Atomarer Staatsterrorismus

von Klaus Vack

Die Regierung der USA will den Einsatz von Atomwaffen zu einem gewöhnlichen Mittel der Kriegsführung machen. Ein Planungspapier des Pentagon, in dem neben fünf "Schurkenstaaten" auch China und Rußland als mögliche Ziele US-amerikanischer Atomschläge genannt werden, kam durch Indiskretion an die Öffentlichkeit. Vielleicht aber auch gewollt, um die Reaktionen der anderen Staaten auf solche Absichten zu testen.

US-Vizepräsident Cheney machte sich über Kritiker der neuen Atomdoktrin lustig: "Die Vorstellung, daß die USA atomare Angriffe auf sieben Länder vorbereiten", sei "etwas übertrieben".

Was jedoch die Grundrichtung der US-amerikanischen Politik angeht, so gibt es keine Zweifel: Atomwaffen sollen in Zukunft auch in territorial begrenzten Konflikten und gegen Staaten eingesetzt werden, die selbst nicht über solche Waffen verfügen. Die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen soll gesenkt und es sollen erneut Atomwaffentests durchgeführt werden.

Damit werden durch eine selbstherrliche Entscheidung der Regierung der USA alle über vier Jahrzehnte hin mühsam zustande gebrachten Eingrenzungen der Gefahr atomarer Kriege zum alten Eisen geworfen; die Vereinbarungen im Rahmen der Vereinten Nationen eingeschlossen. Die atomare Kriegsführung wird, wenn es nach dem Willen der US-Regierung geht, zur "Normalität", jedenfalls beim eigenen Waffengebrauch. Offenbar rechnet man in Washington damit, daß im propagandistischen Schutz des "Kampfes gegen den Terrorismus" diese neue militärische Doktrin in der internationalen Öffentlichkeit nicht als das erkannt und bekämpft wird, was sie in Wahrheit ist: ein staatsterroristischer Akt.

Der Protest gegen diese Atomkriegsambitionen regt sich bisher nur zaghaft. In der Bundesrepublik Deutschland scheint fast vergessen, was in den Zeiten der Kampagne gegen den Atomtod und der frühen Ostermärsche der Atomwaffengegner zu einer politisch wirksamen Erfahrung geworden war: Wer etwas gegen den Wahnsinn der Atomkriegsstrategie tun will, darf sich nicht auf das diplomatische Taktieren von Profi-Politikern verlassen. Bürgerinnen und Bürger, friedensbewegte Menschen müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen, den Widerstand selbst organisieren. Da ist vieles noch einmal neu zu lernen.

Die Demonstrationen jetzt an Ostern und die für den 21./22. Mai angekündigten Protestkundgebungen anläßlich des Besuches von George W. Bush sind erste Gelegenheiten, gegen die neue Militärdoktrin der USA aufzutreten. Aber das kann nur ein Anfang sein.

Der Ripper von Rostow, (10. Jun. 2005, 12:52)

Erschienen in Ossietzky 6/2002