Nichts gelernt

Bernd C. Hesslein

»Nie wieder Krieg!« Das war 1945 nach den zwei verlorenen Kriegen wohl noch ehrlich gemeint. Schon fünf Jahre später war es kaum mehr als ein Lippenbekenntnis. Konrad Adenauer, den Kurt Schumacher einen »Kanzler der Alliierten« schimpfte, trat den USA in ihrem mit Verve betriebenen Kalten Krieg zur Seite und stampfte innerhalb von zehn Jahren eine 500.000-Mann-Armee aus dem geteilten Land, fähig zu mehr als purer Verteidigung und bereit, mit den von Washington zur Verfügung gestellten Atomwaffen sich selbst und ganz Europa verglühen zu lassen. 

1950: Die Kriegsgefangenen noch nicht alle zu Hause, die Vertriebenen und Flüchtlinge nicht akzeptiert und integriert und die Einheit längst abgeschrieben, da war Krieg wieder möglich und wurde in unendlichen Manövern geprobt und verfeinert. Der öffentliche Protest fand mit der Flucht der SPD vor der eigenen »Kampf dem Atomtod«-Kampagne ein trauriges Ende. Die Bonner Republik lebte gut mit diesem atomaren drole de guerre. Die NATO-Mitgliedschaft enthob sie einer ernsthaften Selbsterforschung der schändlichen Nazi-Vergangenheit und förderte die Illusion, es könne nach diesem Kulturbruch einer ganzen Nation wieder Normalität geben. Das Gegenteil ist richtig. Trauerarbeit und Auseinandersetzung mit dem ureigenen Versagen hätten zu mehr geführt als zur political correctness. Sie hätten uns davor bewahren können, US-amerikanische Interessenkriege zu rechtfertigen und zu unterstützen.

Vor allem aber hätten sie uns davon abgehalten, wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen, was selbst Franz Josef Strauß als Politik-Eleve noch ausschloß. Seiner Drohung, sonst möge der Arm abfallen, hätte es nicht bedurft. Wolfgang Borcherts einfache Forderung, Nein zu sagen, hätte sich leichter und wirksamer befolgen lassen. Es hat darüber nicht einmal nennenswerte öffentliche Diskussionen gegeben. Es genügte, die primitive deutsche Russen- und Kommunistenfurcht anzuheizen. Konrad Adenauer bediente sich des Propagandamaterials  von Joseph Goebbels.

Das unerwartete Ende des Kalten Krieges im November 1989 und die Vereinigung Deutschlands im folgenden Jahr boten trotz aller Fehler, die dabei gemacht wurden, die Chance zur Abrüstung. Die Bundesrepublik entschied sich für das »Weiter so« mit NATO und USA – aus Dankbarkeit für Rosinen-Bomber und Atom-Schutzschild, wie die einflußstarke Parlamentariergruppe der »Atlantiker« betonte. Seitdem verteidigen wir das Land am Hindukusch und sind bei jedem militärischen Konflikt dabei, den die Supermacht inszeniert.

So sind wir jetzt da, wo wir nach 1945 nie wieder sein wollten. Bei Politikerillusionen und Heldentod. Das vom Kriegsminister versprochene Ehrenmal für das Kanonenfutter ist noch in Arbeit.      

Erschienen in Ossietzky 11/2007