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Gleich einem Titan, nein einem Jupiter wälzt Stein auf den Ossa des zweiteiligen »Faust«, den er in der Arena in Berlin-Treptow aufgetürmt hatte, nun in einer leeren Halle der einstigen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln den Olymp des dreiteiligen »Wallenstein«. Der Gigantismus des in vollem Wortlaut aufgeführten »Faust« fand seine Schranken in der sichtlichen Unlust des Hauptdarstellers Bruno Ganz, diesem ästhetischen Totalitarismus Genüge zu tun, aber auch in der Schwäche des Regisseurs, dem »inkommensurablen Gebilde« (Goethe) in Versinnlichung und Versinnbildlichung eine überzeugende Struktur zu geben. Das ist nun beim »Super«-»Wallenstein« anders. Der Hauptdarsteller Klaus Maria Brandauer lebt sich in diesen Helden nicht nur ein, sondern voll und ganz in ihm aus. Als er lange nach »Wallensteins Lager« und schon mitten in den »Piccolomini« endlich auftreten darf, bietet er sich dem Publikum in der »Hoppla-jetzt-komm-ich«-Attitüde eines neuen Hans Albers an, vom mähnenumwehten Kopf bis zu den gestiefelten und gespornten Füßen von der Unwiderstehlichkeit seiner Aura überzeugt. Dort, wo er Zögern, Zaudern, Abwägen des Für und Wider zu gestalten hat, bezeigt er es auf konventionellste (Burgtheater-) Weise; in den Beziehungen zu Frau, Tochter, Schwägerin ist er nie mehr als der gute alte père de famille. Zur Größe seiner selbst läuft er immer dann auf, wenn er sich in Pose setzen und sich mit sonorer Stimme zur Geltung bringen kann. Der Höhepunkt: wenn er allein auf der überdimensionalen leeren Bühne auf einem Podest stehen und sich an die versammelte Heerschar, nein, nicht der Statisten, sondern des Publikums wenden kann: Jupiter tonans! Und doch vermag diese über- und durchschaubare Auswahl an Gestaltungsmitteln des Protagonisten vom frühen Nachmittag bis nach Mitternacht als dramatischer Kitt zu wirken. Das ist dem Umstand zu verdanken, daß Schiller sein Drama in den besten Teilen aus dem Drama der Geschichte selbst abgeleitet hat. In den Hauptfiguren, ihren Konflikten, ihren Unvereinbarkeiten spiegeln sich realgeschichtliche Interessengegensätze wider, die die Wucht von Zwangsläufigkeit gewinnen, parabolische Bedeutung annehmen und noch jede Generation zu eigener Deutung veranlaßt haben. Die stärksten Eindrücke, die diese monströse Neuinszenierung des »Wallenstein« vermittelt, sind denn auch die Staats-, die schwächsten die Liebesaffären, die Schiller seinem dramatischen Geschichtsbild traditionsgemäß, aber auch aus eigenem Sentimentalismus einfügte. Octavio Piccolomini, der den kaiserlichen Auftrag auszuführen hat, dem ambitionierten feldherrlichen Aufsteiger seine Generale abspenstig zu machen, um ihn dann kaltblütig liquidieren lassen zu können, mag in der Darstellung durch Peter Fitz mehr wie ein Buchhalter wirken, der seine Aufträge der Reihe nach abhakt, aber gerade dadurch wird auch der Mechanismus von Macht, das Funktionieren von Funktionären, deutlich. Die Darstellung der Generäle, die auf intrigante Weise verschworen werden, weist wenig noch nicht Gesehenes und Gehörtes auf, aber das Riskante, Beklemmende, Ungewisse des Ausgangs ihres Tuns und Lassens vermittelt sich wenigstens als historisches Exempel mit weiterwirkender Bedeutung über die Rampe. Gespielt wird das mit den Mitteln des konventionellen Realismus. Davon unterscheidet sich so recht nur die Darstellung des schließlich gewendeten Butler, Chef eines Dragonerregiments, durch Jürgen Holtz, der in Haltung, Sprache, Gestik die Brecht-Schule verrät. Weil der Regisseur geradezu beckmesserisch auf Werk-, sprich Worttreue auch in dieser »Wallenstein«-Inszenierung besteht (von rund 8500 Versen sind ganze 800 gestrichen), gewinnt die Familien-, vor allem die erfundene Liebesaffäre zwischen Wallensteins Tochter Thekla und Max Piccolomini, dem Sohn des kaiserlichen Exekutors, einen ungewohnten Umfang. Aber die Darstellung durch Friederike Becht und Alexander Fehling mag noch so bemüht sein – sie schwankt zwischen romantischer Gefühlsaufwallung und idealistischer Enthebung hin und her, ohne auch nur entfernt die dramatische Stringenz der Staatsaffäre zu gewinnen. Das Ganze trägt sich in einer seltsam widersprüchlichen Ausstattung zu. Moidele Bickel hält die Kostümierung ganz und gar im Historismus und vermeidet penibel jede Aktualisierung. Dementsprechend wäre zu erwarten gewesen, daß Ferdinand Wögerbauer das Bühnenbild der Historienmalerei anpasse, doch nach »Wallensteins Lager« ließ sich überraschend feststellen, daß er gerade aus der untheatralischen Spielräumlichkeit ästhetisches Kapital schlägt, indem er die wechselnden Lokalitäten durch verschiebbare Stellwände in Kürze herbeiführt und sie noch dazu in magisches Bedeutungslicht setzt. Hier bricht die Moderne sozusagen aus Zweckmäßigkeit herein. Insgesamt aber erweist sich die Inszenierung mit ihrem penetranten Bestehen auf Werk-, sprich Worttreue, mit ihrem Festhalten an der Abfolge der Szenen und mit der Konterkarierung der Intim- mit Massenszenen (rund hundert Statisten) als Wiederbelebung des einst berühmten »Meiningertums«, das bei den damals, vor hundert Jahren, nachrückenden Neuerern, ob den Naturalisten, den Symbolisten oder den Realisten (von der Art Max Reinhardts), berüchtigt und verworfen war. Die jetzige »Wallenstein«-Inszenierung wird so zur Musteraufführung für heute, ihr Inszenator als Nachfolger des sachsen-meiningischen Herzogs Georg II. zum Theaterreformator der Berliner Republik, der sich dem gängig gewordenen Abhäutungs-, Entfleischlichungs- und Ausweidungstheater von heute wie ein Erzengel Michael entgegenstellt! Der Beifallssturm, der Stein, Brandauer, den anderen Schauspielern wie allen Mit-Machern entgegenschlug, läßt keine andere Auslegung zu. Auszeichnungen, eine längere Lauf-, sprich Verkaufszeit an den Wochenenden als bis zum Oktober, Gastspieleinladungen in alle Welt, wie eben einst für die Meininger, werden nicht auf sich warten lassen. Der Gipfelsturm ist also Peymann wie Stein fürs erste gelungen. Aber dieses Vorwärts zurück! ist keine Losung für die Lösung der Problematik des zeitgenössischen Theaters.
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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