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Daß Rüstung, kommt sie zum Einsatz, Menschen tötet, lebensnotwendige Infrastruktur zerstört und die natürlichen Lebensbedingungen sinnlos schädigt, ist eine Binsenweisheit. Dennoch werden immer wieder grausame sogenannte konventionelle Kriege geführt - zum Nutzen der Rüstungswirtschaft. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint die weltweite Abrüstung in die Krise geraten zu sein. Dazu tragen maßgeblich die USA bei, die den ABM-Vertrag aufgekündigt und mit dem 200-Milliarden-Dollar-Auftrag an den Lockheed-Martin-Konzern zum Bau von 3000 Kampfjets F-35 das größte Rüstungsprojekt aller Zeiten gestartet haben. Im vergangenen Jahr wurde der 329-Milliarden-Dollar schwere Rüstungsetat der USA nach dem 11. September um 60 Milliarden Dollar erweitert. Der US-Militärhaushalt macht etwa die Hälfte der weltweiten Militärausgaben aus. Seit langem dringt Washington darauf, daß Europa einen größeren Finanzierungsanteil bei der weltweiten Durchsetzung »westlicher Interessen« übernimmt. Davon wäre auch Deutschland betroffen. Hier war zunächst einmal seit 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung und der damit verbundenen Übernahme der ehemaligen Nationalen Volksarmee, der Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14 des Bundesetats, d.h. ohne den Aufwand für Militärpensionen, für Zivilschutz und für den Aufenthalt von Stationierungsstreitkräften auf dem Boden der Bundesrepublik und sonstiger Kosten nach NATO-Kriterien) von 57,5 Milliarden Mark auf knapp 46,9 Milliarden Mark im Jahre 2001 gesunken, d.h. um 18,6 Prozent. Außerdem waren die Militärausgaben von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den 1980er Jahren der Hochrüstung auf unter 1,5 Prozent zurückgegangen, und in der Rüstungsindustrie waren seit 1990 - freilich auch infolge von Rationalisierung und Automatisierung - mehr als zwei Drittel der Arbeitsplätze abgebaut worden. In jüngster Zeit mehren sich politische Stimmen, vor allem in der CDU/CSU und der FDP, die wegen angeblicher Unterfinanzierung der Bundeswehr eine nachhaltige Aufstockung der Militärausgaben fordern. Nach einer zwischen dem Bundeskanzler, dem Finanzminister und dem Verteidigungsminister im Juni 2001 getroffenen Vereinbarung sollte der Einzelplan 14 von rund 46,9 Milliarden Mark im Jahr 2001 auf 46,2 Milliarden Mark (23,621 Milliarden Euro) im Jahr 2002 sinken und danach in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2006 nominal konstant gehalten werden. Inflationsbedingt würde das eine reale Kürzung bedeuten. Daß die Militärs vom Sparkurs des Finanzministers nicht verschont bleiben dürften, galt in Anbetracht der bis 2006 vorgegebenen mittelfristigen Finanzplanung des Bundes, die Nettoneuverschuldung auf Null zu drücken, in der Regierungskoalition als ausgemachte Sache. Inzwischen gibt es aber bereits nennenswerte Abweichungen von dieser Linie einer mittelfristigen Rüstungsplanung. Dazu zählen die Sonderbelastungen der Bundeswehr aus dem Mazedonieneinsatz mit ca. 150 Millionen Mark und die erheblich schwerer ins Gewicht fallenden zusätzlichen Militärausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Mark für die internationale »Terrorismusbekämpfung«, namentlich für den Afghanistaneinsatz. So zeichnet sich für die nächsten Jahren wohl eher ein Anstieg der Ausgaben im Einzelplan 14 auf rund 48 Milliarden Mark (24,542 Milliarden Euro) ab. Außerdem stehen der Bundeswehr Mittel aus Verkäufen von Vermögenswerten und ausgemusterten Waffen ins Ausland (Rüstungsexporte) zur Verfügung, die im Einzelplan 14 nicht erfaßt werden; diese Einnahmen können sich jährlich auf mehr als anderthalb Milliarden Euro summieren. Auch ein erhebliches Rationalisierungspotential in der Bundeswehr und daraus geschöpfte »Effizienzgewinne« (Minderkosten) führen nicht einer Kürzung des Militäretats, sondern können zur Modernisierung und zur Anschaffung neuer Rüstungsgüter verwendet werden. Dieselbe Bundesregierung, die unter allen Umständen an ihren Sparzielen festhalten will und deswegen dringend notwendige staatliche Zivilausgaben zur konjunkturellen und strukturellen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kürzt, hat offensichtlich keine Probleme Bedenken, trotz vorhandener Einsparpotentiale in der Bundeswehr zusätzliche Militärausgaben in den Haushalt einzustellen. Selbst daß sie fast einen »blauen Brief« von der EU-Kommission erhalten hätte, scheint sie insofern nicht zu beeindrucken. Nachdem sie nun aber verkündet hat, daß sie schon 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen werde, ist zu befürchten, daß die zusätzlichen Militärausgaben, wenn die bereits beschlossenen Steuererhöhungen für Tabak und Versicherungen dafür nicht ausreichen, jetzt nur noch durch Kürzungen im sozialen Bereich kompensiert werden können. Zudem ist absehbar, daß nicht nur wegen der aktuellen Kriege, an denen sich die Bundesrepublik beteiligt, die Militärausgaben schon in Kürze weiter steigen werden - jedenfalls dann, wenn die Bundesregierung an der vorgesehenen Personalplanung festhält, die bis 2010 etwa 285.000 Soldaten und 80.000 bis 90.000 Zivilbedienstete vorsieht. Auch die Ausgabenrisiken. für Materialerhaltung dürfen nicht unterschätzt werden. Eine starke Lobby verlangt überdies zur Modernisierung der Bundeswehr die Aufstockung des Anteils für militärische (sog. verteidigungsinvestive) Beschaffungen auf das Niveau von 30 Prozent des Verteidigungshaushalts wie in den 1980er Jahren. Darin stimmen rechtsliberale Politiker von CDU/CSU/FDP und die Rüstungsindustrie überein; letztere fordert sogar einen Anstieg auf 40 Prozent; der Verteidigungshaushalt würde dann auf rund 60 Milliarden Mark (30,677 Milliarden Euro) wachsen. Auch der Arbeitskreis »Wehrtechnik und Arbeitsplätze« der IG Metall verlangt in einem Positionspapier, »den Streitkräften mehr investive Mittel zur Verfügung« zu stellen. Gibt die Regierung - welche es von Herbst an auch sein mag - diesen Forderungen auch nur teilweise nach und bleibt sie bei der avisierten Personalplanung bis 2010, so wird das bisher vorgesehene Ausgabenlimit von nominell jährlich gut 23,5 Milliarden Euro keinesfalls ausreichen. Was muß geschehen? Erstens sind kurzfristig alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, die Ausgaben nicht über dieses Limit, das bis 2006 gelten soll, ansteigen zu lassen, sondern Kosten zu senken. Vorstellbar ist zum Beispiel eine Verringerung des personellen Präsenzumfangs der Bundeswehr bis zum Jahr 2010 auf 245.000 Soldaten (165.000 Berufs- und Zeitsoldaten und 80.000 Wehrdienstleistende) sowie rund 85.000 Zivilbedienstete (Vollzeitstellen). Zweitens sind die noch im Bundeswehrplan 1997 enthaltenen 215 Rüstungsprojekte mit einem Ausgabenvolumen von rund 220 Milliarden Mark (112,484 Milliarden Euro) drastisch zu kürzen und durch ein nachhaltiges Rüstungskonversionsprogramm zur Sanierung der Umwelt zu ersetzen. Vorrangig ist der Verzicht auf die Beschaffung von 73 Transportflugzeugen des Typs Airbus A 400 M. Allein dieses Projekt kostet nach Preisen des Jahres 2001 mehr als 8,6 Milliarden Euro (deutscher Anteil). Hauptnutznießer in Deutschland ist Daimler-Chrysler Aerospace (DASA). Falls man meint, nicht vollständig auf ein neues Transportflugzeug verzichten zu können, gibt es preiswertere und sogar technisch überlegene Alternativen, die im Ausland beschafft werden könnten. Sollten allerdings die beiden genannten Handlungsmöglichkeiten zur Konsolidierung des Verteidigungshaushalts nicht schnell und zielstrebig genutzt werden, droht eine Kosteneskalation mit weit böseren Folgen als einem »blauen Brief« aus Brüssel. In Anbetracht der in Maastricht festgelegten Staatsverschuldungskriterien sind dann schlimmste Amputationen am eh schon verstümmelten Sozialstaat zu befürchten. Schreibt blaue Briefe gegen die Aufrüstung!
Erschienen in Ossietzky 5/2002 |
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