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Schneider analysiert die Entstehungsgeschichte des Werkes. Außerdem sind Vorarbeiten Remarques, sie setzten 1917 ein, wurden dann aber ein Jahrzehnt unterbrochen, abgedruckt. Dann folgen Passagen, die im Manuskript zu lesen waren, das der Autor beim Ullstein-Konzern eingereicht hatte, die er dann aber auf dessen – die mildeste Formulierung wäre wohl – Anregung änderte. Abgemildert wurde eine »kriegskritische Aussage«, die sich nun und erstmals in ihrer ursprünglichen Fassung lesen läßt. Doch selbst die abgemilderte Passage forderte noch schärfsten Protest all derer heraus, die ein Jahrzehnt nach Kriegsende das Gemetzel als hehren und edlen Akt der Verteidigung des Vaterlandes feierten und die Kriegsunschuld Deutschlands wieder und wieder beteuerten. An der Spitze dieser Millionen stand Reichspräsident von Hindenburg, der letzte Chef der Obersten Heeresleitung, an ihrem Ende die im Kriege und nach ihm um die Wahrheit Betrogenen, die sich an Denkmälern mit rühmenden Inschriften für die Heldensöhne und deren Mahnung an die »Kommenden« einfanden. Allein das naturalistische Bild, das Remarque von dem Menschenschlachthaus und der Art, wie in ihm getötet und gestorben wurde, gab, reichte, daß er denen in das politische Konzept geriet, die auf den Tag der Revanche und der Rache sannen. Das Buch war eine Anklageschrift gegen den Krieg, doch sie blieb anonym. Wo Gedanken des Ich-Erzählers oder Gespräche der Soldatengruppe, der er angehört, sich zu Kernfragen vorarbeiten, wie denen nach Verursachern und Nutznießern, heißt es, man dürfe besser nicht weiterdenken und nicht weiterreden. Immerhin aber wird scharf zwischen dem am Kriege uninteressierten arbeitenden Menschen und jenen unterschieden, die für ihn waren, die Militärs und die Regierung und die – auch unbenannt Bleibenden – die hinter ihnen standen. Und dann am Schluß des Buches werden Tatsachen ins Feld geführt, vor denen die Legende vom »im Felde unbesiegten« Heer als nichts denn eine dreiste Lüge erscheinen mußte. * In vielen Publikationen, die der bevorstehende Jahrestag gleichsam vorauswirft, wird immer wieder auch die Haltung von Wissenschaftlern und Künstlern bei Kriegsbeginn erörtert, auf Freiwilligenmeldungen bekannter oder berühmter Deutscher verwiesen, werden Äußerungen ihrer Kriegsbegeisterung zitiert, dann aber auch Zeugnisse der Ernüchterung und der Korrektur. In einem Hörbuch kommen Schriftsteller selbst zu Wort, die Zeitzeugen des Weltkrieges waren, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven und nach verschieden langen Lebenswegen. Die älteste ist die 1871 geborene Rosa Luxemburg, die aus dieser Reihe biographisch herausragt, aber nicht mit analytischen Äußerungen zitiert wird, sondern mit ihrem wohl berühmtesten Brief aus ihrer Gefängnishaft, zu der sie als unbeugsame Kriegsgegnerin verurteilt worden war. Als jüngste Zeugen werden aufgerufen: Ernst Glaeser, der 1914 gerade 12, und Bertolt Brecht und Erich Maria Remarque, die 16 Jahre alt waren. Von den beiden entkam Brecht dem Militärdienst, Remarque aber geriet noch in die Hölle der Westfront und wurde schwer verwundet. 14jährig erlebte Anna Seghers den August 1914, Jahre später leistete sie Kriegsdienste als Sozialhelferin und Krankenpflegerin. Es ließen sich die Textauszüge der Genannten, dazu die von Richard Dehmel, Ernst Toller, Egon Erwin Kisch, Ludwig Renn, Georg Trakl, August Stramm, Klabund, Friedrich Wolf, Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, Hans Fallada und Kurt Tucholsky besonders Pädagogen zur Verwendung in Schulen empfehlen, doch müßten sie sich mit den zur Erschließung der Texte notwendigen Informationen selbst versorgen. Denn im nachlässig fabrizierten Begleitbüchlein fehlen Auskünfte über die Fundstellen des Gelesenen ebenso wie Angaben über Zeitpunkt und Situation, in denen das Zitierte entstand. Den Einstieg gibt ein Gedicht Richard Dehmels, eine Glorifizierung des eben begonnenen Krieges mit dem Vers »denn Glück heißt Opfermut«. Ähnlich Tollers erste Kriegseindrücke, der sich, nach Abweisungen, in München als Kriegsfreiwilliger angenommen sieht und fürchtet, der Sieg werde so schnell errungen sein, daß der Krieg ohne seinen und seiner Kameraden Einsatz zu Ende sei. Auch Egon Erwin Kisch, ein Korporal der K.-u.-k.-Armee, aus dessen Tagebuch zitiert wird, drängte es an die Front. Doch als er die ersten Zeugnisse der Grausamkeit wahrnimmt, setzt ein anderes Denken ein. Nicht nur in ihm vollzieht sich ein Wandel vor allem unter dem Eindruck zweier Erlebnisse: der Wahrnehmung des Krieges als ein Schlachthaus, dessen Opfer Menschen sind, und der in jeder Zeitung zu machenden Entdeckung, daß über das, was dieser Krieg ist, gelogen und gelogen wird, bis hin zu den unverschämten Falschmeldungen in den Heeresberichten. Die nie an die Front mußten wie Ernst Glaeser beobachten im eigenen Lebensort den Pfarrer als Todesboten, nehmen die Morgenblätter als »Zeitungsfriedhof« wahr und schaudern beim Anblick der Kriegsopfer, die ein Lazarettzug herantransportiert, manche sterbend. Zeitlich spannt sich der Bogen bis zu einem aus dem Abstand von zehn Jahren unternommenen Blick auf die Hinterlassenschaft des Krieges im jahrelang umkämpften Verdun und auf Menschen und Landschaften in dessen Umfeld. Vielstimmig bezeugt die Sammlung das Kriegsgrauen. Ihre Herausgeber haben sich jedoch auf die Frage nach den Ursachen des Krieges und die in ihm verfolgten Ziele nicht eingelassen, wiewohl sie sich da nicht an andere Autoren hätten wenden müssen. Erich Maria Remarque: »Im Westen nichts Neues«, in der Fassung der Erstausgabe mit Anhang und einem Nachwort hg. von Thomas F. Schneider, Kiepenheuer & Witsch, 360 Seiten, 15 €; »1914–1918 – Große Autoren erzählen vom Ersten Weltkrieg, Buchfunk Verlag, 2 CDs, 153 Minuten, 19,90 €
Erschienen in Ossietzky 3/2014 |
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