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Aber auch Kinder und Jugendliche bevölkerten zahlreich die Festivalleinwand, nicht zuletzt in Hauptrollen wie in Edward Bergers »Jack«. Womit wir schon bei den deutschen Wettbewerbsbeiträgen wären, vier an der Zahl, auch dies ein Rekord. Der Film des Grimme-Preisträgers Berger lebt ganz von seinem zehnjährigen Hauptdarsteller Ivo Pietzcker als Jack, der sich für seinen kleinen Bruder Manuel verantwortlich fühlt, mit dem er auf der Suche nach ihrer Mutter Berlin durchstreift. Beide übernachten in Parks und einer Tiefgarage, dehnen das aktuelle Thema Kindesvernachlässigung ohne Denunziation der Mutter, aber auch auf Kosten der Glaubwürdigkeit, etwas zu sehr. Ich fühlte mich ein wenig an das DDR-Pendant »Sabine Kleist, 7 Jahre« von Helmut Dziuba (DEFA 1982) erinnert. Daß Dominik Graf, nicht zuletzt bekannt durch ambitionierte Fernseharbeiten, aber auch als Vertreter anspruchsvollen Autorenkinos Stammgast der Berlinale, ausgerechnet mit einem Kostümfilm in die Bären-Konkurrenz ging, stimmte zunächst einmal skeptisch, zumal sein Held Friedrich Schiller hieß. In »Die geliebten Schwestern« ging es um eine Ménage-à-trois des Dichters und zweier Schönheiten aus thüringischem Landadel vor dem Hintergrund der Französischen Revolution und der Entwicklung des Buchdrucks. 170 Minuten werden dabei nie langweilig oder historisch belehrend. Grafs Erzählung einer leidenschaftlichen Liebe voller Höhen und Tiefen gegen alle Konventionen atmet den Geist von ’68 mit ihren Protagonistinnen Hannah Herzsprung und Henriette Confurius zumindest einen Preis für die besten Schauspielerinnen verdient. Schiller-Darsteller Florian Stetter konnte seine Wandlungsfähigkeit in einem weiteren deutschen Wettbewerbsbeitrag beweisen, für den Anna und Dietrich Brüggemann den Drehbuchpreis erhielten: In »Kreuzweg« verkörpert Stetter einen fundamentalistischen katholischen Priester. Im Mittelpunkt steht aber das 14jährige Mädchen Maria (sensibel Lea van Acken), das zwischen normalen Teenagerbedürfnissen und den strengen Regeln der Priesterbruderschaft Pius XII. zerrieben, am Ende Opfer wird. Schuld trägt vor allem die ganz Gehorsam gegenüber der traditionalistischen Lehre fordernde Mutter. Dem Wunsch der Tochter, in einem Kirchenchor mitzusingen, der auch so »satanische« Musik wie Soul in seinem Repertoire hat, widersetzt sie sich umso mehr als sie dahinter Interesse an einem Schulfreund wittert. Was da noch in einer authentischen süddeutschen Umgebung an Obskurantismus lebt, möchte man kaum für möglich halten. Aber es kann auch stellvertretend stehen für alle fundamentalistischen Ausprägungen von Religion, woran es heute weltweit keinen Mangel gibt. Religion kann eben nicht nur Opium für das Volk sein, sondern auch Sprengstoff. Regisseur Dietrich Brüggemann gliedert den Irrweg falsch verstandenen Gottesglaubens seiner Protagonistin in die 14 Bilder von Jesu Kreuzweg, visualisiert in 14 Tableaus ruhiger Einstellungen, wobei mich die entsprechenden Kapiteleinteilungen nicht überzeugt haben, könnten sie doch als Identifikation mit dem Irrweg Marias wirken. Der aktuellste deutsche Wettbewerbsbeitrag kam von einer Frau, der gebürtigen Wienerin Feo Aladag, Jahrgang 1972. Für »Zwischen Welten« mußte sie am weitesten reisen: nach Afghanistan. Was sie von dort hautnah vermittelt, führt nachvollziehbar die wichtigsten Probleme vor, die den dortigen Bundeswehreinsatz so fragwürdig machen: die Kluft zwischen Soldaten und einheimischer Bevölkerung, aber auch Konflikte innerhalb der Truppe, wenn vorgesetzte Militärbürokraten unflexible Sturheit gegen humanitäres Handeln setzen. Der junge Dolmetscher Tarik wird als »Verräter« immer wieder von Landsleuten mit dem Tode bedroht, erhält aber nicht das benötigte Visum, um sich mit den abziehenden deutschen Truppen in Sicherheit zu bringen. Nachdem seine Schwester von einem Attentat fast verblutet wäre, wovor sie nur das Disziplinarvergehen von Tariks deutschem Freund bewahrt, wird sie in einer Schlußsequenz noch als erfolgreiche Studienabsolventin vorgeführt – Zugeständnis an die zahlreichen Unterstützer von Aladags Projekt, an der Spitze Deutschlands Verteidiger am Hindukusch Steinmeier. Einen sonst eher schwachen Festivaljahrgang kompensierte die Berlinale wieder mit dem üblichen Starrummel. Teile des Publikums interessierte ohnehin vor allem, ob denn George Clooney käme. Für seine Präsenz nahm Berlinale-Chef Dieter Kosslick dann auch einen nicht festivalreifen, schlechten Film in Kauf: »The Monuments Men« erzählt unter Clooneys Regie und Mitwirkung, wie eine US-Spezialeinheit in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs nach Kunstschätzen fahndet, die von den Nazis versteckt wurden. Aktualität gesichert durch den Fall Gurlitt. Wer mehr wissen wollte, erfuhr vom Titelblatt einer Boulevardzeitung, daß Clooney seine erste Berlinale-Nacht für 192.000 Euro in einem Luxushotel verbracht und bereits erste Küßchen verteilt hatte Schon der Eröffnungsfilm war nach dem Kriterium ausgewählt worden, wieviel beteiligte Prominenz er wohl auf dem roten Teppich versammeln würde. Aber auch der literarische Bezug auf Stefan Zweig machte »The Grand Budapest Hotel« in seiner zunehmend langweilenden Wirrnis der Zwischenkriegszeit voller skurriler Absurditäten nicht einladender. Das hinderte die internationale Jury freilich nicht daran, Regisseur Wes Anderson dafür ihren Großen Preis zuzuerkennen. Daß Jury-Entscheidungen immer wieder für Überraschungen gut sind, bewies auch die Vergabe des Goldenen Bären an den Chinesen Diao Yinan für »Bai Ri Yan Huo« (Black Coal, Thin Ice). Ein Film noir aus China: Das ist neu. Am Ende der Aufklärung einer mysteriösen Mordserie in einer nordchinesischen Kleinstadt steht ein Tagesfeuerwerk. * Wer diesmal einen Film der »Berliner Schule« im Berlinale-Programm vermißte, fand außerhalb des Kinos als Ersatz eine Berliner Politposse. Rund um den abwesenden Hauptdarsteller Edathy ein illustres GroKo-Ensemble, das Autor Herbert Fritsch für »Murmel Murmel II« empfohlen werden könnte.
Erschienen in Ossietzky 6/2014 |
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