Bundeswehr auf Menschenjagd

von Bernd C. Hesslein

Müssen wir wieder einmal »Glückwunsch, Kanzler!« ausrufen? Dieses geflügelte Wort verdanken wir dem einstmals kritischsten Publizisten dieser Republik als höchsten Ausdruck nationalen Überschwanges. Rudolf Augstein benutzte ihn als Danksagung an Helmut Kohl anläßlich der vermeintlichen Vereinigung der beiden deutschen Republiken. Und nun hat das von Gerhard Schröder mit forschen Sprüchen regierte Deutschland wieder auf seine Einmaligkeit lauthals aufmerksam gemacht.

Gleich zweimal wurde in den vergangenen Tagen das häufig zerrissene deutsche Selbstbewußtsein frottiert. Die einfache Abreibung für das schlichte Gemüt lieferte die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile Wir sind die Besten der Welt. Das muß auch Bruder Johannes, der Wanderprediger als Bundespräsident, so empfunden haben und war zur Stelle, als es in Salt Lake City zum großen Abbusserln der MedaillenträgerInnen ging. Die handfestere und auch folgenreichere Schlagzeile für das deutschnationale Herz kam natürlich von der dafür zuständigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ihre Sonntagsausgabe drängte sich mit dem Aufmacher ins Bewußtsein: »Deutsche Soldaten jagen Al Quaida«. Die Lorbeereinkränzung, wie sie die volkstümliche Bild-Zeitung bevorzugen würde, erübrigte sich, da sie von den klugen Köpfen hinter der FAZ bei solchen Gelegenheiten mitgedacht wird.

Das Jagdsignal jedoch ist nicht so sensationell, wie es die Stabstrompeter der FAZ, journalistisch verstärkt, in die Öffentlichkeit geblasen haben. Schon eine Woche zuvor erwähnte die Wochenzeitung Die Zeit die Beteiligung deutscher Soldaten an den Such- und Vernichtungsaktionen der US-Spezialtruppen in den Einöden Afghanistans, offensichtlich ohne sich der damit verbundenen Implikationen bewußt zu werden. Noch früher, Ende Januar, hatte vorlaut wie immer und wie üblich unbeachtet von der übrigen Öffentlichkeit die Berliner Tageszeitung junge Welt darauf hingewiesen.

Zu den Implikationen gehört diese: Deutsche Soldaten machen ehemalige Taliban-Kämpfer und Al Quaida-Mitglieder ausfindig, die von dem Sheriff im Weißen Haus als Gesetzlose betrachtet und behandelt werden. Oder vielleicht auch gleich erschossen.

An der Seite von US-Kommandos und auch unter ihrem Befehl auf Terroristenjagd zu gehen, fällt nicht mehr unter die Zusicherung »unbegrenzter Solidarität«. Und auch die Treue zum NATO-Bündnis kann nicht als Pflicht zum Mitmachen ausgelegt werden. Die USA haben in der Allianz gegen den Terrorismus auf Absprachen verzichtet und führen ihren eigenen Krieg. Ihr Präsident hat seine Amtszeit unter dieses Ziel gestellt und für sein Land das Völker- und Kriegsrecht außer Kraft gesetzt.

Das Gebot, die Würde des Menschen zu achten, gilt für deutsche Soldaten auch in Ausnahmesituationen. Nicht nur weil es so noch immer als Erstes im Grundgesetz steht - Schily und sein Rollkommando sind bis dahin noch nicht vorgedrungen -, sondern vor allem auch in Erinnerung an die Wehrmachtsverbrechen. Zudem ist es nach geltendem deutschem Recht untersagt, Menschen an einen Staat auszuliefern, der sie mit Folter und Todesstrafe bedrohat, wie es die USA tun. Insofern müßte der deutschen KSK-Truppe sofort das Kommando zum Rückzug gegeben werden.

Aber da wir nun die Besten der Welt sind, können wir nicht zulassen, daß die ganze schurkische Welt nur die USA fürchtet. Also dann: Glückwunsch, Kanzler! Wachsen Sie weiter in die Rolle Kaiser Wihelms II. hinein, der, mit anderen Kolonialmächten, deutsche Soldaten zur Niederkämpfung des sogenannten Boxeraufstandes nach China schickte. Jetzt müssen Sie nur noch die »Hunnen-Reden« (»Pardon wird nicht gegeben!«) üben, mit denen der Hohenzoller damals weltweit imponierte - als Schreck- oder Spottfigur.

Erschienen in Ossietzky 5/2002