Schönheit und Zauber

von Matthias Biskupek

Ganz offensichtlich bin ich kein Intellektueller. Denn nach der Festlegung unseres Kultur-und-Schönheits-Ministers Nida-Rümelin sind Intellektuelle verdrossen und schreiben und reden nicht mehr über Politik, nur noch über Wetterlagen und wilde Gefühle. Nun gibt es über ganz Berlin derzeit keinen wolkenlosen Himmel, hingegen eine gewisse rot-rötliche Bedeckung. Und über die will ich unverdrossen spekulieren.

Der K-Kandidat Stoiber hat Berlin wegen der PDS eine Gute Nacht gewünscht. Das ist doch ein positiver Ansatz: Wann wünscht ein Bayer den Preußen schon mal was Gutes? Er hat auch vom Treppenwitz der Weltgeschichte gesprochen - als Bayer hat man halt einen Humor. Werner Schulz von den Grünen meint: Der PDS gehe es nur um Machtbeteiligung. Sie wolle über Berlin und Magdeburg die drittstärkste Kraft der Bundesrepublik werden.

Offensichtlich wollen die Grünen das nicht, sondern einen hervorragenden fünften Platz im Parteienspektrum festigen. Dabei sehen wir doch gerade an den Grünen, wie die Macht eine Partei so ungemein verändert. Und der PDS wird ja nun seit elf Jahren von allen anderen Parteien gesagt, sie möge sich wandeln. Manche sprechen davon, sie muß nur entzaubert werden. Wie ist das also, wenn Hexenmeister Gysi entzaubert wird? Ich stelle mir lauter Wirtschaftskapitäne vor, die rufen: Fort mit Spuk und Roter Magie. Nicht mehr das Hexeneinmaleins mag gelten, sondern die absolut logischen, absolut einsehbaren Börsendaten.

Warum also die Aufregung um die PDS? Schaun wir doch mal ihre Vorgängerpartei an. Ich meine jene, die vor ihr das Image der Schmuddelkinder hatte: die schon lobend erwähnten Grünen.

Die Grünen sind an der Macht. Im Bund. Und sie sind an der Macht ganz schön anders geworden - zumindest ihre Führungsfiguren. Zwar wollen sie noch den Müll trennen, aber nicht mehr Amt und Mandat. Zwar sind sie noch für saubere Energie, aber wenn es Mix-it-Baby-Power gibt, haben sie auch nix dagegen. Die oberste Friedenskämpferin der Grünen ist mittlerweile mit einem Major verbandelt, und die grüne Farbe ist genau besehen ein Mix aus Blau und Gelb. Insofern ist es der FDP derzeit ein Leichtes, die Grünen links zu überholen.

Was also wird sein, wenn die PDS nur lange genug mitregieren darf? Sie wird aus dynamischen Politikern bestehen, die wissen werden: Nur das Machbare ist möglich. Oder heißt es: Allein das Mögliche ist machbar? Egal, sie werden mit fest zusammengebissenen Zähnen "Bundeswehreinsatz" murmeln, aber sie werden mitmurmeln. Und da sie neuerdings von bleibender Schuld sprechen, werden sie als gesamtdeutscher Schuldabladeplatz für den gesamten Kalten Krieg die Universalpartei sein. Ist das nicht wahre Arbeitsteilung im demokratischen Parteienspektrum? Bislang nannte sich die PDS auch "Kulturpartei". Im Koalitionsprogramm kommt ungefähr in der Mitte die "Sportstadt Berlin" und ganz am Ende die "Kulturstadt Berlin" vor, wo es dann heißt, daß der Kulturplafond in bisheriger Höhe bleibe, abgesenkt um ein paar Millionen Euro Einsparung. Ein Plafond ist, wenn ich mich richtig erinnere, eine Decke, eine künstlerisch gestaltete allerdings. Die Decke nun ist in der bundesdeutschen Kultur immer zu kurz. Aber wenn wir sie Plafond nennen, beweisen wir doch eine gewisse Feinheit, eine gewisse Eleganz, kurz, eine gewisse Nida-Rüme-Linie. Nun habe ich doch wenigstens den Bogen bekommen - wenn auch nicht ganz so elegant wie unser aller Schönheitsminister.

Erschienen in Ossietzky 2/2002