sie sich übergangen, und es packt sie der unwiderstehliche Drang, öffentlich zu erklären, daß sich »Deutschland der Forderung nach stärkerem militärischen Engagement« in dieser oder jener Region »nicht entziehen« dürfe. Dies offensichtlich in der Hoffnung, irgendein Bündnispartner werde daraufhin die bis dato noch gar nicht gestellte Forderung bitteschön endlich doch noch erheben. Denn nur so sind WIR, Gerhard Schröder, wieder wer und können auf einer Augenhöhe mit der Queen Bier trinken, statt als Geschlagene und Verlierer bei der Feier linkisch herumzustehen. Satire? Längst Realität. Jetzt also sind der Kanzler und sein Minister augenscheinlich endgültig durchgeknallt. Daß der Schrödersche »Ausrutscher« in Hannover genauso präzise vorbereitet war wie die spontanen Gefühlsaufwallungen der CDU/CSU-Komödianten im Bundestag, steht inzwischen fest. Minutiös geplanter Wahnsinn also. Ist der erst Realität, wird Schröder in jedem Fall als Verlierer dastehen. So oder so. Und wie hält man das alles nun aus? Die Wut gibt Kraft, die Empörung über die Unverfrorenheit, mit der Großmächtige versuchen, uns ihren Irrsinn als Logik zu verkaufen. Wer nicht dem Frust verfallen will, dem bleibt als Notwehr nur, die Schäbigkeit ihrer Tricks öffentlich darzustellen, nach Möglichkeit der Lächerlichkeit oder allgemeinen Verachtung preiszugeben, damit sich etwas rege dagegen. Manche der absurdesten Ergebnisse logischer Schlußfolgerungen allerdings traue ich mich kaum noch öffentlich auszubreiten. Kann ich denn sicher sein, daß nicht wiedermal einer dieser nadelgestreiften Regierungstypen im Saal sitzt? Man darf ja inzwischen nichts noch so Hirnrissiges mehr vortragen, solche Leute nähmen es nicht doch noch freudig als Anregung. Logisch: Wer nichts im Kopf hat, greift nach jedem Strohhalm. Da fürchte ich, der Bundesregierung am Ende als unfreiwiliger Vordenker zu dienen, etwa bei der Suche nach weiteren Einsatzmöglichkeiten deutscher Truppen. Seit dem Tollhausspruch von Hannover ist schließlich nichts mehr unmöglich, und die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs sind längst noch nicht alle revidiert... Aber so etwas entspringt eben wohl wieder nur der perversen Phantasie eines... siehe oben. Zum Schluß will ich nun aber zur Entspannung doch noch eine lustige Militärklamotte anbringen, deren aberwitzige Pointe allenfalls Karl Valentin hätte vorwegnehmen können. Als ich kürzlich vom Verteidigungsministerium telefonisch eine kleine, völlig unerhebliche Auskunft bezüglich der deutschen Truppenstärke bei den Olympischen Spielen zu erhalten versuchte (s. Ossietzky 4/2002), konnte mich der Diensthabende der Vermittlung nicht weiterverbinden, weigerte sich jedoch standhaft, mir die entsprechende Durchwahlnummer mitzuteilen. Die Telefonnummer der »Stelle für Öffentlichkeitsarbeit« sei geheim. So sind sie eben, so logisch. Hier kann der Satiriker nur neidvoll den Hut ziehen.
Erschienen in Ossietzky 8/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |