Neue Initiative gegen Atomwaffen

Eckart Spoo

Im Palast der Republik fand 1988 eine große internationale Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen statt. Thema: atomwaffenfreie Zonen. Die Teilnehmer kamen aus aller Welt: viele regierende Politiker, aber auch Aktive der Friedensbewegung. Die damalige Regierung der BRD hielt sich fern, aber immerhin wirkte der stellvertretende Vorsitzende der in Bonn mitregierenden FDP an den Diskussionen mit, die SPD war durch Egon Bahr, Karsten Voigt und andere prominent vertreten. Zu den Vertretern der Friedensbewegung gehörten die Autoren Bernt Engelmann, Dieter Lattmann und ich. Der Palast war als Veranstaltungsort bestens geeignet, überhaupt zeigte sich die DDR als vorzüglicher Gastgeber, es gab keinen Grund zur Beschwerde – außer einem ärgerlichen Bericht im Neuen Deutschland , der Engelmann, Lattmann und mir Worte in den Mund legte, die wir nie gesagt hatten, aber nach Meinung des Verfassers wohl hätten sagen sollen. Daß sowas vielleicht auch anderswo vorkommt, machte es nicht besser.

Die bundesdeutschen Medien nahmen von diesem großen Ereignis kaum Notiz. Berichte über bestehende, bewährte atomwaffenfreie Zonen wurden ebenso ignoriert wie Forderungen nach neuen – zum Beispiel in Nahost oder in Europa.

Seitdem – die DDR wurde zwei Jahre später abgewickelt, ihr Palast geschlossen – verschwand das Thema aus der öffentlichen Debatte. In Nahost verwahrten sich die in Israel regierenden Generäle gegen diese Idee, setzten die eigene atomare Aufrüstung fort, bewahrten aber Stillschweigen darüber; der daran beteiligte Techniker Mordechai Vanunu, der versucht hatte, die Weltöffentlichkeit zu informieren, verschwand im Knast. Einen irakischen Atomreaktor hatte die israelische Luftwaffe schon zertrümmert, als er erst im Bau war. Israel will einzige Atommacht in Nahost sein und bleiben.

Einer der diversen Gründe des glorreichen US-Präsidenten George W. Bush, den Irak anzugreifen, waren dessen angebliche Bemühungen, Atomwaffen zu entwickeln, wofür sich keine Beweise fanden. Jetzt wird Iran mit Krieg bedroht, und wiederum hören wir diese Begründung. Frankreichs Präsident Chirac droht gar mit dem Einsatz von Atomwaffen. Und Deutschland ist stolz auf seine »nukleare Teilhabe«. Hatte nicht 1990 Einvernehmen darüber bestanden, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe? Aber solange hier Atomwaffen lagern und unter Mitwirkung von Bundeswehrsoldaten einsatzbereit gehalten werden, besteht permanent Gefahr, daß von deutschem Boden Atomkrieg ausgeht – und diese Gefahr wächst, weil die strategischen Planungen immer offensiver und aggressiver werden. Entgegen ihren im Nichtweiterverbreitungsvertrag übernommenen Verpflichtungen zu atomarer Abrüstung entwickeln vor allem die USA neue, leichter verwendbare Atomwaffen.

Dieser Tage aber erreichte mich ein Aufruf zur Gründung der »Stiftung Atomwaffen Abschaffen«, unterstützt von Klaus Dörner, Wolf-Dieter Narr, Peggy Parnass, Luise Schottroff, Hanne und Klaus Vack, Fritz Vilmar, Konstantin Wecker, auch einigen Politikern aus SPD und Linkspartei. Initiator ist Hermann Theisen, den Ossietzky- Leser als gelegentlichen Autor kennen. Die Stiftung soll »Organisationen, Initiativen und Menschen unterstützen, die sich für die Ächtung und Abschaffung von Atomwaffen einsetzen«. In dem Aufruf werden aber auch »eigene Projekte und Kampagnen« angekündigt.

Er endet mit Erich Frieds Worten in seinem »Gespräch mit einem Überlebenden«: »Hast Du noch etwas zu sagen zu dem, was Du nicht gesagt hast? Ja, Dich zu fragen, was hättest Du an meiner Stelle getan? Das weiß ich nicht, und ich kann über Dich nicht richten. Nur eines weiß ich: Morgen wird keiner von uns leben bleiben, wenn wir heute wieder nichts tun.« (Man vergleiche die Worte von Lord George Weidenfeld, auf die Arnold Schölzel in diesem Heft auf Seite 93 aufmerksam macht.)

Kontakt: Stiftung Atomwaffen Abschaffen, Hermann Theisen, Moltkestraße 35, 69120 Heidelberg, Fon 06621-401304, e-mail hermann.theisen@t-online.de

Erschienen in Ossietzky 3/2006