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Selbstverständlich liegen dem für das Projekt Linz09 verantwortlichen Intendanten Martin Heller Vergleiche dieser Art fern, aber nach seinen Worten »probt« die oberösterreichische Landeshauptstadt schon mal den »kulturellen Ausnahmezustand« mit »Crossing Europe« als einem »der dafür unentbehrlichen Epizentren«. In der internationalen Filmfestivallandschaft braucht sich »Crossing Europe« jedenfalls nicht zu verstecken. In den ersten vier Jahren seines Bestehens hat sich das Linzer Festival unter der Leitung von Christine Dollhofer zu einem Forum für »eigenwilliges europäisches Autorenkino mit gesellschaftspolitischem Anspruch« entwickelt, wie sie selber resümiert. 120 Spiel- und Dokumentarfilme aus 29 Ländern wurden diesmal gezeigt. Ein Fokus richtete sich dabei auf osteuropäische Kinematografien, die andernorts oft vernachlässigt werden. Gleich drei rumänische Spielfilme erinnerten auf unterschiedliche Weise an die Endzeit des Ceaucescu-Regimes und wurden ergänzt durch eine Produktion der Deutschen Film- und Fernseh-Akademie Berlin. Deren Studentin Réka Kincses liefert in »Balkan Champion« mit dem Porträt ihrer eigenen Familie zugleich die Dokumentation eines weitgehend unbekannten Aspektes der Geschichte Rumäniens: des ethnischen Konflikts mit der ungarischen Minderheit. Als deren Vertreter spielte der Vater der Filmemacherin, oppositioneller Anwalt, schon vor dem Umsturz eine Rolle, konnte aber im Gegensatz zu damaligen Freunden, von denen er einen der Spitzeltätigkeit für die Securitate verdächtigt, im neuen System nicht Fuß fassen. Ein düsteres Bild polnischer Gegenwart zeichnet Slawomir Fabicki in »Z Odzysku« (Schuldeinlösung). Um sich mit seiner illegal aus der Ukraine gekommenen Freundin eine sichere Existenz zu schaffen, läßt sich der junge Protagonist vom skrupellosen Chef einer »Sicherheitsagentur« anwerben, für den er »Schuldner« zusammenschlagen muß, und gerät damit in ein moralisches Dilemma ohne Ausweg. Emigranten aus der Ukraine begegnete man noch in zwei anderen Filmen. Vor fünf Jahren kam von dort Andrej Serkow nach Linz, wo er als Akkordeonist in einem Lokal von dem Gästewunsch überrascht wird, die »Internationale« zu spielen: Anlaß, der Motivation eines solchen ihm seltsam erscheinenden Begehrens nachzuspüren. Er trifft dabei auf Menschen unterschiedlichen Alters, die sich aus historischen Erfahrungen oder Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus der KPÖ verbunden fühlen. Die Linzer Dokumentaristin Alenka Maly läßt sie in ihrem Film »Noch gibt er nicht Milch« zu Worte kommen. Geben dem ukrainischen Immigranten diese Österreicher Rätsel auf, so macht eine junge Mailänderin mit zweien seiner Landsleute rätselhafte Erfahrungen: Kaum hat sie sich mit ihrem aus Kiew stammenden Russisch-Dozenten und dessen von dort angereister Cousine angefreundet, sind beide wieder spurlos verschwunden (»Come l’ombra« von Marina Spada). Geheimnisvoll wirken auch die Erlebnisse einer schönen jungen Russin, die sich im Westen ein besseres Leben erhofft, aber nur Enttäuschung und Erniedrigung erfährt. Der Form entspricht der Titel »Transe« (Trance), den die Portugiesin Teresa Villaverde ihrem Film über ein »anderes Europa« gab. In seiner verbalen Kargheit und visuellen Expressivität war er genauso ein Beispiel für die von Christine Dollhofer als »exzentrisches Autorenkino« charakterisierten Versuche einer jungen Regie-Generation mit neuen Erzählweisen wie »Body Rice« von Hugo Vieira da Silva, ebenfalls aus Portugal. Hintergrund ist da ein experimentelles Sozialprojekt in der Wüstenlandschaft des Alentejo, in das seit 1980 straffällig gewordene deutsche Jugendliche geschickt werden. In dem fast wortlosen Film mit wenigen langen Einstellungen und manchmal fast surreal wirkenden Bildern sieht man kommunikationsunfähige junge Leute in sich verloren schweigen, kiffen und tanzen. Den Kontrast lieferte das Porträt älter gewordener Hippies, die noch an ihrem »alternativen« Lebensstil hängen; dazu gehören die Eltern einer Vierzehnjährigen, die damit ihre Schwierigkeiten hat. Das Spielfilmdebüt der Berliner Akademie-Absolventin Pia Marais »Die Unerzogenen« gewann unter zwölf Wettbewerbsbeiträgen den »Crossing Europe«-Preis. Daß es seinerzeit auch in Österreich so etwas wie »Terrorismus« gab, erfuhr man aus der spannenden Dokumentation »Keine Insel« von Alexander Binder und Elke Kratzer. Beteiligte aus damaligem studentischem Milieu erinnern sich ihrer spektakulären unblutig verlaufenen Entführung des Wiener Industriellen Palmers am 9. November 1977 und der Verbindung zur deutschen »Bewegung 2. Juni«. Der Hauptangeklagte Thomas Gratt erhielt eine Haftstrafe von 15 Jahren, von denen er 13 verbüßte. Danach wurde er Schriftsteller und beging 2006 Selbstmord. Im Gegensatz zur hiesigen RAF-Debatte ist dies alles in Österreich längst vergeben und vergessen.
Erschienen in Ossietzky 10/2007 |
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