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August 1945 bleibt bei Steinbach ausgeklammert, obwohl in dessen Absatz XIII die Transfers der Deutschen aus Polen, der damaligen CSR und Ungarn fest vereinbart sind: Aus Gründen des Weltfriedens versuchte man, alle »Unruheherde« auszuschalten, die 1939 zu den Kriegsursachen gehört hatten. Das waren keine »Vertreibungs-Verbrechen«, wie Steinbach vielfach unterstellt, womit sie die Unterzeichner dieses Abkommens (Roosevelt, Stalin und Attlee) als »Verbrecher« abqualifiziert! Die Zusammenfassung aller Deutschen in einem (zunächst von den Siegermächten zu kontrollierenden) Staat sollte ein Beitrag zur europäischen Sicherheit nach 1945 sein. Es war also nicht der oft unterstellte »Haß auf die Deutschen« (auch auf die deutschen Widerständler und Emigranten?), der die Nachkriegsbeschlüsse der siegreichen Anti-Hitler-Koalition charakterisierte. Klammert man jedoch das Potsdamer Abkommen aus, so erscheinen die Aus- und Umsiedlungen fast zwangsläufig als Willkür-Aktionen, als die Steinbach sie darzustellen versucht. Steinbachs Reden und Wirken ist nur im Zusammenhang mit der Entwicklung des BdV zu verstehen. Dieser verkündete 1950 in Stuttgart seine »Charta«, in der er offiziell auf »Rache und Vergeltung« verzichtete – als wären unter den internationalen Kräfteverhältnissen, gegen die Mächte der Anti-Hitler-Koalition, Rache und Vergeltung durchzusetzen gewesen. Er ließ das Täter/Opfer-Problem beiseite und präsentierte die Umgesiedelten als Opfer (und sich selbst als deren Vertretung) – als hätten sie Anspruch auf Wiedergutmachung. Wiederholt betonte er »das Recht auf Heimat«, das keine Entsprechung im Völkerrecht findet. Diese »Charta« war ein Angriff auf das nicht genannte Potsdamer Abkommen. Der BdV erklärte mehrfach: »Die Heimat ist nicht verloren, solange wir treu zu ihr stehen!« Dieser revanchistische Anspruch wird bis in unsere Zeit wiederholt. Das »Recht auf Heimat«, für die es nach Aussagen des BdV »keinen Ersatz gibt«, produziert Unruhe in betroffenen Staaten, namentlich in Polen. »Der Kampf um den deutschen Osten wird nicht aufgegeben«, ist in Publikationen des BdV zu lesen. »Die zweite Schlacht um den deutschen Osten« soll vor allem die Jugend gewinnen. Nach der »Erlebnis-Generation« spricht man der »Bekenner-Generation« die Aufgabe zu, »Rückgabe oder Entschädigung« durchzusetzen – zusätzlich zum »Lastenausgleich«, den die Bundesrepublik in ihrer Frühzeit zur Integration der Umsiedler gezahlt hatte. Den vom BdV und seiner Vorsitzenden ständig strapazierten Begriff »Vertreibung« gab es vor der Erosion der siegreichen Anti-Hitler-Koalition nicht. In Dokumenten der Zeit ist von »Flucht« und »Umsiedlungen« die Rede. Erst nach Beginn der Konfrontation beider Weltmächte begannen ehemalige Amtswalter Hitler-Deutschlands ihre revanchistische Sprache unters Volk zu bringen. Der Terminus »Vertreibung« enthält anders als »Transfer« oder »Umsiedlung« eine Schuldzuweisung, mit der seitdem auch systematisch versucht wird, von der Verantwortung für den faschistischen Völkermord abzulenken. Von dieser Ideologie der alten BdV-Repräsentanten, meist mit NS-Vergangenheit, ist Erika Steinbach geprägt. Es ist gut und richtig, wenn Politiker ihr Tun und Lassen mit persönlichen Erfahrungen und geschichtlichen Lehren begründen. Erika Steinbach hingegen belegt mit ihrem vor einigen Wochen erschienenen Buch »Die Macht der Erinnerung« (Universitas Verlag, 250 Seiten, 22 Euro) ihr völliges Unvermögen, aus deutscher Geschichte und dem eigenen Schicksal vernünftige und humane Schlüsse zu ziehen. Nach gründlicher Lektüre möchte man diesem Opus den Titel »Die Tragik permanenter Selbsttäuschung« geben. Ständig verwechselt die Autorin Ursache und Wirkung. Ständig gerät sie mit Tatsachen in Konflikt. Sie beklagt 15 Millionen »Vertreibungsopfer« – eine nicht belegte Zahl. Sie verschweigt die zig Millionen Russen und Polen, die vertrieben wurden – ein Beleg ihrer ständigen Einseitigkeit. Wiederholt betont sie das »Recht auf Heimat« und das »Rückkehrrecht«. In dem Begriff »Revanchismus« erkennt sie »kommunistische Desinformation«, womit sie zugleich von ihrem permanent praktizierten Revanchismus und dem BdV (»Wir pochen auf unser Rückkehrrecht!«) abzulenken trachtet. Und sie beschimpft die verdienstvolle Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht als »klassische Verhetzung«. Betont tritt sie für die Sudetendeutsche Landsmannschaft und generell für »die Sudetendeutschen« ein. Sie verschweigt, daß die, für die sie Partei ergreift, mit ihren von Berlin vorgegebenen Losungen »Führer hol’ uns heim!«, »Wir wollen heim ins Reich!«, »Mit den Tschechen können wir nicht mehr leben!« die Begründung für Hitlers Verlangen lieferten, den deutsch besiedelten Teil der CSR abzutrennen. So wurde eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie zu Gunsten der faschistischen Diktatur zerstört. Sudetendeutsche halfen mit, für Hitlers Generale ein zusätzliches Aufmarschgebiet gegen den »Hauptfeind« UdSSR zu schaffen – eine wesentliche Kriegsvorbereitungsaktion! Aber Steinbach findet es auch nicht erwähnenswert, daß die Aktivisten der Sudetendeutschen Partei des Faschisten Konrad Henlein im Sommer 1938 vor dem Münchner Abkommen 108 deutsche und tschechische Antifaschisten erschossen und mehr als 2000 über die Grenze verschleppten. Nach Steinbachs Angaben spricht der BdV für zwei Millionen Mitglieder. Experten halten etwa ein Viertel dieser Zahl für realistisch. Für die staatlichen Zuschüsse gilt die vom BdV benannte Mitgliederzahl!
Erschienen in Ossietzky 3/2011 |
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