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Dazu einen Fragebogen, in dem nach Mitgliedschaft in einer oder mehreren der genannten Organisationen oder sonstiger Unterstützung gefragt wird. Neben den im Abschnitt »Rechtsextremismus« genannten faschistischen Formationen und Terrorgruppen wie NPD, Bürgerinitiative Ausländerstopp, Gesellschaft für freie Publizistik e.V., der Deutschen Division von Blood & Honour sowie zahlreichen Al-Kaida-Ablegern findet man in dem seitenlangen Verzeichnis unter »Linksextremismus« auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Die bundesweite antifaschistische Organisation, die 1947 von KZ-Überlebenden und aus dem Exil zurückgekehrten NS-Verfolgten gegründet wurde und sich der Gewaltfreiheit verpflichtet fühlt, in einer Reihe mit faschistischen Terrorgruppen? Näheres liefert der jährliche bayerische Verfassungsschutzbericht. Der Text über die VVN-BdA wird seit Jahrzehnten fast gleichlautend von Jahr zu Jahr übernommen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass sich in der überparteilichen, überkonfessionellen VVN (seit der Öffnung für Menschen, die nicht selbst verfolgt wurden, im Jahr 1971 VVN-BdA) von Anfang an auch Kommunisten organisierten. Schließlich wurden sie von den Nazis mit besonderem Eifer verfolgt und bildeten einen großen Anteil des deutschen Widerstands. Daraus wird ein »kommunistisch orientierter Antifaschismus« konstruiert, bei dem antifaschistische Aktivitäten angeblich dazu dienen, »Einfluss auf demokratische Institutionen, Organisationen und Repräsentanten auszuüben bzw. ihn bei diesen zu gewinnen«. Originalton Verfassungsschutz: »Linksextremisten nutzen den breiten gesellschaftlichen Konsens gegen den Rechtsextremismus für ihre politischen Ziele, die allerdings weit über die Bekämpfung des Rechtsextremismus hinaus reichen.« Dabei sollen »öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen .. der Organisation .. einen demokratischen Anstrich verleihen«. Wie sehr doch diese Geheimdienstleute nur in ihren eigenen Kategorien denken können! Als Träger »linksextremistischer Beeinflussung« wurde im bayerischen Verfassungsschutzbericht 2010 Ernst Grube genannt. Als Neunjähriger war er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern ins KZ Theresienstadt verschleppt worden. Durch die Rote Armee befreit, schloss er sich später der KPD an und ist bis heute Mitglied der DKP. Er bekleidet zahlreiche Ämter in angesehenen Organisationen und wurde von der Landeshauptstadt München mit der Medaille »München leuchtet« geehrt. Mittlerweile 82 Jahre alt, wird er nicht müde, bei Schulveranstaltungen, offiziellen Gedenkstunden, antifaschistischen, antirassistischen und Antikriegskundgebungen zu sprechen und über den verbrecherischen Charakter faschistischer Bewegungen aufzuklären. Ernst Grube als einer, der »einen demokratischen Anstrich verleihen soll«? Das ist so hanebüchen, dass selbst CSU-Politiker wie Karl Freller, Stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, gemeinsam mit Sozialdemokraten, Grünen, Gewerkschaftern und Kirchenleuten dagegen vorgingen. Grube wird in den VS-Berichten der letzten Jahre nicht mehr genannt – beobachtet wird er ausdrücklich immer noch. Besonders suspekt ist den bayerischen Verfassungsschützern, dass in der VVN-BdA auch die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus gestellt wird – ohne dass es eine einheitliche Meinung dazu gibt. In der geheimdienstlichen Interpretation wird daraus die unsinnige Behauptung, dass »alle nicht-marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet (werden), die es zu bekämpfen gilt«. Da bleibt nicht nur die Logik auf der Strecke. Der Versuch, die politische Auseinandersetzung auf herrschaftskonforme Meinungen einzuschränken, beschädigt die Demokratie. Die genannten Unterstellungen dienen dazu, das Ansehen ehemaliger NS-Verfolgter und Widerstandskämpfer herabzusetzen, die antifaschistische Tätigkeit zu behindern und die VVN-BdA zu isolieren (viele Lehrer trauen sich zum Beispiel nicht, Mitglieder der VVN-BdA als Referenten einzuladen, öffentliche Veranstaltungsräume werden der VVN-BdA verwehrt, Mitveranstaltern Fördergelder gestrichen). Seit 2009 droht der Entzug der Gemeinnützigkeit, wenn eine Organisation auch nur in einem Bundesland im Verfassungsschutzbericht genannt wird. Das bedeutet: Steuernachzahlung für zehn Jahre oder Übertragung des gesamten Vermögens an eine andere gemeinnützige Organisation. 2011 reichte der Landesverband Bayern der VVN-BdA beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Freistaat Bayern ein und verlangte die Streichung aus den Berichten. Anfang Oktober 2014 wurde die Klage abgewiesen. Fünf Monate brauchte das Gericht, um seine Begründung zu Papier zu bringen. Dabei hatte der Verfassungsschutz schon das meiste vorformuliert. Berufung gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, die Zulassung muss jetzt erstritten werden. Die Entscheidung über den Entzug der Gemeinnützigkeit wurde von der Finanzverwaltung bis zum Abschluss des Rechtsstreits zurückgestellt. Unter der Adresse www.solidaritaet-vvn.de läuft zurzeit eine Unterschriftensammlung zu einer Gemeinsamen Erklärung »Für eine offene Gesellschaft! Gegen die Diffamierung der VVN-BdA!«. Die Erklärung richtet sich an die bayerische Staatsregierung mit der Forderung, die Diffamierung der VVN-BdA zu beenden und die Organisation nicht mehr im bayerischen Verfassungsschutzbericht zu nennen. Bitte unterschreiben!
Erschienen in Ossietzky 20/2015 |
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