Scheingefechte

von Klaus Vack

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, eine Wehrpflichtarmee sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die juristische Auseinandersetzung ist damit nicht beendet, denn umgangen wurde die Frage: Mit welchem Recht betreibt Deutschland überhaupt seine jetzige Militärpolitik? Dem Grundgesetz nach dürfte die Bundeswehr nur der Landesverteidigung dienen.

Wehrpflicht oder Berufsarmee? Wer die Diskussion auf diese Frage fixiert, lenkt sich oder andere von den wirklichen Entscheidungen ab. Die Anhänger der Wehrpflicht wie auch die Befürworter einer Berufsarmee in den Parteien hierzulande führen Scheingefechte. In der Hauptsache sind sie sich einig: Sie wollen, daß deutsches Militär weltweit zum Einsatz kommt, sie sind stolz auf die neue militärische Rolle der Bundesrepublik, sie wirken mit an der von Gerhard Schröder proklamierten »Enttabuisierung des Militärischen«.

Wehrpflicht hin, Berufsarmee her, oder auch umgekehrt - zum Töten wird so oder so ausgebildet und abkommandiert. Dienst oder Job, den Opfern kann es gleichgültig sein, welchen Status ihre Killer haben.

Sie seien in der Realität angekommen, sagen die PolitikerInnen aller parteipolitischen Schattierungen. Aber die realen Folgen kriegerischer Einsätze beschweigen sie systematisch. Bomben, Granaten und Minen bringen Zerstörung, Verstümmelung, Tod - ganz gleich, ob Wehrpflichtige oder freiwillige Berufssoldaten als Kriegshandwerker tätig werden.

Die Alternative zur Wehrpflicht ist nicht die Berufsarmee. Die Alternative zur Berufsarmee ist nicht die Wehrpflicht. Es gibt eine Alternative. Sie heißt: eine Bundesrepublik ohne Armee. Undenkbar, sagen die angeblichen Realpolitiker. Sie haben längst vergessen, daß jeder geschichtliche Schritt zur Zivilisierung des Zusammenlebens der Menschen eines voraussetzt: angeblich Undenkbares zu denken, auszusprechen, zum Ziel zu machen.

Eine Armee verliert den Boden unter den Füßen, wenn ihr die Menschen davonlaufen, wenn sie ihr fernbleiben. Notwendig ist das persönliche Nein zu jeder Armee, die totale Verweigerung. Das geht dem Kriegshandwerk an die Substanz!

Die »Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär« informiert und betreut Kriegsdienstverweigerer, Totalverweigerer und Deserteure aus Kriegsgebieten. Sie versteht »zivilen Ungehorsam und Gewaltfreiheit als Grundprinzipien ihrer antimilitaristischen Arbeit« (Adresse: Kopenhagener Straße 71, 10437 Berlin, Fon 030-4401300).

Erschienen in Ossietzky 8/2002