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Der niedersächsische Landtag setzte einen Untersuchungsausschuß ein, dessen Verhandlungen wie in solchen Fällen üblich endeten: Koalition und Opposition in Hannover legten gegensätzliche Schlußberichte vor. Dabei verbietet das deutsche Recht unzweideutig den Verkauf von Waffen in Spannungsgebiete. Der Südwestpazifik gehört ohne Zweifel zu diesen Regionen, vor allem wegen des ungelösten Konflikts zwischen der Volksrepublik China und Taiwan. Deswegen war schon damals längst ausgemacht, daß keine Rüstungsgüter nach Taiwan geliefert werden dürfen. Darauf achtete der Bundessicherheitsrat, ein kleines, geheim tagendes Gremium aus Parlamentariern und Regierungsvertretern, ohne dessen Zustimmung Waffenausfuhren unzulässig sind. Joseph Fischer gehörte der Runde noch nicht an, die CDU hatte gegenüber kriegerischen Aktivitäten weit mehr Bedenken als heute die regierenden Sozialdemokraten und Grünen. So kamen in Deutschland gebaute U-Boote damals noch nicht unter Taiwans Flagge. Aber die Marine der »Republik China« verfügt seit spätestens Anfang 1994 über immerhin vier Minensuch- und Minenlegerschiffe aus deutscher Produktion. Auf welcher verschlungenen Route diese Waffen das chinesisch-chinesische Spannungsgebiet erreichten, blieb bis zum heutigen Tage im Dunklen. Der inzwischen mit internationalem Haftbefehl gesuchte Holger Pfahls hätte gewiß Auskunft erteilen können. Doch Pfahls, einst Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), dann von 1987 bis 1992 Rüstungsbeschaffer im Rang eines beamteten Staatssekretärs im Bonner Bundesverteidigungsministerium, nach Versetzung in den einstweiligen Ruhestand kurzzeitig Mitglied einer Anwaltssozietät und schließlich, bis vor drei Jahren, Spitzenmanager für Daimler-Chrysler in Singapur, ist seit Mitte 1999 spurlos untergetaucht. Mit einer unbekannten Menge Schmiergeld im Gepäck. Gerüchten zufolge lebt er heute in Taiwan, auch dort im Verborgenen. Er weiß, wie man das macht, und hat die Mittel dazu. In aller Öffentlichkeit dagegen findet in Taiwan seit mehr als einem Jahr ein Prozeß wegen zwielichtiger Waffengeschäfte mit Deutschland und anderen europäischen Staaten statt. Vor Gericht in Taipei steht der Chef der Marine, Admiral Yeh Chang-tung. Er wird beschuldigt, korrupte Offiziere zu decken, die bei der Beschaffung der deutschen Minenleger kräftig in die eigene Tasche gewirtschaftet haben sollen. Der Skandal erregt die chinesischen Gemüter nicht nur wegen der vielen ausländischen Adressen: Außer den vier deutschen Minenlegern waren sechs französische Zerstörer vom Typ Lafayette sowie ein italienisches Schiff für die Luftüberwachung zu stark überhöhten Preisen angeschafft worden. Auch nicht nur wegen der Höhe der Schmiergeldzahlungen (die Rede ist von 30 Millionen US-Dollar) herrscht Empörung. Sondern vor allem deshalb, weil in offenkundigem Zusammenhang mit der Waffenschiebung ein hochrangiger Offizier ermordet worden war. Kapitän zur See Yin Ching-feng war ein unbescholtener Mann. Die Generalstaatsanwaltschaft in Taipei ist überzeugt, daß er zuviel von den schmutzigen Geschäften mitbekam, die Behörden einschalten wollte und damit zur unmittelbaren Gefahr für mächtige Hintermänner in der Admiralität und im Verteidigungsministerium wurde, die ihn beseitigen ließen. Yin war Angehöriger des Stabes des suspendierten Admirals Yuan Yu-fan. Yuan hat der Anklage zufolge das Geld in US-Dollarwährung zum Kauf der deutschen Minenlegeschiffe (die genaue Summe wurde bisher nicht öffentlich genannt) bei einem Londoner Geldinstitut eingezahlt. Von dort wurde es, sauber gewaschen, denn es kam ja aus dem NATO-Partnerstaat Großbritannien, ungeprüft auf Konten bei einer deutschen Bank transferiert. Wobei Yuan umgerechnet fast eine Million Mark für sich privat auf ein ebenfalls deutsches Bankkonto abgezweigt haben soll. Die Ermittlungen des Untersuchungsgerichts in Taipei konzentrieren sich seit kurzem ganz auf diese Geschäftsvorgänge im Rahmen der Beschaffung deutscher Kriegsschiffe. Die Verhandlung ist öffentlich. Taiwans Presse ist dabei; sie berichtet viel umfassender und freizügiger, als wir das aus Deutschland kennen. In Berlin wurde dazu bisher kein Sterbenswort laut. Woran liegt das? Wäre ein Eingeständnis, daß das Verbot von Rüstungsexporten nach Taiwan mißachtet wurde, einfach zu peinlich? Herrscht jetzt betretenes Schweigen, weil deutsche Unternehmen Schmiergelder in unbekannter Höhe gezahlt haben und nicht nur Ex-Staatssekretär Pfahls eine Menge Dreck am Stecken hat? * Bei der Weltmacht USA gelten nicht einmal einfachste gesetzliche Einschränkungen für Waffenproliferation in Spannungsgebiete, geschweige denn Verbote. Im Gegenteil. Für den Waffenverkauf an Taiwan besteht sogar eine gesetzliche Verpflichtung, der Taiwan Relation Act (TRA), beschlossen und verkündet zur Beruhigung des schlechten amerikanischen Gewissens, nachdem Washington sich am Rauswurf Taiwans aus den Vereinten Nationen beteiligt, die diplomatischen Beziehungen zu Taipei abgebrochen und stattdessen solche mit Peking aufgenommen hatte. Die Doppelmoral des Demokraten Jimmy Carter kam da zur Geltung. Selbst im Wissen um die Empfindlichkeiten der Riege in Peking und ohne Rücksicht auf mögliche Beschädigung der Handelsbeziehungen mit der als »Markt« für zivile Güter so umworbenen Volksrepublik erlegt sich Washington beim Waffengeschäft mit Pekings politischer Konkurrenz keine Beschränkungen auf. Vielmehr pumpt Washington trotz aller Spannungen zwischen den beiden chinesischen Staaten Jahr für Jahr Unmengen von Waffen nach Taiwan. Korruptionsvorwürfe bleiben da nicht aus, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Lieferung mängelbehafteter F-16-Jagdflugzeuge an Taiwans Luftwaffe, die längst wesentlich flug- und kriegstüchtigere »Mirage 2000«-Maschinen aus Frankreich besaß. Douglas Paal, offizieller US-Repräsentant in Taipei im Rang eines Botschafters, hatte bereits im Juni 1998 auf einer Konferenz in Washington verkündet, daß »Taiwan über solche Mengen an Waffen verfügt, daß es selbst nicht mehr weiß, was es damit anfangen soll«. Kurz nach der Wahl des neuen taiwanesischen Präsidenten Chen Shui-bian forderte Paal - ein Mann mit Mut - den damaligen US-Präsidenten Clinton auf, geplante weitere Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt riskieren die USA, im Interesse der Profitmehrung ihrer heimischen Rüstungswirtschaft den gesamten südwestpazifischen Raum zu destabilisieren. Zu dem, was die USA seit April 1999 an Taiwan verkaufen möchten, gehört ein brandneues Radar-Frühwarnsystem mit großer Reichweite. Wenn Washington damit in Taipei Erfolg hätte, wäre das der Durchbruch der US-amerikanischen Bestrebungen, im Südwestpazifik die ersten Teile eines weltraum-gestützten Raketenabwehrsystems (theatre missile defense system, kurz TMDS) zu installieren. In diesem theatre sollen auch - aber erst, nachdem sie teure Eintrittskarten bezahlt haben - Japan, Südkorea, die Philippinen und Indonesien sitzen; Australien und Neuseeland werden wohl gleichfalls noch eingeladen, wenn erst einmal die Fundamente für das theatre in Taiwan gelegt sind. Taipei war und ist jedoch nicht sonderlich interessiert an dem Raketenabwehrschild aus den USA und an der dazu gehörigen Komponente, dem Radarfrühwarnsystem. Nicht, daß es den Insel-Chinesen zu teuer wäre. Sie glauben aber nicht recht an wirksame Abwehrchancen gegen einen vom chinesischen Festland aus geführten Luftangriff. Schon vor der ersten und kleinsten Rakete, die auf der Insel einschlüge, wäre das Kapital aus Taiwan geflüchtet und die Wirtschaft zusammengebrochen. Ganz abgesehen davon hält Taipei Pekings Volksbefreiungsarmee für noch viel zu schlecht aufgebaut und ausgerüstet, als daß sie zu einer Offensive gegen Taiwan fähig wäre. Ergo setzt man auf der Insel nicht auf fragwürdige »Schutzschilde«. Man baut vielmehr auf Abschreckung, vertrauend auf militärtechnische Überlegenheit der eigenen Luftwaffe und Marine, den hohen Ausbildungsstand der Soldaten und die wesentlich stärkere Offensivkraft. Die Regierung in Taipei strich folglich die Position »Radar-Frühwarnsystem« immer wieder von den amerikanischen Lieferscheinen. Auch aus dem Verkauf der Luftabwehrrakete Patriot PAC-III wurde bisher nichts - angeblich, weil Taipei das Geld dafür fehlt. Beide, das Radarsystem und die Rakete, sind wichtige Komponenten des Anti-Raketenschildes TMDS. In Washington festigte sich der Verdacht, von Taipei hingehalten zu werden, so daß sich die Einrichtung des TMDS-Systems auf unabsehbare Zeit verzögern würde. Also wurde Anfang März dieses Jahres eine US-Delegation unter Leitung von Richard D'Amato nach Taipei geschickt. Der ist Vorsitzender des finanziell und politisch schlagkräftigen Kongreß-Ausschusses für die amerikanisch-chinesischen Angelegenheiten. Er führte seine Gespräche mit Präsident Chen sowie mit Verteidigungsminister Wu in der offenkundigen Absicht, Druck auf Taipei auszuüben. Bleibt abzuwarten, mit welchem Erfolg. Noch jedenfalls ist das TMDS-Geschäft nicht unter Dach und Fach. * George W. Bush - pfeif auf den ABM-Vertrag und alle internationalen Hoffnungen auf Friedenssicherung - ist noch viel dringender als sein Vorgänger Clinton darauf aus, der US-Rüstungsindustrie Aufträge für weltraumgestützte Raketenabwehranlagen zu verschaffen. Aufträge aus dem Inland für den Aufbau einer nationalen Raketenabwehr, genannt NMD (National Missile Defense), und Aufträge westpazifischer Staaten für einen internationalen Schirm TMDS, der vom nördlichen Japan bis weit in die südliche Hemisphäre gespannt werden könnte, noch krasser gegen den ABM-Vertrag verstieße und noch viel bedrohlicher als NMD wäre. Auf diplomatische Manieren verzichtet Bush zugunsten der texanischen. Die Firmen Raytheon und Lockheed Martin, Hersteller der Radaranlagen, dürften es zu würdigen wissen, Boeing, McDonnell u.a. desgleichen. Bush drückte bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt das bis dahin umfangreichste Waffengeschäft im pazifischen Raum durch. Vier Zerstörer der Kidd-Klasse, zwölf »P3-Orion«-Flugzeuge (U-Boot-Jäger modernster Bauart) und acht dieselgetriebene U-Boote gehörten zu dem Paket, das er innerhalb eines Quartals nach Taiwan verkaufen wollte. Nur eine Tranche lehnte er ab: Zerstörer der Klasse »Aegis« mit radar- und lasergesteuerten Fernlenkraketen werden nicht verkauft. Diese modernste Angriffswaffe der Welt soll der US-Navy vorbehalten bleiben. Mit seiner Zusage, acht Diesel-U-Boote zu liefern, war Bush dem Wunsch der Militärpolitiker in Taipei nach mehr Offensivpotential schon überraschend weit entgegengekommen. Seit Jahren - man erinnere sich der vergeblichen Vorstöße des einstigen Provinzfürsten Schröder in Hannover - strebt Taiwan den Besitz neuer U-Boote an. Es verfügt lediglich über vier museumsreife, schwächlich armierte und für den Unterwasserangriff fast untaugliche Boote. Moderne Diesel-U-Boote können ebenso stark bewaffnet und elektronisch ausgestattet werden wie Atom-U-Boote. Nur in der Antriebsart und in der Fähigkeit zu extrem langem Aufenthalt unter Wasser unterscheiden sie sich. Bushs Zusage war aber auch in anderer Hinsicht überraschend. Die USA selbst sind nämlich nicht mehr in der Lage, Diesel-U-Boote zu bauen. Die letzten auf US-Werften gebauten konventionellen U-Boote liefen Mitte des vorigen Jahrhunderts vom Stapel. Aus eigener Kraft auf den Standard von heute zu kommen, würde die USA Milliardenbeträge kosten und Jahre dauern. Nicht atomar angetriebene U-Boote werden heute nur in Europa produziert, z. B. in den Niederlanden und vor allem in Deutschland. Da baut HDW die Schiffskörper, Thyssen stellt den Spezialstahl, Rheinmetall, Siemens und andere liefern Bewaffnung, Elektronik und Ausstattung. Und so schließt sich nun der Kreis vieler von Korruption belasteter US-amerikanisch-europäisch-taiwanesischer Rüstungsgeschäfte. Die Waffenlieferungen der USA in das chinesische Spannungsgebiet und der gekonnt lässige Umgang deutscher Stellen mit den hierzulande geltenden gesetzlichen Beschränkungen und Verboten korrespondieren geradezu perfekt miteinander. Zwar haben Berlin und Den Haag es offiziell abgelehnt, in die Bresche zu springen, besorgt, die Beziehungen zur Volksrepublik China könnten Schaden nehmen (besonders natürlich wirtschaftlichen Schaden). Inoffiziell aber, so berichten der Sender Voice of America und einige taiwanesische Zeitungen, bemühe sich das US-Verteidigungsministerium in Deutschland und Holland darum, daß dort zumindest Teilaufträge für den U-Boot-Bau übernommen werden. Blaupausen und Lizenzen für Ergänzungsbauten auf US-Werften böten den weiteren Gesprächsstoff. Sieben europäische Firmen hätten bereits Angebote unterbreitet, nur die »förmlichen Dokumente« lägen noch nicht vor. Aus alledem ergeben sich einige Fragen. Wo bleibt der politische Protest dagegen, daß die deutschen Ausfuhrverbote umgangen und unter aller Augen Waffen aus deutscher Produktion in Spannungsgebiete verschoben werden? Und wo bleibt der Staatsanwalt? Wenn Washington »Augen zu!« befiehlt, müssen dann alle unsere Parlamentarier Blindekuh spielen und unsere Justizbehörden in den Tiefschlaf fallen? Die Klopse werden doch so überaus dreist und am hellichten Tage serviert. Beispiel: Das Königreich Nepal hat, wie die britische Fachzeitschrift Jane's Defense Weekly im Februar berichtete, bei der Waffenschmiede Heckler & Koch in Oberndorf im Schwarzwald 65 000 automatische Gewehre bestellt. Dem Bericht zufolge handelt es sich um hochmoderne Waffen vom Typ G-36. Solche Gewehre gehören noch nicht einmal bei der Bundeswehr zum Standard; die schießt zumeist noch mit dem altbekannten G 3. In Nepal tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg. Verhindert nur deshalb in Berlin niemand den Waffendeal mit den Machthabern in Katmandu, weil dieser Handel einerseits Profite und Arbeitsplätze in der Schwarzwälder Waffenschmiede sichert und weil andererseits die Gewehre angeblich »nur zur Verteidigung« gegen linke »Rebellen« gebraucht werden? Nur zur Ermordung jener Aufständischen also, die unsere Medien mangels genauer Kenntnis der nepalesischen Realität und bar jeden Politikverstandes grob verfälschend als »maoistische Guerilla« betiteln, wodurch der Eindruck entsteht, als ginge es im Traumland Nepal bloß um die gute Sache? Unter Berufung auf das Berliner »Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit« meldete kürzlich die Frankfurter Rundschau, Nepal habe bereits voriges Jahr für fünf Millionen Dollar eine Wartungs- und Reparaturwerkstatt für die Gewehre bestellt. Das Bundeswirtschaftsministerium habe es abgelehnt, Nachfragen in der Angelegenheit zu beantworten. Es sei auch nicht bekannt, ob der Sicherheitsrat die Lieferung bereits genehmigt habe. Was soll denn ein solcher Bericht? Läßt sich die deutsche Öffentlichkeit derart billig abspeisen? Rüstungsexporte sollen nach den geltenden deutschen Richtlinien »einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung« leisten. Metzger üben ihren Beruf ja auch nur aus reiner Tierliebe aus.
Erschienen in Ossietzky 7/2002 |
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