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Sollte das mißlingen, wird das Land endgültig zum Scherbenhaufen und in viele Entitäten zerfallen. Daher wäre eine Übergangsregierung unter Beteiligung von Faruk al-Scharaa wünschenswert, bislang als Vizepräsident Teil der Assad-Administration. Beim Aushandeln eines solchen Gremiums wollte man auf das Junktim verzichten: Es wird erst miteinander geredet, wenn Präsident Assad gegangen ist. Der Aufschrei in der Nationalkoalition unter Ahmad Moas al-Chatib – einem sunnitischen Geistlichen, der sich besonders der Protektion des Emirats Katar erfreut – war laut. Die Teilnahme am »Treffen der Freunde Syriens« Ende Februar in Rom wurde brüsk abgesagt. Doch sollte der Boykott des trotzigen Mündels nicht lange vorhalten. Gedrängt von Frankreich und Großbritannien, besänftigt von Versprechen des neuen US-Außenministers und getätschelt von der EU, erschienen die Delegierten der Nationalkoalition in Rom, als ob nichts gewesen wäre. Schließlich hatte John Kerry wissen lassen, die US-Regierung wolle das Waffenembargo gegen die Anti-Assad-Front lockern. Schutzwesten, gepanzerte Fahrzeuge sowie für die Logistik taugliches Equipment würden geliefert. Auch die EU tat das ihre, um die Nationalkoalition bei Laune zu halten: Gleich nach der Konferenz in Rom verkündeten die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten, trotz des am 18. Februar verlängerten Waffenembargos könnten die Rebellen mit »nicht-tödlicher Ausrüstung« und »technischem Support« rechnen. Was das bedeutet, war einem Auftritt des britischen Außenministers William Hague im Unterhaus zu entnehmen. Sein Land werde Militärberater entsenden, teilte er mit, und Frankreich sich dem wohl anschließen. Mit anderen Worten, die Freie Syrische Armee (80.000 Mann) und die Syrische Befreiungsfront (40.000 Mann) werden demnächst auch offiziell von Militärberatern aus NATO-Staaten instruiert (wie ab März 2011 die Anti-Gaddafi-Front in Libyen). Offenbar gab es hinter den Kulissen in Rom einen Agreement der USA mit Moas al-Chatib, um die von Lakhdar Brahimi angestrebten Verhandlungen nicht gänzlich zu blockieren, aber in eine dem Westen genehmere Richtung zu lenken. Zunächst wurde den Rebellen mehr militärischer Beistand zugesichert, gleichzeitig aber die Nationalkoalition aufgefordert, eine handlungsfähige Exil-Regierung zu bilden, um aus einer Position der Stärke mit Damaskus zu verhandeln. Das Ziel dieses Deals – man wollte Moas al-Chatib nicht als irgendeinen Unterhändler, sondern als designierten Sieger in den Brahimi-Plan einbauen. Ob es gelingt, ist fraglich. Die Hardliner der syrischen Muslim-Bruderschaft und Al-Qaida-Filialen, besonders die Al-Nusra-Front, wollen den Gottesstaat ohne Wenn und Aber. Weder die USA noch die EU können diesen extremistischen Furor eindämmen. Sie laufen Gefahr, in Syrien Dschihadisten in den Sattel zu helfen, die sie in Nordmali gerade aus dem selben stoßen. Eben deshalb soll die Nationalkoalition initiativ werden und den politischen Ausweg suchen – aber nur, wenn sie ihn dominieren kann. Damit diese Option dem Geruch einer Kehrtwende entgeht, weil sie nicht an eine Demission Assads gebunden ist, wird die militärische Entente mit dem Westen unterhalb der Schwelle zur Intervention vorangetrieben. Die alles überlagernde Frage lautet freilich: Werden die Akteure den ihnen zugedachten Part ausfüllen können? Oder wollen? Die Nationalkoalition durchziehen weiterhin die Netzwerke unversöhnlicher Exil-Syrer, die als Lobbyisten in Washington, London und Paris tun, was sie können, um die nötige Interventionsstimmung für einen Regimewechsel in Syrien zu erzeugen. Eine der Protagonistinnen dieser Klientel ist Bassma Kodmani, jahrelang offizielle Sprecherin des Nationalrates (SNC) im Ausland und eng verbunden mit der Arab Reform Initiative (ARI), die mit dem einflußreichen Council on Foreign Relations (CFR) in Washington verflochten ist. Der vereint Diplomaten und Geheimdienstler, die lange vor der Arabellion »Analysen zur Förderung von Stabilität« im Nahen Osten lieferten. Kodmani ist zudem Leitungskader bei der Académie Diplomatique Internationale in Paris, einer offiziell neutralen Instanz zur »Förderung der modernen Diplomatie«, der Jean-Claude Cousseran vorsteht, einst Chef des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE. Ähnlich exponiert wie Kodmani ist Najib Ghadbian vom früheren Generalsekretariat des Syrischen Nationalrates. Er zählt zum Beraterstab des Syrian Center for Political and Strategic Studies (SCPSS) in Washington. Oder man nehme Radwan Ziadeh, bis November 2012 zuständig für die Auslandskontakte des Nationalrates und Hospitant des aus US-Bundesmitteln finanzierten Thinktanks US Institute of Peace, in dessen Vorstand Ex-Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums und Nationalen Sicherheitsrates sitzen. Ziadeh kümmert sich auch um die Beziehungen zum britischen Movement for Justice and Development (MJD), das wiederum die Regierung Cameron bei ihrer Syrien-Politik berät. Diese Protagonisten bleiben das ideologische Rückgrat der Nationalkoalition und sind die beste Gewähr dafür, daß Verhandlungslösungen solange hintertrieben werden, bis in Syrien die militärische Entscheidung gefallen ist. Dafür geben die Kataris fortgesetzt das meiste Geld, koordinieren saudische Geheimdienstler den Widerstand gegen das Assad-Regime auf syrischem Boden, gewährt die türkische Regierung der Freien Syrischen Armee Rückzugsräume und Transitkorridore für den Waffennachschub. Zugleich fühlt sich Großbritannien nicht länger an das EU-Waffenembargo gebunden, geben der französische Präsident François Hollande und sein Außenminister Laurent Fabius Erklärungen ab, aus denen herauszuhören ist, daß sie das Embargo für überholt halten und zu unterlaufen gedenken. Die Amerikaner allerdings schwanken noch, dürften sie doch wissen, wem sie Syrien möglicherweise ausliefern, und was das für ihren Verbündeten und Schutzbefohlenen Israel bedeutet. Leider spricht viel dafür, daß UN-Vermittler Lakhdar Brahimi mit seinem jüngsten Friedensplan genauso manövriert wird, wie das seinem Vorgänger Kofi Annan widerfuhr.
Erschienen in Ossietzky 7/2013 |
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