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Begonnen hatte sie 1945 mit sieben Lizenzträgern: drei Kommunisten, drei Sozialdemokraten und einem Christlich-Sozialen, berufen von der US-amerikanischen Besatzungsmacht, die zwei Jahre später die Kommunisten abberief. Alleiniger Verleger, Herausgeber und Chefredakteur wurde später Karl Gerold, der der SPD nahestand, aber auf Unabhängigkeit seiner Zeitung bedacht war. Mit ihrem dicken Anzeigenteil und ihrer vielbeschäftigten Druckerei war die FR eine Goldgrube und blieb es bis weit über Gerolds Tod hinaus. In den 1990er Jahren wurde sie – nicht notwendigerweise – defizitär. Die SPD nahm sich der Zeitung an und veräußerte dann die Anteilsmehrheit an den DuMont-Konzern, einen der zehn, denen heute der weitaus größte Teil der Medien gehört. So wurde die FR zu einer normalen Zeitung, ähnlich den anderen DuMont-Blättern wie Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger oder Mitteldeutsche Zeitung, oft sogar wortgleich mit ihnen. Konzernchef Alfred Neven DuMont überhörte bei seinem Neujahrsempfang 2011 souverän die Bitte der um die Pressevielfalt besorgten Grußrednerin Angela Merkel, keine Redaktionsgemeinschaften zu gründen. Einer der sieben ursprünglichen FR-Lizenzträger, Emil Carlebach, 1933 als 18jähriger von den Nazis wegen Verbreitung eines Gewerkschaftsflugblattes verhaftet und bis zur Selbstbefreiung der Buchenwalder Häftlinge durch Zuchthäuser und Konzentrationslager geschleppt, 1956 nach dem KPD-Verbot zur Emigration in die DDR gezwungen, wurde später Chefredakteur der Tat, Wochenzeitung der Vereinigungen der Verfolgten des Nazi-Regimes; er wirkte auch an deren Zusammenlegung mit der Deutschen Volkszeitung, dem meistgelesenen Medium der westdeutschen Friedensbewegung mit. Chefredakteur der fusionierten Wochenzeitung wurde Franz Sommerfeld, damals noch Kommunist, in der Wendezeit schnell konvertiert; jetzt ist er Vorstandsmitglied des DuMont-Konzerns, zuständig für die Zeitungssparte. Die Deutsche Volkszeitung vereinigte sich mit der ehemaligen DDR-Wochenzeitung Sonntag, die schwerpunktmäßig für eine Außenpolitik der friedlichen Koexistenz warb, unter dem neuen Namen Freitag. Die wechselnden Herausgeber des Freitag (darunter Günter Gaus, Wolfgang Ullmann, Christoph Hein, Daniela Dahn und Friedrich Schorlemmer) und die wenigen, um so stärker engagierten Redakteure sahen eine ihrer Hauptaufgaben in der kritischen Begleitung des deutschen Vereinigungsprozesses. Sie unterstützten zum Beispiel eine der wichtigsten innenpolitischen Initiativen der 1990er Jahre: die »Erfurter Erklärung«, die SPD, Grüne und PDS auf eine friedliche und soziale Alternative zur Kohl-Genscher-Politik orientieren wollte; doch SPD und Grüne zogen es vor, diese Politik fortzusetzen und zu verschärfen (Beteiligung am Angriffskrieg, Abbau der Sozialversicherung usw.). Zeitweiliger Chefredakteur des Freitag war der von der FR unter der Regie der SPD als, kurz gesagt, zu links und zu kritisch aus gleicher Position abgeschobene Wolfgang Storz. Er traf mit den Herausgebern eine Vereinbarung, nach der es zu den Aufgaben des Blattes gehören sollte, die Zweckmäßigkeit des globalen Kapitalismus und die darauf gegründeten Herrschaftsverhältnisse in Frage zu stellen, zu denen auch die kulturelle Hegemonie gehöre. Ein linkes Programm. Ein Geschäft war mit dem Freitag nicht zu machen. Dafür, daß er regelmäßig erscheinen konnte, sorgten Zuschüsse einiger Linker, die sich aber schließlich damit überfordert sahen. Als Retter kam Augstein. Jakob Augstein, Sohn des Schriftstellers Martin Walser, Adoptivsohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, besitzt viel Geld und mindestens ebenso viel Ehrgeiz. Er konnte es sich leisten, das Personal in Verlag und Redaktion kräftig aufzustocken; einen Geschäftsführer holte er sich von Springers Welt. Im Untertitel heißt der Freitag jetzt »Das Meinungsmedium«. Die Leser dürfen per Internet zu aktuellen Themen Kommentare beisteuern, von denen dann kurze Kostproben gedruckt werden. Augstein selber verkündet seine nicht immer originellen Meinungen nicht nur im eigenen Blatt, sondern auch auf spiegel online und läßt sich gern zu Talk-Shows oder Podiumsdiskussionen einladen oder veranstaltet sie selber (so dieser Tage den Freitag-Salon mit Sahra Wagenknecht im Berliner Maxim Gorki Theater zum Thema »Liegt links die Zukunft?«). Als aber Mitherausgeberin Daniela Dahn in einem Beitrag auf einige in der Öffentlichkeit unterschlagene Hintergründe zum Libyen-Krieg hinweisen wollte unter (der Artikel ist jetzt veröffentlicht unter www.blaetter.de/2011/stoerfaktor-gaddafi) – nicht ohne wohlweislich gleich anzumerken, daß differenzierende Darstellungen eines Krieges den Autoren erfahrungsgemäß schon der Fakten wegen, die sie nennen, Diffamierung eintragen –, ließ Augstein den schon für den Druck vorbereiteten Artikel entfernen, der, wie er zur Begründung mitteilte, zu »freundlich« gegenüber dem »Diktator« geschrieben sei. Er wollte verhindern, daß der Verdacht entstehe, die von der Mitherausgeberin geäußerte Meinung sei Blattlinie. »Die aber«, so verstand ihn die darüber berichtende FR-Mitarbeiterin Ulrike Simon ganz richtig, »will er selbst vertreten«. Er fügte hinzu: »Wäre Frau Dahn eine einfache Autorin gewesen, hätte der Freitag den Artikel gern veröffentlicht.« Bei einem Herausgebertreffen stellte Friedrich Schorlemmer die Frage, welche Rolle eigentlich den Herausgebern (neben ihm und Daniela Dahn auch der ungarische Schriftsteller György Dalos und der Grünen-Politiker Frithjof Schmidt) noch zugedacht sei. Augstein reagierte überrascht und mochte nicht gleich antworten. Die Antwort erfolgte dann schriftlich: Der Freitag trenne sich von allen Herausgebern mit Dank dafür, daß sie ihn in der »Übergangsphase«, die »nun beendet« sei, »begleitet hätten«. Ein bezeichnendes Ergebnis der »Übergangsphase« ist es, daß in der Chefredaktion und unter den Ressortleitern niemand mehr aus Ostdeutschland kommt. Gerade in dieser Hinsicht hatten sich Dahn und Schorlemmer als kritisches Korrektiv gesehen. Jetzt also soll der Freitag normal sein. Dieses Wort dringt mir seit Beginn der 1990er Jahre schrill in die Ohren. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten Lenelotte von Bothmer und Werner Holtfort initiierte ich damals den »Hannoverschen Appell«, der für die Abrüstung der Bundesrepublik Deutschland »auf Null« mit dem Hauptargument warb, die Militarisierung der BRD sei immer mit der Bedrohung aus dem Osten begründet worden, die nun entfallen sei. Zu den Erstunterzeichnern gehörten damals auch Politiker wie Jürgen Trittin (Grüne). Die Antwort der tonangebenden Konzernmedien lautete: Das vereinigte Deutschland müsse nun größere Verantwortung übernehmen, es müsse endlich erwachsen, endlich normal werden, und dabei war unter Verantwortung immer eine militärische zu verstehen: Aufrüstung, Militäreinsätze. Schon 1992 definierte die Führung der Bundeswehr deren Aufgabe im imperialistischen Sinne um: Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten. Mustergültig normal zeigt sich in diesen Tagen die FR. Da behauptet Christian Bommarius: »Die Kommunisten in der Linkspartei, darunter sechs Mitglieder der Bundestagsfraktion, haben den Terrorregimen in Damaskus und Teheran soeben ihre Solidarität erklärt.« Der Aufruf, von dem Bommarius spricht, war dem Ossietzky-Heft 1/12 beigeheftet. Kein Wort darin drückt Solidarität mit irgendeinem Terrorregime aus, wohl aber Solidarität mit den Völkern, denen mit Embargos und Kriegsdrohungen schlimmstes Unrecht geschieht. Es ist, kurz gefaßt, ein Aufruf an die Bundesregierung, sich nicht an der – laut Grundgesetz Artikel 25 und 26 strikt verbotenen – Vorbereitung eines Angriffskriegs zu beteiligen. Aber Bommarius – im Eifer, seine Lüge den Lesern einzuhämmern, damit er mit ihr Erfolg hat, vor allem bei der Bekämpfung der Linkspartei – schreibt weiter von »jenen Leuten, die sich dem Massenmörder Assad und dem Terrorregime in Teheran verbunden fühlen, [...] die sich mit dem Massenmörder Assad öffentlich verbrüdern [...]«. In den 1980er Jahren habe ich als damaliges Mitglied des »Deutschen Presserats«, des paritätisch aus Vertretern der Verleger und der Journalisten zusammengesetzten sogenannten Selbstkontrollorgans der bundesdeutschen Presse, den Antrag durchzubringen versucht, daß ebenso wie Verstöße gegen sittliche und religiöse Empfindungen, die der Presserat in seinem »Pressekodex« geächtet hatte, auch Propaganda für den Angriffskrieg geächtet werden müsse. Alle Verlegervertreter waren dagegen, weil dadurch die Pressefreiheit verletzt würde. Leider auch einige Journalistenvertreter. Normalität schon damals. Jakob Augstein im Freitag 2/12: »Die Idee, den Freitag herauszugeben, diese Community zu stiften, rührte aus dem Wunsch, vieles anders zu machen. Mich nervte der Mainstream selber. Plötzlich aber finde ich mich in einer wesentlichen Frage mitten im Mainstream?« Die wesentliche Frage ist in diesem Fall die nach Christian Wulff und den Medien. Wenn der Stifter der Community (Schorlemmer bescheinigt ihm ein »sehr hohes Selbstvertrauen«) den Freitag in der viel wichtigeren Frage der Angriffskriegspropaganda ebenfalls normalisieren sollte, wozu brauchen wir dieses Blatt dann noch. Was ist dann seine Rettung letztlich wert? Ceterum censeo: Die Vermachtung der Medien rechtfertigt nicht alles, was der einzelne Journalist tut und läßt. Keiner ist gezwungen, wie Bommarius mit unwahren Behauptungen zu hetzen.
Erschienen in Ossietzky 2/2012 |
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