Zur normalen Fassung

Aufruf zum sozialen Widerstand gegen die Zumutungen des Neoliberalismus

Umrisse einer demokratischen Alternative zum Europa der Eliten?

von Wilfried Gaum

Das Manifest für ein egalitäres Europa von Karl Heinz Roth und Zissis Papadimitriou Rezension: Karl Heinz Roth/Zissis Papadimitriou; Die Katastrophe verhindern; Manifest für ein egalitäres Europa, Edition Nautilus Hamburg 2013, 128 Seiten

Roth und Papadimitriou machen den gewiss nötigen Versuch, angesichts des weitgehenden und unverständlichen Schweigens der progressiven Organisationen in Mittel- und Nordeuropa eine politische und soziale Mobilisierung gegen die weiterhin herrschende neoliberale Hegemonie und die daraus resultierenden Politiken zu initiieren. Ob aber dieses Manifest eine adäquate Antwort auf das wachsende Massenelend im Süden Europas und insbesondere in Griechenland und Portugal darstellt, das scheint mir fraglich.

Das Manifest verbindet eine Bestandsaufnahme der aktuellen Verlaufsformen der neoliberalen Hegemonie mit einer Charakteristik der dominanten Rolle der Bundesrepublik in der aktuellen Situation. Diese geht den Autoren zu Folge unter anderem auf die Implosion des RGW-Blocks und die Einverleibung der DDR zurück. Sicher ist es richtig, dass die breite Mehrheit der DDR-Bevölkerung für die uneingeschränkte Übernahme des westdeutschen Wirtschaftsmodells gewonnen werden konnte. Das dies durch die Zerstörung der materiellen Voraussetzungen für einen selbstbestimmten Demokratisierungs- und Förderationsprozess neben einer drastischen Steigerung der Massenkaufkraft geschah, ist „objektiv“ ebenso richtig.

Zerstörung von Selbstbestimmungsräumen in der DDR?

Es ist aber kein Zufall, dass diese Chance eines Neuanfangs oder für eine reformierte eigenständige DDR nicht genutzt wurde. Für eine Selbstbestimmung, insbesondere einer durch die DDR-Arbeiterschaft, waren relevante politische Organisationskerne nicht vorhanden, war eine an den aktuellen Erfordernissen orientierte Strategie weder im Osten noch im Westen des vereinigten Deutschlands nicht vorhanden und waren theoretisch tragbare Analysen, was da gerade am Untergehen war, nicht einigungsfähig. In den staatskapitalistischen Diktaturen Ost- und Mitteleuropas haben die poststalinistischen Politiken kaum Raum gelassen für solche Bewegungen, hingegen wurden schon Jahre zuvor auch in den staatlichen Universitäten durch Fraktionen der Intelligenzija an Blaupausen für die neoliberale Transformation und praktische Ausplünderung ihrer Ökonomien gezeichnet.. Nach dem 17. Juni 1953 wurde in der Arbeiterschaft keine sozialistische Gegenkonzeption zum System der DDR entwickelt.

Nach diesem leicht errungenen Sieg der westdeutschen Eliten über ihr ostdeutsches Pendant zeichnete sich ab, dass der bereits sichtbaren neoliberalen Grundwelle noch einmal neue Energie zugeführt wurde und nunmehr alle Zugeständnisse im Rahmen des wohlfahrtsstaatlichen Kompromisses auf den Prüfstand gestellt werden würden. Der ökonomische Vorsprung und politische Machtzugewinn der Bundesrepublik in Europa wurde schließlich durch die „Agenda 2010“ ausgebaut. Der Umbau von einem statuserhaltenden zu einem lediglich existenzerhaltenden Sozialsystem ging zu Lasten der Unterklassen und führt zu einer rasant fortschreitenden, sozialrassistisch begründeten Spaltung der Gesellschaft. Nach einer kurzlebigen Mobilisierung der verbliebenen moralischen Ökonomie ist der Widerstand zumindest in Deutschland eher passiv, der Sieg der herrschenden Eliten unbestreitbar. Roth/Papadimitriou gehen zu recht von einem Diktat der Kernzone und Unterwerfung der Peripherie unter die Austeritätsprogramme der Troika aus. Massenwirksam abgesichert wird diese Politik in den Kernzonen mit der Behauptung, „die Staatsschulden seien die Krisenursache, und ihr Abbau sei der entscheidende Ansatz zur Krisenüberwindung…“(S. 38).

Neomerkantilismus?

Ob aber die Charakterisierung dieser Kernzone durch den Begriff „Neomerkantilismus“ zutrifft, scheint mir diskussionsbedürftig: zum Merkantilismus gehört die staatliche Festsetzung der Löhne – davon ist zumindest in der europäischen Kernzone (noch) nicht die Rede. Ebenso ist eines seiner Wesensmerkmale, dass die Staatseinnahmen energisch gesteigert werden, um neben einem stehenden Heer den Staatsapparat aufzubauen. So war der Merkantilismus durch Monopole und staatliche Preisregulierungen gekennzeichnet. Davon kann wohl im Zeitalter des Neoliberalismus nicht die Rede sein, wenn man den Begriff des Merkantilismus nicht weitgehend ohne Inhalt verwenden will. Zudem: hätte nicht schon in dieser Bestandsaufnahme eine Benennung und Analyse der sozialen Bewegungen, ihrer Mobilisierung und ihres Scheiterns gehört? Durch die von den Autoren gewählte Darstellungsweise gerät die Entwicklung einseitig „objektivistisch“.

Der Wechsel von einer Strategie der Forcierung von nachholenden Entwicklungen in den peripheren Ländern durch großzügige Kreditangebote zu einer Austeritätspolitik mit allen Folgeerscheinungen ist nichts, was dem Manifest Neuigkeitscharakter verleihen würde. Privatisierung des öffentlichen Sektors, Unterwerfung der Bereitstellung von Energieressourcen, Elektrizität, Wasser, Postverbindungen, Telekommunikation und Verkehrsdienstleistungen, die Destabilisierung und Privatisierung öffentlicher sozialer Sicherungssysteme zusammen mit der Rekommodifizierung der Arbeit sind politische Topoi, die auch heute noch auf der Tagesordnung der herrschenden Eliten stehen, selbstverständlich zu Lasten der abhängig Beschäftigten, der unteren Mittelschicht und der Unterklassen (S. 17f).

Was mir aber fehlt ist eine Basierung dieser Analyse auf die Entwicklungen in der „Realökonomie“: man muss nicht den tendenziellen Fall der Profitrate bemühen, um das sich in den 70er Jahren ausprägende Phänomen von anlagesuchenden Kapitalmassen festzustellen. Dieses Kapital fand auf den gesättigten Konsumgüter- und damit auch Investitionsgütermärkten keine attraktive Anlage mehr. Erst vor diesem Hintergrund lässt sich meines Erachtens erklären, dass die Nuclei des intellektuellen Neoliberalismus und der Anlage suchenden Kapitalfraktionen zueinander fanden. Als Resultat bildete sich eine politische Formation heraus, die alle die oben genannten Angriffe führte und dabei zu den Schocktherapien griff, die Naomi Klein so anschaulich analysiert hat. Aber es scheint mir wichtig zu sein, die Strategien der herrschenden Klassen aus dieser ökonomischen Kalamität zu erklären – andernfalls landet man in einem letztlich verschwörungstheoretischen Szenario.

Sind das Versagen der Arbeiterbewegung und der Zusammenbruch des Ostblocks ursächlich?

Roth/Papadimitriou führen die Durchsetzung dieser Strategie im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück. Erstens benennen sie den Schock des Untergangs der Sowjetunion und zweitens den strategischen Anpassungskurs der traditionellen Arbeiterbewegung.

Aber worin soll dieser Schock bestanden haben? Politisch war das sowjetische Modell spätestens seit den 1970er Jahren weder für die Arbeiter- noch die Unterschichten ein attraktives Gegenmodell zum Kapitalismus. Seinen Schrecken für die herrschenden Klassen des kapitalistischen Westens hatte es längst verloren, die Eliten dürften die Verschuldungssituation und den Zustand der osteuropäischen Ökonomie wie auch den Grad der Massenloyalität nur allzu gut gekannt haben. Die brutale Zerstörung des britischen Systems des Klassenkompromisses durch Thatcher ab 1979 (!), die systematische Marginalisierung der US-amerikanischen Gewerkschaften unter Reagan sowie die Diskussionen in der deutschen Sozialdemokratie um „Sozialismus in einer Klasse“ und eine an den Bedürfnissen der Kapitalmärkte orientierte Krisenpolitik ab 1980 zeigen, dass die herrschenden und politischen Eliten nicht mehr mit dem vielbeschworenen „dritten Tarifpartner“ rechneten. Wer außer ein paar unverbesserlichen Freunden der SU waren nach Gorbatschows Amtsantritt noch geschockt? Ich denke, dass es somit nicht eines Schocks bedurfte: es war vielmehr die überwältigende Dynamik und Energie, die dem Neoliberalismus aus dem Zusammenbruch des Ostblocks zuwuchs, der auch aus der betörenden Freiheits- und Indivdualitätsrhetorik sowie der sich diversifizierenden bunten Vielfalt der kapitalistischen Warenwelt resultierte.

Zum zweiten: zu Recht wird der strategische Anpassungskurs der traditionellen Arbeiterbewegung als Ursache benannt. Aber – und die Autoren gehen darauf an anderer Stelle durchaus ein (S.65f.) - : hatte dies nicht mit den Erfahrungen zu tun, die zunächst die französischen Sozialisten und Kommunisten 1981 nach dem Wahlsieg Mitterands und dem Versuch einer Neuauflage keynesianischer Arbeitsmarkts- und Sozialpolitik machen mussten: Kapitalflucht, Obstruktionspolitik und das faktische Ende keynesianischer Strategien im Rahmen nationaler Steuerungsmöglichkeiten. Die nicht-sozialdemokratische Linke war ganz überwiegend weder vor noch nach 1989 in der Lage, Voraussetzungen und Bedingungen für eine realistische emanzipatorische Politik zu diskutieren.[1]

Ist die Europäische Union eine imperialistische Supermacht?

In dem folgenden Abschnitt „Wie konnte es geschehen?“ (S. 44-79) werden die Ursachen für diese Lage diskutiert. Diesen Abschnitt halte ich für den schwächsten im Manifest. Das beginnt bereits mit der Kennzeichnung Europas als imperialistischer Supermacht unter deutscher Hegemonie. Von einem Imperialismus im Sinne eines einheitlich nach Außen militärisch agierenden aggressiven politischen Subjekts dürfte – auch wegen der aus der imperialen und kolonialen Vergangenheit Frankreichs und Großbritanniens resultierenden Einflusszonenpolitik dieser Länder – nicht die Rede sein. Jugoslawien, der 2. Irakkrieg, Lybien, Mali bis hin zu Syrien: ich sehe nicht, dass hier eine einheitliche militärische europäische Supermachtstrategie erkennbar wäre.

Sicher finden diese Debatten statt, sicher hat es mannigfache militärische Interventionen der NATO und Bundeswehr außerhalb des Vertragsgebietes gegeben, das gescheiterte Afghanistanabenteuer an prominenter Stelle. Die treibende Kraft dahinter waren aber immer die USA, während Deutschland hier politisch wie faktisch sich als abhängige Militärhilfskraft gerierte. Wie der Interventionskrieg der NATO gegen Serbien, der unter US-amerikanischer Ägide stattfand, in eine solche Charakteristik passt – das hier eine militärisch-strategische Hegemonialstellung errichtet worden sein soll, unter der ein „EU-Imperium“ den ethnopolitischen Klein- und Kleinststaaten ihr „uniformes Konzept des Marktradikalismus“ aufgezwungen habe (S. 55f.), das hätte doch einer fundierten Begründung bedurft.

Das gilt auch für die von Roth/Papadimitriou entwickelte Konstruktion, dass „der einsetzende imperiale Aufstieg der Europäischen Gemeinschaft“ durch die globale Hegemonialmacht „eingerahmt“ worden (S.62), aber die EU mittlerweile zur imperialistischen Supermacht aufgestiegen sei und sich in eine Rivalität mit China und den übrigen führenden Schwellenländern begeben habe (S.63). Ist es auch hier nicht die politisch induzierte „atlantische Solidarität“ mit den USA, die entgegen den Interessen bestimmter Fraktionen des europäischen Kapitals deren Spannungskurs mitträgt?

Nebenbei: ich halte es nicht für angebracht, im Kontext der Geschehnisse in Bosnien-Herzegowina 1992-1995 den Begriff der ethnischen Säuberung in Anführungsstriche zu setzen, wie das auf S. 54 getan wird. Das wird den organisierten Gräueln auf dem Balkan nicht gerecht.

Schengen als Konstituens für die imperialistische Supermacht Europa?

Im nächsten Abschnitt wird das Schengener Grenzregime als weiteres konstitutives Element für die Supermacht Europa analysiert (S. 57ff.). „Wer ein Imperium ausweitet und arrondiert, muss vor allem die äußere Grenze seines Herrschaftsbereichs im Blick halten.“(S. 57) Die Autoren verfolgen somit einen eher militärisch-politisch orientierten Ansatz als einen, der an Hilferding, Lenin oder Luxemburg geschult ist. Sie stellen einen direkten Zusammenhang her zwischen dem transnational liberalisierten Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr und der Einrichtung einer selektiven Absperrungskonzeption.

Warum das? Für das Kapital dürfte es eher hilfreich sein, wenn massenhafte Einwanderung von qualifizierten wie auch Elendsflüchtlingen die Bedingungen auf den Arbeitsmärkten noch weiter zu seinen Gunsten verändern würde. Weshalb ja auch kurzsichtige Sektoren der Unter- und arbeitenden Klassen rechtspopulistisch mobilisiert werden können. Als unerwünscht kann die Einwanderung „zumeist jugendlicher Subproletarier“ (S.80) ebenso aus politischen Gründen abgewehrt werden: wir leben noch in einem System von Nationalstaaten, deren Voraussetzung nun einmal neben einem gesicherten Staatsgebiet auch die Zuschreibung einer nationalen Zugehörigkeit bedarf, an der die Gewährung von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen hängt. Hier geht es eher um eine politisch gewollte Inklusion bzw. Exklusion von Subjekten, wie sich an der schrägen Diskussion um die Einbürgerung türkischstämmiger Menschen, „green card“ usw. in Deutschland zeigt.

Zur Rolle der Linken bei der kapitalistischen Restrukturierung Europas

„Unsere These lautet, dass vor allem die linken Strömungen des politischen Establishments die Unterwerfung der europäischen Unterklassen unter die veränderten Verwertungserfordernisse des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ermöglicht haben.“(S. 64) Nun sind die Fakten, die Roth/Papadimitriou im Anschluss daran ausbreiten, nicht zu bestreiten: die Alternative zwischen einer sozial-ökologischen Erneuerung des Keynesianismus in Verbindung mit einer Europäisierung eines solchen Konzepts versus einer weitreichenden Anpassungsstrategie, „um die als unumkehrbar eingeschätzte Transformation des Kapitalismus aktiv mitzugestalten.“, haben zunächst die sozialdemokratischen Parteien, dann die Eurokommunisten und schließlich auch die grünen Parteien mehr oder minder eindeutig beantwortet.

Trotz (oder wegen) ihres organisatorischen und programmatischen Niederganges bzw. ihrer völligen Marginalisierung (PCF, PCE und PSI) haben sie sich für einen Anpassungskurs entschieden. Dabei trauen die Autoren den eurokommunistischen Parteien retrospektiv eine deutlich größere Bandbreite an politischen Entscheidungsvarianten zu als den Sozialdemokraten: sie sollen die Option gehabt haben, sich einer „pluralistischen Debatte über die Perspektiven der Systemüberwindung“ zu öffnen, den Produktivitätspakt mit der kapitalistischen Wiederaufbau-Dynamik „wieder aufzukündigen“, „das von den Sozialdemokraten ausgeschlagene Projekt einer sozial-keynesianisch fundierten Demokratisierung des europäischen Integrationsprozesses auf ihre Fahnen schreiben“ und – wie geschehen – sich mit der Rolle eines Juniorpartners „eines historischen Kompromisses mit den Erfordernissen der kapitalistischen Restrukturierung“ abfinden (S. 69f).

Für die Grünen wird das Ganze ebenso durchbuchstabiert. Roth/Papadimitriou machen hier drei strategische Optionen aus: Öko-Sozialismus, Grüner New Deal und Anpassungspolitik oder „Realpolitik“ (S. 72).Nach der letzten großen innerparteilichen Umschichtung in den Jahren 2002 bis 2005 seien die Grünen „integraler Bestandteil des politischen Establishments“, bis zu 40% repräsentierten sie „die liberal-ökologischen Lebenswelten der überdurchschnittlich qualifizierten, wohlhabenden und häufig verbeamteten Gruppe der städtischen Mittelschichten.“

Der Verfall der repräsentativen Demokratie

Die Autoren stellen fest, dass durch die Metamorphose der Sozialdemokratie und der Grünen sowie den Untergang der kommunistischen Traditionslinken zwei Drittel der Bevölkerung der EU-Mitgliedsländer ihre politische Repräsentation verloren hätten (S. 75). Das sieht davon ab, dass selbst in den Hochzeiten der reformistischen bis revolutionären Mobilisierungen nach 1968 in Westeuropa die Sozialdemokratie, Linkssozialisten etc. nie mehr als knapp die Hälfte der Wählerschaft repräsentierten. Ebenso unpräzise bleiben Roth/Papadimitriou, wenn sie davon sprechen, dass „es eine derart weitreichende institutionelle Marginalisierung der breiten Mehrheit der Gesellschaft … es in den repräsentativ-demokratischen verfassten Nationalökonomien Europas zuvor nicht gegeben“ habe. Sie vergessen, dass es repräsentative Systeme schon lange in Europa gibt, allerdings die Frage, wer denn zum Demos gehörte, erst mit der Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Wahlrecht für beide Geschlechter nach 1917 in der noch heute geltenden Form beantwortet wurde. Und ist es schon vergessen, dass diese repräsentativen Demokratien durch die Sozialrevolten 1968ff. gezwungen werden mussten, Minderheitenrechte und kulturelle Vielfalt nicht alleine als Problem des Polizeiknüppels zu betrachten?

Dass eine Arbeitszeitverkürzung zu allen Zeiten – und nicht nur - des Kapitalismus eine vernünftige Sache ist, scheint mir unbezweifelbar. Ob aber die These stimmig ist, dass erst die Verkürzung der Arbeitszeit Voraussetzung dafür war, „dass die arbeitenden Klassen in der die politische und gewerkschaftliche Arbeiterbewegung tragenden Infrastruktur… tätig sein konnten“, steht auf einem anderen Blatt. Die Organisationen der Arbeiterbewegung sind ja zu Zeiten eines 12 bis 16-Stundentages entstanden, von den Chartisten bis zu den deutschen Gewerkschaften. Ebenso zweifelhaft erscheint mir die These, dass die soziale Selbstorganisation nicht mehr in Gang gehalten werden kann und die öffentlichen Belange verkümmern, weil die subalternen Klassen nicht mehr über die dafür erforderliche disponible Zeit verfügen. Verfügen diese nicht über Internet, -Mail und Skype, um eine Ausweichmöglichkeit für das gemeinsame Tagen zu haben? Sicher ist diese disponible Zeit durch den erbarmungslosen Produktivismus und entsprechende Reproduktionszeiten unter Druck geraten – aber die subalternen Klassen frequentieren dennoch ja auch – und wenn man den Ertrag vieler linker Zusammenhänge betrachtet auch mit allem Recht - im erheblichen Maße unpolitische Freizeitangebote.

Im Übrigen sprechen die jährlichen Steigerungsgraten des sogenannten bürgerschaftlichen Engagements oder die in spontaner Selbstorganisation gerade aus den subalternen Klassen entstandenen Komitees zur Rettung der Deiche vor den Elbefluten in diesem Jahr eine andere Sprache. Vielleicht ist das Ausbluten der politischen und gewerkschaftlichen Strukturen ja auch dem Umstand geschuldet, dass bei den Beschäftigten heute jede Vorstellung davon verschwunden ist. Ausgerechnet von den Orten höchst entfremdeter bzw. fremdbestimmter Arbeit wie den Betrieben und Dienstleistungszentren wird heute kaum noch ein Impuls für Freiheit und Selbstbestimmung ausgehen können.

Was wollen die arbeitenden Klassen und Unterschichten?

Natürlich ist alles besser als die beschämende Passivität und die kaum mehr verhohlene Verweigerung jeder substanziellen Solidarität mit den Opfern der Austeritätspolitik durch deutsche Gewerkschaften und Mitte-links-Parteien. Aber – um eine meiner zentralen Kritiken vorwegzunehmen – man wird diese Haltung nicht nur auf das Schärfste moralisch verurteilen müssen, sondern auch eine Analyse der subjektiven Gründe für diese Haltung des Zusehens und der verweigerten Mitmenschlichkeit anstellen müssen. Diese aber fehlt. Deshalb ist auch der Ausgangspunkt des Manifests, dass „die“ arbeitenden Klassen und Schichten „beginnen, sich gegen diese Zumutungen zu wehren und nach Alternativen zu suchen“ zumindest zu einem guten Teil fragwürdig. Mindestens darf in Frage stehen, ob nicht – was gar nicht zu denunzieren ist – der aktuelle Widerstand lediglich den Status quo ante herzustellen wünscht. Und dieser Widerstand ist zunehmend mürbe geworden, weil der eigentliche Adressat der Forderungen, die Troika, nicht greifbar, der scheinbare Adressat aber machtlos ist und eine transnationale Perspektive nicht eingenommen wird. Wo diese in Ansätzen vorhanden war, bei der Occupy-Bewegung, hat die selbstgewählte Verweigerung politisch umsetzbarer Forderungen nicht weitergeführt.

Ein Teil der arbeitenden Klassen und Schichten findet ihre Alternativen in einer wohlstandschauvinistischen und rassistischen Abgrenzungspolitik gegen die Elendesten, Migranten und Flüchtlinge, die als Konsequenz der derzeitigen Herrschenden Politik Schutz und Lebenschancen in der Festung Europa suchen. Das taucht im Manifest auf, aber benennt nicht alle sozialen Akteure: „Europaweit nutzen neofaschistische Organisationen die sozialökonomische Selbstzerstörung der repräsentativen Demokratie zu demagogischen Stimmenfang und zu Gewaltakten gegen Flüchtlinge und soziale Minderheiten. Sie spielen das alte Spiel des Faschismus: Sie greifen die soziale Frage auf und leiten sie in die Kanäle einer hypernationalistischen Ethnopolitik weiter.“ (S. 10f)

Weiter hinten diskutieren Roth/Papadimitriou die zunehmende Desorientierung der arbeitenden Klassen und unteren Mittelschichten auf dem politischen Terrain und kritisieren anhand einer Vielzahl von Beispielen, wie das Vakuum, das die klassischen Organisationen der Arbeiterbewegung hinterlassen haben, durch solche unappetitlichen Nachfolger wie den Front Nationale, die Lega Nord oder die ungarische FIDESZ ausgefüllt worden ist (S. 78). Es reicht für eine realistische Analyse aber nicht aus, das Ausmaß der politischen Desorientierung der arbeitenden Klassen als „bedenkliche Ausmaße“ annehmend zu beschreiben. Roth/Papadimitriou kritisieren an einer Stelle (S. 78), dass die Sozialisten sich aus den Arbeiterquartieren Marseilles zurückzogen und damit dem Front National Platz gaben.

Könnte es nicht sein, dass in denselben Quartieren dieselben Menschen auch schon während der Anwesenheit der PS rassistisch und chauvinistisch waren? Waren es nicht Bürgermeister der PC, die in den 80er Jahren die Behausungen von Migranten mit Bulldozern zusammenschieben ließen? Warum sind in den östlichen Bundesländern die Neonazis trotz jahrzehntelanger dichter Präsenz der SED und Massenorganisationen so stark? Warum konnten denn die Rechtspopulisten und Neofaschisten hier anschließen, wenn nicht die Sozialmilieus dafür bereit und willens waren? Es dürfte ein fataler Fehler sein, wenn es den demokratischen Gegenkräften wieder nicht gelingt, hier nicht nur zu beschreiben, sondern analytisch tiefer zu bohren. Eine solche Analyse ist schon deshalb unabdingbar, weil die Hass- und Gewaltpotenziale, die in diesen Bewegungen präsent sind, für jede Form von Demokratie gefährlich sind und auf keinen Fall unterschätzt werden dürfen.

Der soziale Widerstand – Umrisse einer Alternative?

Im letzten Drittel des Manifests unternehmen Roth/Papadimitriou den Versuch, ein neues politisches Subjekt für den Widerstand zu definieren und ein Aktionsprogramm zu entwickeln, das eine demokratische und soziale Alternative zum Europa der Eliten anstrebt – die föderative Republik Europa (S. 80ff.).

„Klar ist zunächst: Das klassische historische Subjekt der traditionellen Linken, die industrielle Arbeiterklasse, ist als führender und vorantreibender Akteur ausgefallen.“(S.81) Das ist für Autoren wie Karl-Heinz Roth, der eine solche Illusion schon seit Ende der 60er Jahre nicht teilte, keine wirklich neue Erkenntnis. Ebenso wenig ist die Kritik an den Resten dieser Arbeiterklassenmilieus neu, dass die Kernbelegschaften multinationaler Konzerne – und hier besonders in der Automobil- und chemischen Industrie – ihre relativen Privilegien koste es was es wolle verteidigen. Aber für Roth/Papadimitriou fungieren sie lediglich als „retardierenden Moment der Arbeiterkämpfe von heute.“

Welchen Sinn macht es, hier noch von einem gemeinsamen Plateau von Kämpfen auszugehen, wenn das allen neuen und alten sozialen Schichten der Unterklassen gemeinsame Merkmale der abhängigen Lohnarbeit als politisch progressive Kategorie nichts mehr austrägt. Und was nützt die Diskussion der Reichweite des „neuen Multiversum“, wenn ein Konnex zwischen objektiver sozialer Lage und politischer Orientierung und Verhaltensdisposition eben nicht mehr eindeutig ist. Ich hätte mir gewünscht, dass die Diskussionen um sozialmoralische Milieus, wie sie von Bourdieu und Vester et.al. geführt wurden, hier mehr Eingang gefunden hätten. Wir können die Katastrophe nicht verhindern, wenn wir keine realistische und präzise Analyse der sozialen, psychosozialen und moralökonomischen Kräfte entwickeln, die in der Arena aufmarschieren.

Insoweit ist es verdienstvoll, wenn Roth/Papadimitriou die Blockierungen im sozialen Widerstand gegen die Strukturanpassungsprogramme der Troika benennen: die soziale Heterogenität der Trägerschichten, die Unfähigkeit zur Entwicklung von wirksamen Protest- und Widerstandsformen und die nationalstaatliche Beschränkung der Aktionen sowie die abwartende bis distanzierte Haltung der Kernmilieus der Belegschaften in den Großbetrieben. Aber über was sollen sich die Partialkräfte einer möglichen Revolte eigentlich verständigen, in welcher Sprache, auf der Grundlage welcher konkreten gemeinsamen Interessen?

Auf dem weiteren Weg zur Entwicklung ihres Programmvorschlages räumen sie eine ganze Reihe von zählebigen Annahmen und Lebenslügen der Linken ab. Dazu gehört das Gegeneinandersetzen von Reform und Revolution, die sie allerdings „im kollektiven Gedächtnis der arbeitenden Klassen eine unzertrennliche Einheit“ bilden sehen (S.94). Wo findet denn das bitte sehr in der nord- und mitteleuropäischen Kernzone Europas statt? Solche immer wieder auftauchenden Pauschalierungen und Gegenmythen machen das Manifest an vielen Stellen schwächer als es sein müsste.

Richtig ist die Kritik an der nationalstaatlichen Orientierung der Linken und Arbeiterbewegung, die im Verlaufe der letzten hundert Jahre selbst verstaatlicht worden seien (S. 96). Ein weiteres Argument ist bedenkenswert: sowohl in der französischen Volksfront als auch der Spanischen Revolution bildeten die Organisationen der Arbeiterklasse Regierungen, die alsbald in Widerspruch zu ihrer Basis gerieten. Roth/Papadimitriou nennen das einen Konflikt zwischen kommandierender und kommandierter Arbeit (S. 96). Aber: weshalb soll der von ihnen darauf als Antwort vorgeschlagene Systembruch auf der Grundlage eines transnationalen koordinierten Vorgehens daran etwas ändern? Das wird nicht geklärt. Diskussionswürdig ist die These, dass der Nationalstaat „im Kontext der neoliberalen Restauration (??)…der Logik der Weltmärkte unterworfen, auf seine makroökonomischen Regulationsfunktionen zurückgestutzt und in einen ‚Wettbewerbsstaat‘ umgewandelt“ wurde und deshalb kein Platz mehr ist für Zugeständnisse an die arbeitenden Klassen (S. 97f). Damit aber geraten die Autoren in einen gewissen Widerspruch zu ihrem später entwickelten Programm, bei dem es ja keineswegs um den „großen Kladderadatsch“ geht, sondern um „systemüberwindende Reformen“, die durchaus der regulatorischen Instrumente der Nationalstaaten bzw. der EU bedürfen.

Interessant ist die Perspektive, dass diese Entwicklung für die Unterklassen Räume der Selbstbestimmung eröffnen kann. Roth/Papadimitriou sehen hier Chancen für einen „selbstverwalteten Wiederaufbau des Bildungswesens, des Gesundheitssektors, der öffentlichen Infrastruktur und der sozialen Rentenfonds“ (S. 98). Dies mündet – soweit bestimmte emanzipatorische Sicherungen eingebaut sind – in eine „selbstverwaltete Wohlstandsgesellschaft“. Eine solche Gesellschaft bedarf der entsprechenden materiellen Fonds. Die von den Autoren selbst angeführte Erfahrungen aus den vom Proletariat ausgehenden Revolutionen des 20. Jahrhunderts zeigen, dass diesen ein dramatischer Absturz von Produktivität und Output folgt. Russlands, Frankreichs und Spaniens Revolutionäre machten die Erfahrung, dass sie die Arbeiterklassen vom Strand wieder auf das harte Pflaster, zurück in die Fabriken und Büros treiben mussten. Wer also wird Träger einer solchen Gesellschaft sein, wer wird sich verweigern und lieber unter das Kommando fremdbestimmter Arbeit zurückgehen? Wer sich mit diesen Fragen nicht beschäftigt, der braucht meines Erachtens kein Aktionsprogramm mehr zu entwickeln. Es reicht deshalb nicht, wenn die Autoren lediglich auf sich entwickelnde egalitäre Lernprozessen der Unter- und Mittelklassen hoffen (S. 99-102).

Umrisse eines Aktionsprogramms – in der Luft hängende Vorschläge?

Das der Analyse folgende Aktionsprogramm ist nicht besonders überraschend geraten, vereinigt es doch ganz überwiegend Forderungen, die der gesunde Menschenverstand angesichts der Verelendungssituation insbesondere in Südeuropa gebietet: Reduktion der individuellen Gesamtarbeitszeit, allgemeine Krankenversicherung, Aufstockung der Sozialhilfe und eine standardisierte Altersrente und darauf aufbauend ein System der allgemeinen sozialen Grundsicherung. Aber: wie ein solches System angesichts der doch erheblichen Einkommensunterschiede und Vielfalt von sozialen Sicherungssystemen organisiert und finanziert werden soll, darüber schweigt sich das Manifest aus.

Die wenigen Bemerkungen zur Rückverteilung des gesellschaftlichen Reichtums (Anhebung der Kapitalsteuern und des oberen Drittels der Einkommenssteuern, europaweite Einführung einer Vermögenssteuer, progressive Besteuerung der Erbschaften, Transaktionssteuer) reichen dafür nicht aus. Soll die EU ein Steuerhebungsrecht bekommen, wie und durch wen sollen die Steuern erhoben werden – ohne einen kritisch zu sehenden Bürokratisierungsschub auszulösen? Über welchen Zeitraum sollen die Steuersysteme harmonisiert werden? Schengen soll umgekehrt werden zur Verhinderung von Kapitalflucht, Großbetriebe zerschlagen und regionalisiert werden, alle Commons sollen wieder angeeignet und kommunalisiert werden. Wünschenswert! Hervorzuheben sind die Forderungen, die auf eine Gleichheit der Geschlechter abzielen (S. 107) und in der Umweltpolitik eine radikale Kehrtwende, eine Entschleunigung der Arbeits- und Produktionsprozesse und schließlich eine „Einbeziehung aller ökologischen Folgekosten in die betrieblichen Kostenrechnungen“ (S. 109) aufnehmen.

Zur Euro-Frage wird die Demokratisierung der Zentralbank und ihre Unterordnung unter die Prioritäten und Rahmenbedingungen des Umbruchs gefordert: “Je mehr es der Gesellschaft gelingt, die ökonomische Sphäre ihren Lebensbedürfnissen zu unterwerfen, desto belangloser wird das Währungsproblem, denn die im Geld verkörperte Funktion eines allgemeinen Wertäquivalents verliert zunehmend an Bedeutung.“(S. 111) Bei der politischen Struktur haben Roth/Papadimitriou an eine strikt föderalistische und basisdemokratische Föderative Republik Europa gedacht: von den Kommunen und Kommunalverbänden, die den Löwenanteil der Steuereinnahmen erhalten sollen, über Kantone zu Europäischen Regionen zu einer Föderationsregierung, die allerdings noch weniger Rechte haben dürfte als die Schweizer Bundesregierung. Die politischen Repräsentationsorgane werden zur Hälfte direkt und zur anderen Hälfte indirekt durch die jeweiligen Basiseinheiten gewählt. Selbstverständlich gilt das Rotationsprinzip und dürfen die Bezüge die Durchschnittseinkommen der europäischen Familienhaushalte nicht übersteigen. Soweit das mir sehr sympathisch erscheinende Organisationsmodell, das zumindest die nationalstaatliche Bornierung der Akteure des sozialen Widerstandes hinter sich lässt und eine transnationale freiheitliche Perspektive aufzeigt.

Wer soll das alles angehen und umsetzen?

Roth/Papadimitriou setzen auf ein neues Bündnis zwischen den Gruppen im sozialen Widerstand und den Netzwerken der alternativen Ökonomie. Dabei sehen sie gerade die Gruppen, Genossenschaften und Kollektive der alternativen Ökonomie durchaus nicht als einheitlich motivierte Bewegung an, sondern arbeiten differenziert heraus, das sich hier neben Projekten mit explizit antikapitalistischer Motivation solche finden, die aus purer Not handeln. Aber: “Wenn es gelänge, zwischen den Trägerschichten der alternativen Ökonomie und den Aktivistinnen und Aktivisten einer sozialen Wiederaneignung gemeinsame Praxisbezüge zu stiften, dann wäre ein qualitativer Sprung möglich, der die Grenzen der ‚entschiedenen Reformen‘ in die Richtung einer nachkapitalistischen, egalitären Gesellschaft überschreitet.“(S. 117f) Direkte Demokratie werde dann gute Instrumente zur sozialen Aneignung und Gestaltung des materiellen Lebens bieten. Zur Umsetzung dieser Vorschläge rufen die Autoren zur Gründung einer „Assoziation Egalitäres Europa“ auf, die ein“ Netzwerk all jener sozialen Kristallisationspunkte darstellen“ soll, „die sich als eigenständige und selbstverantwortliche Gemeinschaften für den Umbruch einsetzen.“(S. 120) So soll der Weg „zu einem sozial gerechten, gewaltfreien, föderativen und egalitären Europa eröffnet“ (S. 126) werden.

Fazit: zu groß, zu schnell, zu weit – aber auch zu wenig!

Ob das Manifest geeignet ist, seinen positiven politischen Anspruch, eine Vernetzung der vorhandenen Widerstandspotenziale zusammenzuführen und deren Perspektive auf ein demokratisches und sozial gerechtes, förderatives Europa der Bürgerinnen und Bürger aufzuweiten, das entscheidet sich in der Praxis. Bislang ist es Roth/Papadimitriou lediglich gelungen, ihre Überlegungen in wenigen, aber zum Teil gut besuchten Foren der interessierten Linken vorzustellen. Auf dem letzten attac-Ratschlag hat lediglich eine qualifizierte Minderheit ihre Perspektive für tauglich erachtet. Das ist nicht allein den Autoren vorzuwerfen. Man muss sich im Gegenteil schon wegen der allenthalben sichtbaren Erschöpfung und Defensive der Linken wünschen, dass es gelingt, diesen Diskussionsprozeß am Leben zu erhalten und fortzusetzen.

Meine kritischen Fragen zur Tragfähigkeit der Analyse wiegen aber nicht so schwer wie meine Skepsis, ob Roth/Papadimitriou die verschiedenen Sozialmilieus im Widerstand richtig einschätzen und so der politischen Vernetzungsarbeit einen positiven Schub verleihen können. Die von ihnen aufgezeigten Programmpunkte sind in der Tat eine demokratische, libertäre und föderative Alternative zu anderen Strategien, die letztlich auf die Wiederherstellung des Status quo ante zielen. Allerdings sind die Forderungen der Autoren angesichts der vielfältigen Klippen, mit denen sich der Widerstand auseinanderzusetzen hat, durchaus kein Aktionsprogramm, sondern Forderungen an die Zukunft. Und das macht meinen letzten Einwand aus: sollten wir nicht stattdessen eine Aktion der Solidarität organisieren, die durch konkrete Arbeit auf einer „anschlussfähigen“ Basis hilft, ein tatsächliches Band zwischen den Betroffenen zu knüpfen? Warum wollen wir nicht am konkreten Beispiel zeigen, wozu die Politik der Troika führt? Zum Beispiel durch die Unterstützung der Mediziner und Helfer, die dafür sorgen, dass die griechische Gesundheitsversorgung nicht völlig zusammenbricht?

Anmerkungen

[1] Roth/Papadimitriou sind allerdings fair genug, diese Kalamitäten für jede progressive Politik später in ihrem Aktionsprogramm als wesentliche Rahmenbedingung zu berücksichtigen.

Zur normalen Fassung


https://sopos.org/aufsaetze/52f89bce8e72d/1.phtml

sopos 2/2014