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Die weitaus meisten dieser Büros, die organisierte wirtschaftliche (das heißt vorwiegend unternehmerische, auf Branchen- oder auf regionaler Ebene organisierte) Interessen vertreten, werden von gut ausgebildeten, professionell agierenden Fachleuten betrieben, die in der Regel auch über genügend Zeit und Geld verfügen, um sich in der europäischen Politik Gehör und Einfluß zu verschaffen. Daß sich die Beamten der Europäischen Kommission oder die Mitglieder des Europa-Parlaments von diesen wohlinformierten Lobbyisten beraten und beeinflussen lassen, ist Brüsseler Alltag. Ausnahmen von dieser Regel bilden die Gewerkschaften und die Verbraucher- und Umweltschutzverbände, deren Büros in der Regel personell und materiell erbärmlich ausgestattet sind und mit den Lobby-Organisationen der "Wirtschaft" kaum mithalten können. Die Welt der Lobbys ist hierarchisch geordnet: Alle sind gleich, aber einige erheblich gleicher als die anderen; und ein gewichtiges Wort reden in der europäischen Politik seit jeher die Elite-Clubs mit. Seit Anfang 1983 spielt ein harmlos "Runder Tisch" oder offiziell European Roundtable of Industrialists (ERT) genannter Club von Spitzenmanagern der Großkonzerne aus den Mitgliedsländern eine Schlüsselrolle - ein selbsternanntes Beratungsgremium, das sich immer wieder höchst erfolgreich eingemischt hat, sobald es um Weichenstellungen in der europäischen Politik ging. Dieser exklusive Club entstand auf Initiative von Etienne Davignon, damals Kommissar für Industriepolitik, und Xavier Ortoli, damals Finanzkommissar, denen die bereits vorhandenen Wirtschaftslobbys, wie die UNICE, die europäische Föderation der nationalen Unternehmerverbände, zu bürokratisch und zu schwächlich erschienen. Um Europa im Sinne einer einheitlichen Marktordnung voran zu bringen, mußte die Elite des Managements (aus Konzernen wie Volvo, Fiat, Philips, Daimler-Benz usw.) ran. Ihre Aufgabe war es, den verschlafenen EU-Politikern die neue Botschaft von der "Wettbewerbsfähigkeit" und der "Globalisierung" einzuhämmern. Seit 1983 trifft sich dieser Kreis (mit mittlerweile zahlreichen Sub-Komitees) regelmäßig. Ein oder zwei Mitglieder des illustren Kreises sind in der Regel frühere EU-Kommissare mit hervorragenden Insider-Kenntnissen und besten Beziehungen. Vorschläge, die hier gemacht werden, Entwürfe, die von diesem Kreis ausgehen, finden sehr rasch Eingang in die offizielle Brüsseler Politik. Wer hier Mitglied ist, kennt die richtigen Leute in den Spitzenregionen aller Hierarchien und hat jederzeit Zugang zu ihnen. Die Art und Weise, wie die europäische Politik gemacht wird, ist mit Hilfe der formalen Entscheidungsregeln und der offiziellen Instanzen nur sehr unzulänglich zu erfassen. Die von Politikwissenschaftlern mit Vorliebe verwendete, einigermaßen naive Formel von der "Mehrebenenpolitik" hilft da nicht weiter. Nach außen, gleichsam als Fassade und offizielles Gesicht der EU, tritt zuerst die Europäische Kommission hervor. Aber wer allein auf die Kommission und ihre Beamten starrt, läßt sich täuschen. Tatsächlich begegnen sich im Ministerrat (beziehungsweise den diversen Räten der Fachminister) die Spitzen der Ministerialbürokratien der Mitgliedsländer. Auch wenn nicht alle Mitgliedsländer eigene Europaminister haben, die Ministerialbürokratien haben ihre im Brüsseler Geschäft erfahrenen und sachkundigen Spezialisten, die das eigentliche Netzwerk der "Eurokraten" bilden. Es ist weniger sichtbar als die Kommission und deren Beamte, aber mindestens ebenso effektiv. In der EU schlüpfen die nationalen Regierungen plötzlich in die Rolle des Gesetzgebers, und zwar eines Gesetzgebers, den kein Parlament, weder ein nationales noch ein europäisches, wirksam kontrolliert und der sich leicht hinter der im Vordergrund agierenden Kommission verstecken kann. Ein erfahrener Lobbyist weiß das und wird daher im Zweifelsfall stets den kürzesten Weg suchen: den zu den Spitzen der nationalen Ministerialbürokratien. Es kann nie schaden, ein paar Abgeordnete des EP zu kennen, ein kurzer Draht zu einigen nationalen Spitzenbeamten ist dagegen unbezahlbar für den, der wirklich Einfluß nehmen will. Mit Demokratie-Defiziten in der Europäischen Union befaßt sich Professor Michael R. Krätke (Amsterdam) ausführlich in dem Buch "Demokratie - wo und wie?" (hg. von Norman Paech, Rainer Butenschön und Eckart Spoo), das in diesen Tagen im Verlag VSA Hamburg erscheint (238 Seiten, 16.50 Euro).
Erschienen in Ossietzky 6/2002 |
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