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Das Foto von seinem Transport zum Gericht – wie er nach neun Tagen geheimdienstlicher Verhöre und schwerster Folter kraftlos zwischen zwei Polizisten hing – ging um die Welt. Die türkischen Massenmedien waren empört, aber nicht etwa wegen der Folter, sondern wegen der Veröffentlichung dieses Bildes, weil damit das Ansehen des türkischen Staates beschädigt worden sei. Die Hauptverhandlung gegen Soysal, der früher schon acht Jahre im türkischen Militärgefängnis Diyarbakir gesessen und schwere Folter erlitten hatte, dauert nun fast zwei Jahre. Schon im Dezember 2000 hatte die Staatsanwaltschaft nach halbjähriger Verhandlung in einem zwanzigminütigen Schlußplädoyer die Todesstrafe gefordert, anschließend wurde jedoch die »Beweisaufnahme« fortgesetzt. Als »Beweismittel« fungierten Computer- Disketten, deren Herkunft vor Gericht nicht nachgewiesen wurde, sowie Tonbandmitschnitte abgehörter Telefonate, die dem Gericht nicht vorgespielt wurden. Der Antrag der Verteidigung, durch unabhängige Sachverständige klären zu lassen, daß auf dem Tonband nicht Cevat Soysals Stimme zu hören ist, wurde abgelehnt. Das Gericht begnügte sich mit schriftlichen Übersetzungen vom Kurdischen ins Türkische – wohl um zu vermeiden, daß jemals die kurdische Sprache in den Gerichtssaal einzieht, wenn auch nur auf Tonband. Am 32. Hauptverhandlungstag, dem 5. Februar 2002, beendete die Verteidigung ihr Schlußplädoyer, und Cevat Soysal trug sein »letztes Wort« vor. Cevat Soysal, dem vorgeworfen wird, als »die Nr. 2 der PKK« in eine Reihe terroristischen Anschlägen nach Öcalans Entführung im Februar 1999 verwickelt gewesen zu sein, wies die Vorwürfe zurück und betonte: »Ich bin unschuldig, habe mit den Vorwürfen nichts zu tun und verlange Freispruch!« Ausführlich legte er dar, wie von ihm verlangt worden war, Aussagen zu machen, die westliche Regierungen, Minister, Abgeordnete, Schriftsteller und demokratische Organisationen belasten sollten, sie hätten eine Rolle in terroristischen Aktivitäten gespielt, die der PKK angelastet werden. Solche Behauptungen waren in den ihm untergeschobenen Computerdisketten enthalten. Cevat Soysal berichtete detailliert von der Folter, der er ausgesetzt war, und seinen Gesundheitsproblemen, die sich dadurch verschärften, daß seine Hepatitis B zweieinhalb Jahre lang nicht behandelt wurde, obwohl er und seine Anwälte dies immer wieder forderten: Kürzlich zeigte sich, daß die Erkrankung tödlich verlaufen wäre, wenn man die Behandlung nur noch ein wenig länger aufgeschoben hätte. In seinem »letzten Wort« betonte er: »Ich glaube mit ganzem Herzen, daß – was immer das Urteil sein wird – die Geschichte und die Menschheit mich freisprechen werden... Vom Moment meiner rechtswidrigen Entführung an wurde das Recht zerstört... Ein politischer Fall wurde reduziert auf den ›Terror-Vorwurf‹, und das Urteil wurde der Welt schon Monate vorher mitgeteilt... Trotzdem habe ich Erwartungen für eine lichtvolle Zukunft der Türkei... und in der Türkei ist es eine soziale Pflicht, die nicht aufgeschoben werden kann, dem Frieden zu dienen. Dieses und nur dies sind meine letzten Worte.« Gegen das absehbare Todesurteil im nächsten Hauptverhandlungstermin, dem 5. März, wäre eine Revision zum Kassationsgerichtshof möglich. Außerdem könnte die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängige Beschwerde ausgedehnt werden auf die Anfechtung dieses Urteils. Vor allem aber sind die Verantwortlichen in Deutschland, wo Cevat Soysal Asyl erhalten hat, aufgerufen, alles zu tun, damit er frei kommt, zu seiner Familie zurückkehren und die Folterfolgen behandeln lassen kann. Bevor man hierzulande über die Auslieferung von 150 angeblichen »Terroristen« an die Türkei verhandelt und bevor sich die Bundeswehr im sogenannten »Krieg gegen den Terror« demnächst in Afghanistan dem Kommando türkischer Offiziere unterstellt (die Türkei will sich auch maßgeblich an dem geplanten US-Überfall auf den Irak beteiligen), ist es hoch an der Zeit, laut und deutlich über den Terror des türkischen Militärregimes zu sprechen, dem schon viele Tausende Kurden zum Opfer gefallen sind. >
Erschienen in Ossietzky 4/2002 |
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