Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Hamsun und die Norwegervon Jochen Reinert Der Osloer Gyldendal-Verlag verlegt seit Urzeiten Knut Hamsun. Der Literaturnobelpreis von 1920 für den Norweger ließ die Auflagen in die Höhe schnellen. Doch als der Autor von »Segen der Erde«, »Hunger« und anderen vielgerühmten Romanen den einheimischen und deutschen Nazis zu huldigen begann und schließlich am 7. Mai 1945 Hitler als »Krieger für die Menschheit« und »reformatorische Gestalt von höchstem Rang« besang, verweigerten sich viele Norweger dem Nobel-Laureaten. Auch der langjährige Gyldendal-Verleger Harald Grieg, ein Bruder des antifaschistischen Dichters Nordahl Grieg, haderte mit seinem Star-Autor. »Lieber Hamsun«, schrieb er ihm im April 1946, »Du fragst, was zwischen Dich und mich getreten ist. Die Antwort ist ganz einfach: In einem Kampf auf Leben und Tod standen wir in entgegengesetzten Lagern - und tun es noch. Es gibt wenige Menschen, die ich so sehr bewundert habe wie Dich... Niemand hat mich tiefer enttäuscht.« Der derzeitige Gyldendal-Chef Geir Mork gehört in der neuen norwegischen Hamsun-Debatte rings um den 50. Todestag am 19. Februar dieses Jahres zu den eifrigsten Verfechtern einer Rehabilitierung des Dichters. So nahm es nicht wunder, daß auch auf der von Gyldendal und der norwegischen Wissenschaftsakademie veranstalteten Osloer Hamsun-Konferenz just am Jubiläumstag der Ruf »Befreit ihn von der Geschichte!« erscholl. So jedenfalls schloß Hans Fredrik Dahl, einer der Hauptredner, seinen Beitrag. Doch die von etlichen Hamsun-Verehrern seit langem betriebene »Befreiung von der Geschichte« fand nicht statt. Zu schwer wiegt für viele Norweger die bedrückend lange Liste der Dokumente seiner Komplizenschaft mit den Nazis. Hamsun forderte die Norweger zur Aufgabe des Widerstands gegen die deutschen Okkupationstruppen auf, schmähte die antifaschistische Exilregierung und rief die norwegische Jugend zum Dienst in der Waffen-SS. Zwei Dutzend ähnlicher Elaborate sind nachgewiesen. Deshalb vor allem wurde ihm 1947 wegen Hochverrats der Prozeß gemacht. Gleich 27 943 anderen norwegischen Nazis wurde Hamsun, eingetragenes Mitglied der von Vidkun Quisling geführten Nazi-Partei Nasjonal Samling, zu einer hohen Geldbuße verurteilt. 19 557 Quislinge, darunter Hamsuns Frau Marie, kamen hinter Gitter. Quisling selbst wurde hingerichtet. Dies alles schwang auch in der jüngsten Debatte mit. Die Osloer Zeitung Dagbladet hatte vor Jahresende die Idee lanciert, man möge in Oslo endlich eine Straße nach Hamsun benennen. Das konnten sich neben dem Gyldendal-Verleger etliche Politiker und auch der eine oder andere Dichter vorstellen. Doch Dag Solstad beispielsweise, einer der derzeit bekanntesten Autoren des Landes, sagte kurz und bündig: Ja zum Schriftsteller Hamsun, Nein zu einer Hamsun-Straße - aus Respekt vor dem Widerstand der Antifaschisten. Jens Christian Hauge, legendärer Chef der großen Widerstandsorganisation Milorg, konnte sich höchstens ein Straßenschild mit der Aufschrift »Digter Hamsuns gate« denken; er wollte allein den Dichter, nicht den Landesverräter geehrt sehen. Am Ende wurde auch an diesem Todestag keine Straße nach ihm benannt. Die Einrichtung eines Hamsun-Zentrums etwa in der Osloer Thereses gate 49, wo Hamsun einige Zeit wohnte, lehnen zumal die Anwohner ab. Die einzige Gedenktafel zum Jubiläum wurde nicht in Norwegen, sondern an Hamsuns vor übergehendem Wohnsitz in Kopenhagen enthüllt. Die erste größere Debatte über Hamsuns braune Neigungen ist freilich schon weit über 60 Jahre alt. Ausgangspunkt waren mehrere finstere Artikel des Dich ters gegen Carl von Ossietzky, für dessen Befreiung aus dem KZ und die Ehrung mit dem Friedensnobelpreis sich damals auch viele Norweger einsetzten. Hamsun diffamierte Ossietzky als »merkwürdigen Friedensfreund«. Das muß gerade für Ossietzky selbst eine schwere Enttäuschung gewesen sein. Denn nur wenige Jahre zuvor hatte er in der Weltbühne dem nordischen Meister einen emphatischen Geburtstagsgruß entsandt: »...es ist ein Glück zu wissen, daß unter den zwei Milliarden aufrecht gehender Lebewesen... dieser Mensch ist« - nach Worten des britischen Hamsun-Biografen Robert Ferguson »eine beinahe schon peinlich übertriebene Ehrung«. Damit stand Ossietzky keineswegs allein. Hermann Hesse, Robert Musil, Arthur Schnitzler, Albert Einstein und viele andere priesen den Norweger in einer Festschrift zu seinem 70. Geburtstag 1929 in den höchsten Tönen. Auch Ossietzkys Mitstreiter Kurt Tucholsky war des Hamsun-Lobes voll (»Ich liebe Hamsun auf das Höchste...«). Der Roman »Die letzte Freude« war für ihn »eine Perle aus dem Meer, wo es am tiefsten ist«. Doch auch »Die letzte Freude« strotzte von rassistischen Tönen etwa über die Minderheit der Samen (»Menschengrütze«). Wenig später freilich, nach Hamsuns Angriffen auf Ossietzky, machte Tucholsky in einem Brief an Walter Hasenclever seiner Enttäuschung Luft: »Ein solches Maß von tierisch-dumpfer Dummheit, von Niedrigkeit und Uninformiertheit. Die ganze Liebe, die ich in diesen Mann gelegt habe, ist fort...« Nach der zweiten großen Hamsun-Debatte anläßlich des Prozesses 1947 und des zwei Jahre später erschienenen Rechtfertigungsbuches »Auf überwachsenen Pfaden« war es lange sehr still um den uneinsichtigen Alten von Nörsholm. Diese Stille wurde jäh von dem dänischen Schriftsteller Thorkild Hansen unterbrochen, der 1978 mit seinem dickleibigen Dokumentarroman »Der Prozeß gegen Hamsun« die These lancierte, Hamsun sei der zu Unrecht verfolgte Sokrates unserer Zeit. Während Hansen sämtliche nazistischen Missetaten Hamsuns bagatellisierte oder gar rechtfertigte, widmete er dessen Attacken auf Ossietzky nur zweieinhalb Zeilen von 800 Seiten. Diese Verdrängung sei nicht verwunderlich, schrieb damals die Osloer Schriftstellerin Karin Bang sarkastisch, »weil sich der Hamsun, der in der Ossietzky-Affäre zum Vorschein kommt, ganz einfach nicht reinwaschen läßt«. Und der Publizist Ingvar Ustvedt erinnerte: »Hamsuns Angriff auf Ossietzky weckte starke Proteste unter großen Gruppen norwegischer Schriftsteller; das war eine große Sache, nicht zuletzt deshalb, weil Hamsun mit seiner Haltung zu dem eingekerkerten Ossietzky das Volk darauf aufmerksam machte, daß er Nazi ist.« Während die Hamsun-Debatte 1978/79 außerordentlich starke Emotionen weckte (nicht zuletzt, weil Hansen generell die vergleichsweise harte Abrechnung der norwegischen Justiz mit den Quislingen kritisierte), verlief die Diskussion über den 1996 von Jan Troell gedrehten Film »Hamsun« eher undramatisch - obwohl auch er die Nazivergangenheit des Dichters bagatellisierte. Die Filmleute waren mit der Botschaft angetreten, sie wollten »Hamsun den Norwegern zurückgeben«. Doch die Fjordländer erhielten nur den »halben Hamsun«, den seiner suggestiven Romane und seiner bizarren Ehegeschichte. »Die Zeit ist offenbar vorüber, in der die Leute Hamsun wegen seiner Haltung während des Krieges nicht lesen«, notierte die konservative Aftenposten zum aktuellen Jubiläum. Aber es gebe weiter Streit um ihn. Über seine Nazi-Sympathien sei man sich weitgehend einig, aber »die Forscher zanken sich darüber, inwieweit seine Dichtung faschistisch ist...« Interessanterweise verweist das Blatt darauf, daß bereits der deutsche Marxist Leo Löwenthal 1937 in der Exil-Zeitschrift für Sozialforschung in Hamsuns Dichtung deutliche braune Spuren diagnostizierte. In Norwegen hat seine Nobelpreiskollegin Sigrid Undset schon früh die Wurzeln seiner Nazisympathien in der »Gestaltung des großen Ichs und der Pygmäen ringsherum« in seinen Werken identifiziert. Zu den markantesten deutschen Vertretern der von Löwenthal begründeten ideologiekritischen Schule zählt derzeit Detlev Brennecke. In dem 1999 im Berlin Verlag Arno Spitz erschienenen Sammelband »Alles nur Kunst - Knut Hamsun zwischen Ästhetik und Politik« belegt er an zahlreichen Literaturbeispielen, daß der einst uneingeschränkt geliebte nordische Autor ein ausgemachter Rassist (Afroamerikaner sind für ihn Wesen »mit Därmen im Kopf«) und Judenhasser (»Seine Judenschnauze ist unausstehlich«) war. Bestürzend Brenneckes Auskunft, daß in mehreren bundesrepublikanischen Hamsun-Ausgaben grobe antijüdische Ausfälle des Norwegers einfach gestrichen wurden. »In hundert Jahren ist alles vergessen«, glaubte Hamsun 1947 seinen Richtern weissagen zu müssen. Doch »Nach 50 Jahren ist noch nicht alles vergessen« titelte Aftenposten zum Jubiläum. Und den »starken Kräften«, die meinen, »daß die Zeit gekommen sei, ihm zu vergeben oder jedenfalls größeres Gewicht auf seine Bücher als auf seine Sympathien für Nazismus und Faschismus zu legen«, antwortete das Osloer Blatt Nationen: Hamsuns Werke sollten die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienten, aber »weil er sich mit einer Ideologie und einem Staat gemein machte, die systematischen Völkermord, totale Unterdrückung und politische Perversität repräsentierten, kann sein Verrat niemals zu einer Fußnote in der Geschichte reduziert werden«.
Erschienen in Ossietzky 7/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |