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Und so werden auch die nicht wenigen in der Bevölkerung denken, die ihre Unterschrift der CDU geben wollten; sie werden sagen, daß das jetzt eine saubere deutsche Sache ist und kein vehementer Rutsch in eine braune Vergangenheit. Eine unterirdische Koalition entsteht: Der Eine hat die Idee, läßt sie fallen, der Andere hebt sie auf – und gewinnt Ansehen durch seinen praktischen Sinn bei der Arbeitsteilung gleich beim ersten Schritt. Das Plärren darüber, daß dieser Schritt vielleicht zu einem Rückschritt der christlichen Union geführt hat, muß die Frau Vorsitzende mit dem intrigenreichen Anhang nicht bleich werden lassen wie das Wasser in ihrer Schüssel; es gibt doch Minister in München, und einer von ihnen hat jetzt beherzt an einen früheren Minister erinnert, von dem noch der Satz im Gedächtnis ist: »Rechts von uns darf es keine Partei geben.« Es gibt sie aber. Und durch das jüngste Hartz-Gesetz, das Arbeiter zu Lohn-sklaven macht, erreichte sie bei der letzten Landtagswahl in Sachsen über neun Prozent, etwa ebenso viel wie die SPD. Der erwähnte bayerische Minister hat nun dem Satz »Rechts von uns darf es keine Partei geben« mit einem handlichen Schraubstock ein bißchen den Hals umgedreht, und jetzt heißt der Satz: »Man muß eben die gesamte Rechte aufheben; jeder muß sagen können: Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein.« Das ist der Satz, den die Neo-Faschisten durch die Straße tragen. In Köln fand sogleich eine Demonstration statt mit dem Schlagwort: »In Köln gibt es 189 Nationalitäten, das sind 188 zuviel.« Ich will das nicht kommentieren. Nicht fragen, was sie denn meinen mit diesem »188 zuviel«. Wen sie meinen. Darum bin ich aufgestanden. Und da fiel mir ein, wovon ich nicht wollte, daß es mir einfiel: Mutter, gib mir den Schlüssel Ich bin dann in die Küche gegangen, um beim Abwaschen diesen Gedanken mit fortzuspülen, und dachte: Du bist verrückt, so etwas wie in dem Vers von Brecht jetzt zu denken. Das war doch in jenen zwölf Jahren... Und dachte: Du mußt dich jetzt hinlegen, du bist müde, aber der Schlaf wird dir den Gefallen nicht tun, das weißt du schon. So zog ich, um mich abzulenken, den Buchrücken von Georg Büchner aus dem Regal, mit dessen Namen der höchste Literaturpreis in Deutschland geschmückt ist, und las den 15. Brief an die Familie und kam an eine Stelle, wo er sagt: »Der Haß ist so gut erlaubt wie die Liebe.« Und da durchfuhr es mich, daß es diese Freiheit in der Demokratie ist, die ich hasse, die Freiheit, die es möglich macht, daß man auf offener Straße gegen die Fenster und Türen der Häuser rufen darf: »In Köln gibt es 189 Nationalitäten, das sind 188 zuviel« und daß die Kinder und Polizisten, die den Zug begleiten, nur grinsen. Keiner der Uniformierten schreitet ein, weil auch sie wissen, daß es die »Freiheit« in ihrem Staat ist, die das erlaubt, die sie zu verteidigen haben, und daß man gegen die Freiheit nicht einschreiten darf, weil man sich dann an ihr und der Demokratie vergeht und weil dieses Vergehen mit Freiheitsentzug geahndet werden kann. Und ich bekam eine Sehnsucht nach diesem Entzug und erinnerte mich, daß man in Haft kommen kann, wenn man einen Aufruf unterzeichnet, der Bundeswehrsoldaten zur Befehlsverweigerung ermuntern soll, die im rheinland-pfälzischen Büchel Atombomben einsatzbereit halten (Ossietzky 21/04). Nachdem ich dieses Blatt noch einmal sehr langsam gelesen hatte, schrieb ich mit fliegender Feder an die Staatsanwaltschaft Koblenz, die den Aufruf beschlagnahmt und einen Strafbefehl sowie die Zulassung einer Anklage beantragt hat: »Sehr geehrte Herren, da ich in der DDR als ›konterrevolutionäres Zentrum Nummer Eins‹ eingestuft war, aber deswegen nie vor ein Gericht oder in ein Gefängnis kam, ist es mir ein Bedürfnis, diese Friedensaktivisten zu unterstützen, und zwar so, als hätte ich ihren Aufruf selbst geschrieben, selbst verteilt.« Nun warte ich, daß ich bald einen Brief vom Staatsanwalt bekomme, der mich vielleicht von diesem Anblick, den ich zwölf Jahre lang in meiner Jugend auf den Straßen Deutschlands ertragen mußte, für einige Zeit hinter sicheren Gittern befreit – befreit von dieser Freiheit.
Erschienen in Ossietzky 22/2004 |
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