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Seine Ausarbeitung war noch nie eine leichte Aufgabe, aber 2011 kommt erschwerend hinzu, daß der Berichterstatter, der neue Minister des Innern Hans-Peter Friedrich (CSU), der per Amt auch Beauftragter für die neuen Bundesländer ist, aus Bayern stammt und bislang nicht gerade durch eine besondere Affinität zum Osten der Republik aufgefallen ist. Der Umstand, daß sein dröger Parlamentarischer Staatssekretär, der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Christoph Bergner (CDU), das Ost-Ressort verwaltet, macht es den Verfassern des Berichtes nicht leichter. Guter Rat ist teuer. Aus lauter Mitgefühl will ich deshalb versuchen, ihnen, und zwar kostenlos, mit einigen wenigen Empfehlungen zur Seite zu springen. Erstens: Obwohl die Lage im Osten nicht gerade rosig ist und das Zusammenwachsen mit dem Westen des Vaterlandes trotz der seinerzeitigen hoffnungsfrohen Voraussage Willy Brandts, gelinde gesagt, schleppend vorankommt, müssen Sie dem Bericht von Anfang an einen optimistischen Grundton geben. Verwenden Sie dafür der Glaubhaftigkeit halber schon im Einleitungstext ein passendes Zitat des Bundespräsidenten. Sehr geeignet dafür ist die Einschätzung, die Christian Wulff im Frühjahr des Jahres in der früheren Bundeshauptstadt Bonn so scharfsinnig und einprägsam traf: »Die Geschichte Deutschlands nach 1945 ist ... eine Erfolgsgeschichte ... Seit 1990 endlich teilen alle Deutschen diese Geschichte, seither leben wir in einem gemeinsamen Land, genießen gemeinsam Frieden, Freiheit und Wohlstand ...« Zweitens: Haben Sie keine Scheu zu guttenbergen. Wie Sie wissen, sind Plagiate nicht schlimm, erst recht nicht sogenannte Selbstplagiate. Übernehmen Sie also mutig Passagen, die bereits im Bericht des Vorjahres für freudiges Erstaunen sorgten. Die Auswahl fällt schwer, aber wie wäre es zum Beispiel mit den Aussagen zur Treuhand und dem nachfolgenden Aufschwung Ost? Suchen Sie nicht lange, hier sind sie: »Die... Treuhandanstalt konnte aufgrund ihres konsequenten Privatisierungskonzeptes bereits Ende 1994 ihren Kernauftrag, den Unternehmensbestand zu privatisieren, weitgehend abschließen. Damit war eine grundlegende Voraussetzung für die Herausbildung einer leistungsfähigen privaten Unternehmensbasis in den Neuen Ländern geschaffen ... Nach einer auch im internationalen Maßstab durch hohe Wachstumsraten gekennzeichneten Reindustrialisierung verfügen die Neuen Länder wieder über ein mittelständisch geprägtes, international wettbewerbsfähiges verarbeitendes Gewerbe.« »Reindustrialisierung« ist ein wunderbarer Begriff, schließlich war die DDR infolge der Planwirtschaft zu einem unterentwickelten Agrarland geworden , so daß von Deindustrialisierung nach der Friedlichen Revolution – ein Vorwurf, der von Kritikern der Wiedervereinigung nur allzu gern und bis zum Überdruß erhoben wird – keine Rede sein kann. Mit Fug und Recht können Sie dann auch die Feststellung von 2010 wiederholen: »Insgesamt ist die wirtschaftliche Erneuerung eine Erfolgsgeschichte ... Der Prozeß der wirtschaftlichen Angleichung zwischen Ost und West ist weit vorangeschritten.« Lassen Sie sich von gegenteiligen Behauptungen nicht irritieren. Schließlich handelt es sich um Kernaussagen, die in keinem Bericht fehlen dürfen. Auch dann nicht, wenn rechthaberische Ökonomen darauf hinweisen, daß in Ostdeutschland die Arbeitslosenquote, der Anteil von »Hartz IV«-Opfern sowie das Armutsrisko doppelt so hoch wie in den alten Ländern sind und die Rentenwerte und Bruttolöhne beträchtlich unter derem Niveau liegen. Die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung behauptete kürzlich gar, daß die Löhne im Osten seit Jahren stagnieren und bis zu 33 Prozent unter Westniveau liegen. Im Vergleich zum Glück der deutschen Einheit sind das selbstverständlich Lappalien. Auch andere Teile des Berichtes von 2010 bieten ein Fülle an Material zum Kopieren. Dafür nur noch ein Beispiel: »Die Bundesregierung unterstützt zudem die historische Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte – zum Beispiel im Rahmen der Tätigkeit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur – sowie durch national bedeutsame KZ-Gedenkstätten und Gedenkstätten zur Erinnerung an die kommunistische Diktatur.« Diese Passage sollte unbedingt wieder aufgenommen werden, schließlich zeigt sie überzeugend, daß wir es mit zwei Diktaturen in Deutschland zu tun haben und Adenauer recht hatte, als er schon 1950 darauf hinwies, daß der Druck, den der Nationalsozialismus durch Gestapo und Konzentrationslager ausgeübt hat, mäßig war gegenüber dem, was in der Ostzonen-Republik geschah. Drittens: Vermeiden Sie tunlichst die Fehler, die sich in den Bericht für 2010 eingeschlichen hatten. Weshalb mußten Sie sich im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution zu der Behauptung hinreißen lassen: »Nicht alles im Leben der Ostdeutschen konnte und mußte verändert werden. Nicht alles im Leben der Westdeutschen war erstrebens- und erhaltenswert«? Zur Illustration erwähnen Sie glücklicherweise nur aus Ostdeutschland kommende »fruchtbare Impulse für die Weiterentwicklung des gesamtdeutschen Gesundheitswesens, zum Beispiel im Bereich des Infektionsschutzes oder der bevölkerungsbezogenen Krebsregistrierung« sowie »die seit 2004 mögliche Gründung medizinischer Versorgungszentren«, die »stark von den ostdeutschen Erfahrungen geprägt« gewesen seien. Wozu solche Behauptungen? Sie verkleistern doch nur die Vorteile, die das kommerzialisierte Gesundheitssystem und die Mehrklassenmedizin bieten. Außerdem werfen sie doch nur die unnötige Frage auf, ob es nicht noch andere Bereiche, beispielsweise im Bildungswesen, gibt, in denen die BRD von der DDR hätte lernen können? Wehret den Anfängen! Auch scheinbare Kleinigkeiten können Tücken bergen. Warum mußte ausgerechnet bei der Würdigung der Wiedervereinigung explizit erwähnt werden, daß »die Bundesrepublik das DDR-Vermögen übernahm«? Das ist äußerst brisant, weil es zur Höhe dieses Vermögens seitens des Nutznießers keine Angaben gibt. Zwar hatte der Einigungsvertrag die Bundesregierung verpflichtet, eine abschließende Vermögensbilanz der DDR vorzulegen, diese aber nach mehrjähriger Verzögerung mit dem Hinweis verweigert, daß der Beitrittsstaat nur einen Schuldenberg hinterlassen habe, der eine solche Bilanz sinnlos mache. Ipso facto: Wenn die DDR nur Schulden hatte, ist es einfach fahrlässig, davon zu sprechen, daß »die Bundesrepublik das DDR-Vermögen übernahm«. Vermeiden Sie also derartige Fehler im nächsten Bericht! Viertens: Halten Sie unbedingt an bewährten Methoden fest, wenn Sie mit Fakten und Zahlen hantieren. Bleiben Sie zum Beispiel bei der Würdigung der Tätigkeit der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit dabei, nur die beeindruckende Anzahl der Anträge von Privatpersonen auf Akteneinsicht zu nennen, bisher sollen es ja 2,6 Millionen gewesen sein. Die Zahl derer, bei denen tatsächlich Unterlagen gefunden wurden, muß doch niemanden interessieren. Bewährt hat sich auch der kleine statistische Trick, bei den Angaben über die rasante Wirtschaftsentwicklung im Osten stets 1991 zum Ausgangspunkt aller Vergleiche zu nehmen, also das Jahr, in dem die Industrieproduktion infolge der Währungsunion und des Wirkens der Treuhand auf ein Drittel des Standes vor der Friedlichen Revolution abstürzte. Halten Sie also um Gottes willen daran fest, das Jahr 1989 aus der vergleichenden Statistik zu verbannen! Anderenfalls müßten Sie vermelden, daß das produzierende Gewerbe im Jahre 2009 lediglich 64 Prozent des Ausgangsniveaus von 1989 erreichte, ein Ergebnis, das nicht so recht zu dem vermeldeten »kleinen ›Wirtschaftswunder‹« Ost passen würde. Da Sie diesen Fehler gewiß nicht machen werden, besteht aller Grund zur Hoffnung, daß der Einheitstandsbericht 2011 auch dank der angeführten bescheidenen Ratschläge wieder so aussagekräftig und beeindruckend wie der vorangegangene ausfällt. Toi, toi, toi!>
Erschienen in Ossietzky 17/2011 |
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