Politische Bildung

von Edmund Schulz

»Neue Höhepunkte bei der Buchmesse in Leipzig« titelte am 22. März das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Neu, aber kein Höhepunkt war in der Halle 2 der große Stand F 401, der größte dieser Messe, gleich neben dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Kinder- und Jugendbuchverlagen sowie den Ausstellern von Comics. Doch am Stand F 401 lagen weder Kinder- oder Jugendbücher noch Comics aus, vielmehr wurden hier laut Messekatalog »Informationen zur Sicherheitspolitik, Informationen über die Bundeswehr, Unterstützung im Schulunterricht (POL&IS)« geboten. Nicht von einem Verlag, sondern einem Trupp uniformierter Offiziere.

Zu einem Zeitpunkt, da die Bundeswehr »an allen Fronten« (Der Spiegel) im Einsatz ist, unter anderem mit Bodentruppen in Afghanistan, erhielt sie auf der Buchmesse großzügige Gelegenheit, Aufklärung an der Heimatfront zu betreiben. Das geschah hauptsächlich in Form eines »aktivierenden, realitätsnahen Simultansspiels zum Lernen, Trainieren und Motivieren«, zu dem mit Hilfe von Lehrern ganze Schulklassen verführt wurden. In einer Pressemitteilung verbrämte ein Hauptmann Jandrey dieses Militärspiel mit den Worten: »Die Bundeswehr bietet mit der interaktiven Simulation ›POL&IS‹ (Politik und internationale Sicherheit) interessierten Schülern die Möglichkeit, die Zusammenhänge in der internationalen Politik selber zu erleben. POL&IS vermittelt Einblicke in die Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft als auch die Konsequenzen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen durch Selbsterfahrung.« Und so wurde auf dem weitläufigen Messestand unter Anleitung sogenannter Jugendoffiziere den Jungen und Mädchen beigebracht, wie es aus Sicht der Bundeswehr in den verschiedenen Regionen der Welt politisch, wirtschaftlich und militärisch bestellt und wie die deutsche »Sicherheitslage« davon betroffen ist. Letztlich stellte sich den Spielern immer die Frage, wann und wie sie das Militär einsetzen sollen, etwa »bei inneren Unruhen, z.B. durch sinkenden Lebensstandard und äußere Bedrohung«. Die Vorgabe lautete, in solchen Fällen sei »Handlungsbedarf gegeben«. Und: »Der Militärspieler kann die Regierung durch einen Putsch gewaltsam stürzen und die Macht übernehmen.« (Information der in Leipzig stationierten 13. Panzergrenadierdivision zu POL&IS)

Entgegenkommend wie frisch geschulte Verkäufer in einem Damenmodengeschäft antworteten die Offiziere auf alle Fragen. In Afghanistan, wußten sie, sei die Bundeswehr »zur Selbstverteidigung« eingesetzt. Dafür habe sie auch ein Mandat der UNO. Doch, ja, das wußten sie ganz genau. Im Computer, in dem sie nachschauten, weil der UNO-Beschluß da gespeichert sei, ließ er sich allerdings nicht finden. Aber darauf komme es auch gar nicht an, da doch die Staats- und Regierungschefs aller NATO-Staaten einer Meinung seien.

Aussteller und Autoren protestierten gegen die Militarisierung der Messe und forderten von der Messeleitung, künftig »solche Auftritte der Bundeswehr auf der Buchmesse zu unterbinden«. Eckart Spoo (Ossietzky) und Vertreter dreier Verlage (8. Mai, Neuer Weg, Zambon) überbrachten die Erklärung mit zahlreichen Unterschriften dem Leiter der Buchmesse, Oliver Zille. Der empfing sie mit gepanzerter Miene und erteilte ihnen eine »Verwarnung wegen unerlaubter Werbung außerhalb eines Standes im Sinne der Geschäftsbedingungen der Leipziger Messe«. Ein Gespräch über den Inhalt der Protesterklärung lehnte er ab. Knappe Begründung: Die Bundeswehr nehme mit gleichem Recht wie jede andere an der Buchmesse teil.

Aber ganz so gleich wie andere war die Bundeswehr doch nicht gestellt: Für die hohen Standgebühren mußte sie nicht selber aufkommen, dafür hatte sie die großzügige Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung.

I.L., Pol&Is (14. Jun. 2003, 16:51)

I.L., POL&IS (14. Jun. 2003, 17:51)

Erschienen in Ossietzky 7/2002