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Kaum daß die anonyme Anruferin diese Frage gestellt hatte, trug sie im Eiltempo die Vorzüge ihres Unternehmens und seiner Tarife vor, um abschließend um mein Einverständnis zum Wechsel zu diesem kundenfreundlichen Netzbetreiber zu bitten. Aber so schnell schießen die Preußen nicht, auch wenn sie wie ich aus Sachsen stammen. Deshalb erklärte ich, daß ich die angepriesenen Tarife und sonstigen Vorzüge schwarz auf weiß sehen müßte, um sie prüfen zu können. Einige Tage später, ich hatte den Werbeanruf – woher hatte die Düsseldorfer Firma eigentlich meine Telefonnummer, wo ich doch auf meinen ausdrücklichen Wunsch in keinem Kommunikationsverzeichnis der Telekom angeführt bin – fast vergessen, da fand ich unter den täglich eingehenden Werbeprospekten auch einen, über dem »Tele2« stand, in lauter Großbuchstaben. Nachdem ich einen Blick auf die verwirrende Tarifvielfalt geworfen hatte, landete die Telekommunikationswerbung da, wo all die papierene Reklameflut endet: im Papierkorb. Das war voreilig, denn schon kurz darauf erreichte mich ein Schreiben der Deutschen Telekom AG, kurz T-Com, in dem mir unter dem Betreff »Auftragsbestätigung. Auftrag Pre Selection Ort und Fern auf Verbindungsnetzbetreiber Tele2 ... (Wegfall T-Com als Verbindungsnetzbetreiber)« mitgeteilt wurde: »Ihrem Wunsch entsprechend werden die Ortsnetz- und ortsnetzüberschreitenden Verbindungen nicht mehr automatisch über das Netz von T-Com hergestellt. Wir werden Ihren Auftrag ... ausführen. Das bedeutet, daß diese Verbindungen automatisch über den von Ihnen gewählten Anbieter hergestellt werden.« Gleichermaßen irritiert wie erbost wählte ich die für Rückfragen angegebene Nummer der T-Com, unter der sich eine freundliche Männerstimme mit dem schönen Spruch: »Was kann ich für Sie tun?« meldete. Nachdem ich meine Verwunderung über die T-Com-Mitteilung zum Ausdruck gebracht und betont hatte, daß ich den erwähnten Auftrag weder mündlich noch schriftlich erteilt habe, teilte mir die Stimme mitfühlend mit, daß meine Erregung verständlich, das Vorgehen der T-Com jedoch gesetzeskonform sei, denn sie sei verpflichtet, Netzbetreiberwechselmeldungen ihrer Konkurrenten zu befolgen. Meiner Feststellung, daß also jede noch so zweifelhafte Firma dieser Branche einen derartigen Auftrag auslösen könne, stimmte sie zu. In meinem betrüblichen Falle bestehe der einzige Ausweg darin, bei Tele2 schriftlich zu kündigen und T-Com eine Kopie zukommen zu lassen. Folglich kündigte ich noch in der gleichen Stunde den mit Tele2 nie abgeschlossenen Vertrag, übersandte der T-Com eine Kopie und betrachtete den Vorgang als beendet. Weit gefehlt. Bereits zwei Tage später erhielt ich, als Frau Ralph Hartmann tituliert und schon mit einer Kundennummer geadelt, ein Schreiben der Tele2. Darin äußerte der Kundenservice-Leiter sein Bedauern über meine »Kündigung der Pre-Selection«, um mich wie folgt aufzuklären: »Bitte beachten Sie, daß wir für unsere Kunden die dauerhafte Voreinstellung auf Tele2 nicht aufheben können. Dies kann grundsätzlich nur durch Sie persönlich erfolgen. Für eine Umstellung wenden Sie sich daher bitte an einen Netzbetreiber Ihrer Wahl ...« Des Telefonierens und Schreibens in dieser merk- und denkwürdigen Sache müde, stellte ich vorerst meine Bemühungen, einen nicht erteilten Auftrag rückgängig zu machen, ein. Seitdem bin ich Kunde von Tele2 und sehe der nächsten Telefonrechnung mit Interesse entgegen. Als Trost diente mir die Berliner Abwandlung des eingangs genannten Werbespruchs: »Komm se rüber, komm se ran, hier wern se genauso beschissen wie nebenan!« Der Trost hielt nicht lange vor. Kurz nach meiner zeitweiligen Kapitulation beging ich einen verhängnisvollen Fehler, der mir allerdings neue Lehren vermittelte. Als ADAC-Mitglied erhalte ich regelmäßig die bunte, mit Kraftfahrzeugen reich illustrierte Mitgliederzeitschrift. Da es spannendere Lektüre gibt, lese ich sie nicht. Das hielt den Burda Direct best service in Offenburg nicht davon ab, mir »als kleines Dankeschön für ADACmotorwelt -Leser« einen »Wertscheck« zuzusenden, mit dem ich »2 mal gratis im offiziellen deutschen Lottoblock um das große Geld« mitspielen könne. Anstatt auf diese »Top-Chance«, »diese einmalige Chance auf einen Lotto-Volltreffer«, zu verzichten, ließ ich mich von guten Freunden überreden, die angegebene Telefonnummer zu wählen. Nachdem eine Frauenstimme mit einem angenehmen serbokroatischen Akzent mir zu meinem Entschluß gratuliert, meine »Glückslottozahlen« genannt und mich »registriert« hatte, entspann sich folgender Dialog: »Herr Hartmann, wollen Sie vielleicht regelmäßig mit dem ›Burda Direct Lottoservice‹ spielen?« »Weshalb sollte ich?« »Ja, die Bedingungen sind außerordentlich günstig, denn wenn Sie nicht gewinnen sollten, erhalten Sie Ihren Einsatz zurück.« »Sie machen Witze!« »Nein, allen Ernstes, wenn Sie nicht gewinnen, bekommen Sie Ihr Geld tatsächlich zurück.« »Sie wollen mich aufs Glatteis führen. Ihr Oberchef, Herr Burda, ist zwar ein reicher Mann, aber er wird doch wohl nichts verschenken, ausgerechnet an mich. Außerdem hat er eine schöne Frau, die als Fernsehkommissarin Charlotte Lindholm gewiß ganz anständig verdient, aber hin und wieder wird sie doch einen kleinen Wunsch haben, für dessen Erfüllung Herr Burda in sein Portemonnaie greifen muß. Nein, hören Sie auf, mich zu veralbern!« »Doch, Sie bekommen im Nichtgewinnfall Ihren Einsatz voll zurück. Großes Ehrenwort.« Allein schon aus Interesse an diesem seltsamen Angebot ließ ich mich breitschlagen und erklärte, es probeweise anzunehmen. Einige Tage darauf begrüßte mich die Leiterin des »Burda Direct Lottoservice XXL exklusive«, die sich auf Glanzpapier im schicken blauen Blazer präsentierte und mir aus ebenso blauen Augen einen vertrauenheischenden Blick zuwarf, herzlich als neuen Mitspieler in »unsere(r) mathematisch optimierten Spielgemeinschaft«: »Ihre Zahlensysteme sind so sicher, daß Sie mindestens einen Gewinn im Monat erzielen – ansonsten erhalten Sie Ihren gesamten Monatseinsatz zurück!« Nebenbei teilte sie mir mit, daß man den »Betrag von 12 Euro pro Woche (für Dezember: 54,00 Euro) ...« und dann monatlich fortlaufend von meinem Girokonto abbuchen werde. Was die Frau mit dem serbokroatischen Akzent als Köder ausgeworfen hatte, war nicht gelogen: Bei Nichtgewinn Einsatz zurück. Aber noch ehe mich die Burda-Service-Leiterin in den Köcher befördern konnte, bemerkte ich, eingestandenermaßen etwas spät, daß ich statt eines kleinen Goldfisches einen verzierten goldenen Blinker, also einen blinkenden Metallköder, mit dem man zum Beispiel freßgierige Hechte, Zander oder Barsche fängt, verschluckt hatte. Mir ging auf, daß ich in diesem Anglerverein in der Regel nur einen »Gewinn« von zwei oder drei Euro erwarten darf, nicht viel, aber genug, damit ich als »Gewinner« gelte und Burda meinen Einsatz von 52 Euro nicht zurückzahlen muß. Gewinn ist Gewinn, und der Gewinner ist auf alle Fälle das Unternehmen der Hubert Burda Media. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber irgendwie erinnerte mich das versprochene Lottoglück, für das mir »ganz fest die Daumen« gedrückt wurden, an das Hütchenspiel der albanischen Trickbetrüger auf dem Berliner Alexanderplatz, und ich war drauf und dran, die Kommissarin Charlotte Lindholm um Aufklärung meines argen Verdachtes zu ersuchen. Doch selbst ist der Mann, ich schrieb der Dame in Blau, daß ich die jetzt angeführten Spielbedingungen zu keinem Zeitpunkt akzeptiert habe. Postwendend erhielt ich eine kurze Bestätigung meines Widerrufs. Eine Entschuldigung für die versuchte Irreführung hatte ich sowieso nicht erwartet. So halfen mir Burda und Tele2, tiefer in die Geheimnisse der Profit- und Werbewirtschaft einzudringen. Auf die anderen Helfer, die mir im gleichen Monat in dieser Lehrsache zur Seite sprangen – so die Reiserückkostenversicherung von Elvia, die mich mit flotten Sprüchen umworben hatte und sich nun mit fadenscheinigen Ausflüchten um die vertraglich vereinbarte Erstattung von Stornierungsgebühren drücken wollte, und die Wohnungsbaugesellschaft, die seit 1997 keinen Handschlag zur Verbesserung der Wohnqualität machte und das Haus immer mehr verkommen läßt, aber nun unsere Kaltmiete durch den Rückgriff auf den sogenannten Mietspiegel zum fünften Male und damit um insgesamt 52,5 Prozent erhöht hat, mich »höflichst« um Zustimmung bat und mir im Verweigerungsfall erpresserisch mit dem Amtsrichter drohte – will ich gar nicht näher eingehen. Auch so ziehe ich selbstgefällig den Schluß, daß ich zu DDR-Zeiten gar nicht so falsch lag, als ich versuchte, den Zirkelleitern im Parteilehrjahr August Bebels Erkenntnis zu vermitteln: »Täuschung und Betrug sind Praktiken, die im Verkehr der bürgerlichen Gesellschaft überall im Schwange sind.«
Erschienen in Ossietzky 25/2006 |
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