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Die Kriminalisierung des Widerstands gegen den Vernichtungskrieg ist notorisch. Am 28. Mai 1998 sagte ich dazu im Bundestag, damals noch in Bonn: 53 Jahre nach Kriegsende beschließt der Deutsche Bundestag endlich die Aufhebung aller NS-Unrechtsurteile. Wenn das ein Akt historischer Gerechtigkeit sein soll, so zeugt dies doch erstens von beschämender Verspätung und zweitens vom wenig hellen Geisteszustand jener Teile der Kriegsgeneration, die nicht klüger aus dem Krieg herausgekommen sind, als sie hineingingen. (Beifall bei der PDS) Ich erlebte hier im Plenum noch die letzte vierjährige Hinhaltetaktik, nach der die verschiedenen Opfer der NS-Vernichtungsmaschine weiterhin als nicht rehabilitierte Verfolgte und Bestrafte gelten sollen. Falls sich das jetzt wirklich ändert, ist es zu würdigen. Dabei mußte Herr Geis über seinen langen Schatten springen, wobei ich nicht weiß, wie sehr er wirklich über seinen Schatten gesprungen ist. Ich bin da sehr unsicher. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie müssen nur das Gesetz lesen!) Ich sehe aber – ich erinnere mich sehr genau – daß ein halbes Jahrhundert lang diejenigen den Opfern vorgezogen wurden, die gedankenlos oder opportunistisch oder mit falschem militärischem Pflichtgefühl zu den schuldbeladenen Aktivisten des Dritten Reiches gehörten. Zum Beispiel Dietl, um nur kurz daran zu erinnern: Es brauchte jahrzehntelange oppositionelle Energien, bis der Name dieses antisemitischen Generals und Freundes Hitlers keine Bundeswehrkaserne mehr zieren durfte, und dann war das der CSU, Ihrer Partei, Herr Geis, immer noch einen Protest gegen Minister Rühe wert. Zum Beispiel Gehlen, ein Busenfreund jenes Dr. Frey. Da wären noch mehr CDU/CSU-Busenfreunde zu nennen. Der heutige Herr der DVU-Heerscharen wurde von Ex- wie Postnazis installiert. Zum Beispiel Heusinger: Verteidigungsminister Rühe erließ am 14. August 1997 zum 100. Geburtstag von General Heusinger, dem ersten Generalinspekteur der Bundeswehr, einen pauschal würdigenden Tagesbefehl, in dem es geschichtsrelativierend heißt, Heusinger sei »durch Hitler mißbraucht worden«. Wir wissen in der Zwischenzeit sehr viel mehr. Derart wurden Hitlers oberste Helfer nach dem Krieg erneut hofiert und benötigt, die Opfer aber blieben im Dunkeln. Sie sollte man – schlag nach bei Brecht – nicht sehen … So viel zu den christsozialen Werten. MdB Geis steht damit nicht allein. Am 24. Juni 1998 antwortete ich dem Chef des Heeresamts der Bundeswehr, General Reichardt, der im Verteidigungsausschuß die Fallschirmjäger der Wehrmacht als Vorbilder gelobt hatte: Der kriegerische Geist wird von Ihnen gelobt, der Korpsgeist wird gelobt, der Geist der Ritterlichkeit – wohlgemerkt: Fallschirmjäger der Wehrmacht! – wird gelobt. Es kommt noch eine vierte Lemurenversammlung dazu, nämlich »der Geist, der seine tiefen Wurzeln in unserer deutschen Militärgeschichte, in unserer abendländischen Kultur und in unserer christlichen Ethik hat«. Und das im Zweiten Weltkrieg? Sie machen sich doch lächerlich. Bewirkten meine freundlichen Ermahnungen wenigstens etwas bei den Behelmten? Nicht die Spur. Ihre Kriegsromantik dauert im Geis-Geist fort. Als Friedensverrat kann sie zugleich lächerlich und tödlich sein. Der Friedensverrat war, was viele übersahen, bereits 1998 im Beschluß des Bundestages enthalten, verurteilte Wehrmachtsdeserteure zu rehabilitieren. Denn er schloß unter anderen alle aus, die sich nicht nur aus der Naziarmee entfernt, sondern Widerstand gegen das Dritte Reich geleistet hatten. Ihr Antifaschismus bleibt in der Berliner Republik weiterhin kriminalisiert, was Geis am 10. Mai 07 im Bundestag betonte. Kaum habe ich das niedergeschrieben, wird über den Tod dreier beamteter Bundeswehrsoldaten in Afghanistan informiert. Die Kanzlerin nennt das einen »feigen Selbstmordanschlag«, so hört man die Sprache im »Kriegseinsatz« ideologisch vernutzt. Drei Tote am Tag sind freilich keine Tartarenmeldung. Der Staat richtet sich schon auf die nächsten größeren Trauerfeiern ein. Ich hatt’ einen Kameraden? Meine sind es nicht mehr. Wie dieser Krieg nicht mein Krieg ist. Setzen wir im 2. Weltkrieg in rund 70 Monaten 50 bis 60 Millionen Opfer an, ergibt das etwa 25.000 pro Tag. Drei eigene Tote sind ein Anfang. Die Russen, klüger geworden, verließen Afghanistan. Die Deutschen gehen hin. Kameraden, auf in den 3. Weltkrieg? In der FAZ vom 19. Mai lese ich, Frau Merkel habe mit Putin »Tacheles an der Wolga« geredet. Der Alzheimer, dem das entschlüpfte, vergißt nur: An der Wolga gab’s schon mal Tacheles – in Stalingrad.
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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