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Dieser Ort wurde damals nicht ohne Grund gewählt, »konnte man doch im Siegerland, dem Stammland der protestantisch-pietistischen Bewegung, der Heimat Adolf Stoeckers, bewußt an die Tradition des politischen Protestantismus anknüpfen« (EAK-Chronist Peter Egen). Stoecker, dieser Stammvater des politischen Protestantismus, dem sich die EAK verbunden sah, war Hofprediger Wilhelms II.; er vertrat die Idee eines christlich-autoritären Staates preußischer Prägung und war deshalb ein erbitterter Kämpfer gegen die damalige Sozialdemokratie. Besonders folgenreich wirkte er dadurch, daß er den Antisemitismus in die deutsche Politik einführte. Der EAK war, wie die gesamte CDU, ein Kind des Kalten Krieges. Um eine sozialistische Umgestaltung Deutschlands zu verhindern und zugleich ein Bollwerk gegen die Sowjetunion aufzubauen, setzten die USA schon gleich nach Ende des Krieges auf die beiden Großkirchen. Das waren die einzigen Institutionen des herkömmlichen Herrschaftssystems, die weiterbestanden, also gut mobilisieren konnten und immer antisozialistisch gewesen waren. Die katholischen Bischöfe hatten ihren neuen Auftrag schnell begriffen, so daß sie sich schon im Juli 1945 für eine »interkonfessionelle Partei« aussprachen, eine »Union« aus Katholiken und Protestanten, die dann im Dezember 1945 gegründet wurde und ab 1949 mit Adenauer den westdeutschen Staat regierte. Die Wiederbewaffnung wurde oberstes Staatsziel. Für die katholische Amtskirche war das selbstverständlich; mit dem Protestantismus dagegen bekam der Kanzler ab 1950 erhebliche Schwierigkeiten. Repräsentant des kirchlichen Widerstandes gegen die Remilitarisierung wurde der Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, Martin Niemöller. Er fand darin mit dem Mitbegründer der CDU und bedeutendsten Vertreter des Protestantismus in der Union, Gustav Heinemann, zusammen, dem ersten Innenminister in Adenauers erstem Kabinett, das er wegen der angestrebten Remilitarisierung schon im Oktober 1950 verließ. Die Art, wie der Kanzler die Militärpolitik betrieb, charakterisierte Heinemann später als »Irreführung«. Lange Zeit hatte Adenauer frech bestritten, irgendetwas mit einer »Wiederaufrüstung« im Sinne zu haben. Dann, nachdem er insgeheim längst Fakten geschaffen hatte, sprach er von einem »Verteidigungsbeitrag«. Für dessen Rechtfertigung lieferten einflußreiche Kirchenführer die entsprechenden Formeln und eine gehörige Portion Kommunistenangst. »Unser Volk«, so heißt es in einer Stellungnahme evangelischer Christen vom Januar 1952, »dem Gott die Waffen aus der Hand geschlagen hat«, könne sie wieder aufnehmen, um »gemeinsam mit seinen Nachbarn den Frieden und das Recht vor der erneuten Bedrohung durch die nackte Gewalt zu schützen. Wenn die daraus entstehende Verteidigungsgemeinschaft unserem Volke... wieder einen Platz unter den freien Völkern verschafft, haben wir das dankbar als eine verpflichtende Gnade aufzunehmen.« Erstunterzeichner waren der Kriegstheologe und Gegenspieler Niemöllers, Landesbischof Lilje, und der Präsident des Bundesgerichtshofes, Weinkauff, Träger des silbernen Treudienst-Ehrenzeichens der NSDAP und 1937-45 am Reichsgerichtshof tätig, wo damals 50.000 Todesurteile gefällt wurden. Gelegentlich ließ der Kanzler jedoch durchblicken, daß sein Verlangen nach militärischer Macht nicht defensiv motiviert war, sondern aggressiven Eroberungs- und Neuordnungsplänen entstammte (die nun in unseren Tagen realisiert werden). So heißt es in einem regierungsamtlichen Bulletin einige Tagen vor der Gründung des EAK: »Durch die Europa-Armee können wir uns des deutschen Potentials bedienen, um die Neuordnung des Ostens vornehmen zu können.« Das alles war dem Vorsitzenden des EAK, Hermann Ehlers, der zugleich Bundestagspräsident war, natürlich bekannt. Trotzdem ließ er in Siegen eine Erklärung beschließen, deren Kernsatz lautet: »Wenn wir einen Verteidigungsbeitrag (!) befürworten, tun wir das in dem Willen, den Frieden und die Freiheit Deutschlands zu sichern.« Adenauer nahm dieses Lügenwort, das am Anfang stand, auf der Abschlußkundgebung am 16. März huldvoll entgegen und sagte dazu: »Die Evangelischen brauchen für manche Lösungen andere Begründungen als die Katholiken.« Am folgenden Tage konnten alle Delegierten in der FAZ nachlesen, was der Kanzler tatsächlich mit der Bundeswehr bezweckte: Sein Staatssekretär Walter Hallstein hatte in einem Interview in Washington ausgeplaudert, daß damit eine »Neuordnung Europas« erreicht werden solle »in östlicher Richtung bis zu den Uralbergen. Das ist das, was wir im Sinn haben.« Die Aufgaben des EAK nach ihrer Gründung bestanden also vorrangig darin, ihre Mitglieder auf die Politik Adenauers einzuschwören, unter den evangelischen Wählern für die CDU zu werben, was zur Bundestagswahl 1953 hervorragend gelang, und für evangelische Mandatsträger Posten und Pfründen gegen katholische Mitbewerber zu erstreiten. Vorsitzender nach Ehlers' frühem Tod im Oktober 1954 wurde Bundesminister Robert Tillmanns, es folgten Bundesminister Gerhard Schröder (Inneres, Äußeres, Verteidigung), Roman Herzog, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, später Bundespräsident, Helmut Kohls rheinland-pfälzischer Vertrauter Albrecht Martin, CDU-Generalsekretär Peter Hintze, Bundesministerin Angela Merkel, die jetzige Parteivorsitzende, und seit 1994 der damalige Bundesminister Jochen Borchert. Über viele Jahre hindurch war der EAK nach den Worten seines publizistischen Freundes Ludwig Harms »ein bedächtig dahinschaukelndes Schiff«, in dem allerdings alle Mann schnell an Deck kamen und schrieen, wenn er galt, Kriegsangelegenheiten gegenüber renitenten Kirchenleuten zu vertreten, so z.B. 1958 gegen die Warner vor Atombomben: »Schwarmgeister verwirren das rechte evangelische Verständnis vom politischen Amt... Wir beschwören unser Volk, nüchtern eingedenk zu bleiben, daß Frieden, Freiheit und Sicherheit Opfer, Mut und Disziplin kosten - wider alle Angst vor dem Kommunismus und der Atombombe«. Oder im Frühjahr 1972, als sich der sonst lammfromme hannoversche Landesbischof Lohse gemeinsam mit vielen anderen Prominenten für die Annahme der Ostverträge ausgesprochen hatte, was der EAK als »grobe Amtspflichtverletzung« öffentlich anprangerte. Oder im Sommer 1983, als die starke Protestbewegung gegen die geplante Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen den EAK-Vorsitzenden Herzog veranlaßte, alle Pfarrer der BRD in einem Rundbrief aufzuklären: »Es gibt in Europa gegenwärtig keine Gefahr eines Krieges.« Schon drei Jahre zuvor hatte Herzog das Schiff EAK stärker unter Dampf gesetzt, als Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat für die CDU/CSU in den Bundestagswahlkampf zog. Die umstrittene Gestalt aus Bayern in den norddeutschen protestantischen Regionen hoffähig zu machen, war eine typische Aufgabe für den EAK. Von Wolfsburg aus wurde damals mobilisiert. Unter dem Titel : »Der Friede - Ziel unserer Politik« wurde hier der EAK-Wahlkongress durchgeführt. Herzog hielt nach Strauß das Hauptreferat, in dem er ihm seine theologischen Argumente für eine neue »Politik der Stärke« lieferte. Er beschrieb den Menschen als »zwiespältiges Wesen«, nach »dem Bilde Gottes geschaffen« (1.Mose 1.27) und zugleich »böse von Jugend auf« (1.Mose 8.21), und verwendete dann alle Überlegungen darauf, wie dieser Bosheit begegnet werden müsse. Ergebnis: Mit einem »starken Staat« nach innen und nach außen. Ähnliches könnte Herzog als Festredner demnächst wieder vorschlagen, und Edmund Stoiber, der 1980 den Wahlkampf für Strauß mitorganisierte, wird's gern hören und wieder, wie damals, auf den EAK zugehen und der auf ihn. Nur mit dem Unterschied, daß die SPD die EAK-Gedanken von damals längst praktiziert und das Kriegführen für sie wie auch für die Kirchen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.
Erschienen in Ossietzky 5/2002 |
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