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Als die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen wurde, forderte der damalige Bonner Justizminister und vorherige Geheimdienstchef Klaus Kinkel, die DDR müsse noch im nachhinein delegitimiert werden. Dieser Auftrag erstreckte sich auch auf soziale Einrichtungen, die daraufhin zügig abgeschafft wurden. Zum Beispiel die einheitliche »Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten«. Ein großer Vorteil der einheitlichen Versicherung bestand darin, daß sie mit einem Verwaltungsaufwand auskam, der nur drei Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel betrug. Heute haben wir in der BRD 241 Krankenkassen. Schon wegen ihrer Konkurrenz, die sie großenteils mit kostspieliger Reklame austragen, ist ihr Verwaltungsaufwand um ein Mehrfaches größer. Selbständige waren in der DDR ebenfalls staatlich versichert. Abgeschafft wurden auch die Ambulatorien oder Polikliniken als selbständige oder mit Krankenhäusern organisatorisch verbundene Einrichtungen. Nur in Brandenburg stritt die damalige Ministerin Regine Hildebrandt weitsichtig, vehement und erfolgreich für das Weiterbestehen dieser bewährten Einrichtungen, die sich vor allem durch das enge Zusammenwirken von Ärzten und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen auszeichneten. Die Patienten wußten die kurzen Wege von Praxis zu Praxis zu schätzen. Ein wichtiger Vorteil war die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen. Der einzelne Arzt hätte keinen ökonomischen Nutzen davon gehabt, einen Patienten, der eben erst in einer anderen Praxis geröntgt wurde, gleich wieder mit seinem Apparat röntgen zu lassen. Aber aus Sparsamkeitsgründen wird sich, was in Brandenburg erhalten geblieben ist, früher oder später vielleicht doch wieder in anderen Bundesländern, auch im Westen, durchsetzen. Gleichfall aufgelöst wurden die Einrichtungen der Fürsorge für Mutter und Kind. Dadurch entfiel – neben vielen anderen Vorsorgeleistungen – auch der kontrollierte Impfschutz. Das führte in den 1990er Jahren zu einem deutlichen Rückgang der Impfquoten und zur Ausbreitung solcher jahrzehntelang kaum mehr bekannter Infektionskrankheiten wie Masern. Die DDR hatte schon 1950 die Strafbarkeit der Abtreibung aufgehoben und 1972 den Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch der werdenden Mutter freigegeben. Diese Freiheit ist nun wieder eingeschränkt – vor allem auf Druck der katholischen Kirche. Das Betriebsgesundheitswesen wurde aufgelöst. Der Sportmedizinische Dienst der DDR wurde abgewickelt; nur ein kleiner Teil der für den Leistungssport relevanten Strukturen blieb erhalten. Die Bundesärztekammer lehnte es ab, einen Facharzt für Sportmedizin, den es in der DDR seit 1967 gegeben hatte, für die größer gewordene BRD zu akzeptieren. Abgeschafft wurde das sogenannte Krebsregister – eine Fehlleistung, die allerdings bald erkannt wurde. Der Zentrale Gutachterausschuß für das Arzneimittelwesen (ZGA) arbeitete strikt unabhängig von Ministerien und Industrie. Seine Effektivität zeigt sich daran, daß es in der DDR keinen Contergan-Skandal gab. Der ZGA verhinderte einen »Arzneimittel-Jahrmarkt« (so der Nestor der Pharmakologie in Deutschland, Wolfgang Heubner), wie er der asozialen Marktwirtschaft eigen ist. Krankenhäuser wurden zum Gegenstand der Begierde von privaten Trägern und gingen reihenweise in deren Besitz über. Da die stationäre Behandlung von Kranken eins der profitabelsten Geschäfte des heutigen »Gesundheitsmarktes« ist, gehören die meisten ostdeutschen Krankenhäusern inzwischen wenigen Konzernen, zu denen man auch die beiden christlichen Kirchen zählen kann. Mit der Übernahme des Kreiskrankenhauses Meiningen durch die Rhön-Kliniken begann 1991 eine Privatisierung, die sich inzwischen auch in Westdeutschland ausbreitete und beispielsweise die Universitätskliniken in Marburg und Gießen erfaßte. Äußerlich bekommt sie den Einrichtungen meistens gut, und ebenso wie die Bausubstanz wird auch die technische Ausstattung modernisiert. Gleichzeitig werden Stellen abgebaut, die Arbeit im Interesse des Patienten wird eingeschränkt. Auch medizinische Notwendigkeiten werden zunehmend von der Ökonomie bestimmt: »Das betriebswirtschaftliche Denken geht bis in das Skalpell hinein«, wie es der Medizinsoziologe Ulrich Deppe (Frankfurt am Main) kürzlich formulierte. Materiell-technisch war das DDR-Gesundheitswesen teilweise nicht auf dem neuesten Stand, aber Improvisationsvermögen und Kooperation kompensierten in der Regel solche Mängel. Nach 1989 verloren tausende Krankenschwestern, Ärzte und medizinische Hochschullehrer ihre Arbeit, teils weil ihre Einrichtungen aufgelöst wurden, teils weil sie als politisch nicht mehr tragbar galten. Für eine Art von Behandlungsstelle gab es in der DDR keinen Bedarf: für obdachlose Patienten. Eine engagierte Ärztin gründete sie 1991 im Berliner Ostbahnhof (heute Pflugstraße 13).
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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