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Sicher haben sie erfahren, wie stark sie sind, wenn sie zusammenstehen, und wie weit ihre Kraft reicht: Schon nach wenigen Tagen legten sie die Produktion ihres Konzerns in halb Europa lahm. Da wurde deutlich, woraus allein die aufgeblähte Macht der Kapitalherren sich speist. An deren Adresse gerichtet rief eine Sprecherin ins Mikrofon: »Wenn wir unsere Arbeit einstellen, dann könnt Ihr eure Aktien verbrennen!« Sie haben aber auch erfahren, wie zerbrechlich diese Stärke ist, wenn die KollegInnen an anderen Standorten der Firma nicht richtig mitziehen und wenn ihre Gewerkschaft oder ihr Betriebsrat behaupten (müssen?), ihnen seien die Hände gebunden. Was haben sie sonst noch lernen können? Eine wichtige Informationsquelle für sie waren die Bilanzen des in den USA ansässigen General-Motors-Konzerns, zu dem Opel gehört. GM will hierzulande 10 000 Arbeitsplätze schnellstmöglich streichen, weil der Konzerngewinn im dritten Quartal 2004 nur noch um 3,5 Prozent auf 440 Millionen Dollar gestiegen ist. Das Autogeschäft – so argumentiert das Management – schlage inzwischen sogar negativ zu Buche und habe mit einem Minus von 130 Millionen Dollar verhindert, daß der Gewinn höher ausfiel. Besonders schlecht soll die Autosparte von General Motors Europe (GME) abgeschnitten haben: Hier seien Verluste von 236 Millionen Dollar angefallen. Aber woher kommt der Gewinn von fast einer halben Milliarde Dollar in einem Vierteljahr, wenn die Verluste im Produktionsbereich schon gegengerechnet sind? Solche Rechentricks basieren darauf, daß einzelne Immobilien, Anlagen, Fuhrparks, Vertriebs- oder Finanzabteilungen aus dem Produktionsbereich in Sonderfirmen, die aber auch zum Konzern gehören, ausgegliedert worden sind, so daß die solchermaßen verkleinerte Produktionsabteilung sie nun in betriebswirtschaftlicher Einzelrechnung zu hohen Mieten oder Zinsen zurückleasen muß. Tochterunternehmen wie Opel werden derart zergliedert, daß gewinnträchtige Geschäftsbereiche in die direkte Regie des Mutterkonzerns gelangen. So kann der Konzernvorstand die verbleibenden Produktionsbetriebe unter stärkeren Kostendruck setzen. Örtliche Manager und vor allem die Betriebsräte sollen glauben, Lohnsenkungen seien unvermeidlich. Der künstlich aufgebaute Kostendruck ist dann auch daran schuld, daß notwendige Neuinvestitionen vernachlässigt und schließlich sogar ganze Betriebe stillgelegt werden. Zurück bleiben ganze Industriebrachen, soziale Verheerungen und Umweltschäden in Milliardenhöhe, wie man sie in den USA an vielen Orten besichtigen kann. Eine Zukunft, die die Opelaner in Bochum zu recht fürchten. Immer wieder haben die Beschäftigten zu hören bekommen, daß die Konzernspitze besonders beunruhigt ist über Europa, weil hier der Absatz tatsächlich seit einigen Jahren stottert – auch wenn GM im Jahre 2003 seinen Anteil am Autogeschäft in Europa von 9,1 auf 9,6 Prozent steigern konnte. Vor allem in Deutschland ist die Zahl der Neuzulassungen von Automobilen seit dem Jahr 2000 um acht Prozent zurückgegangen, und der Anteil von Opel an den Neuzulassungen sank um 20 Prozent. Eine solche Information ist aber wenig wert, wenn unklar bleibt, woran das liegt: Opel baut – ähnlich wie VW – hauptsächlich Wagen für die breite Masse. Da in Deutschland seit Jahren Reallöhne und Renten sinken und die Arbeitslosigkeit steigt, fehlt es nun eben an Geld für die Anschaffung neuer Autos. Der Absatz der Nobelkarossen von BMW oder Porsche hat sich dagegen weiter erhöht. Und auch der deutsche Autoexport konnte noch einmal gesteigert werden. In vielen Zeitungen bekamen die Opelaner zu lesen, ihre Arbeitskosten lägen im Vergleich mit dem neuen Werk in Polen, mit dem sie konkurrieren müßten, zu hoch. Wer von diesem Globalisierungsgespenst nicht verschreckt werden will, braucht Aufklärung: Von den 63 000 Autobauern bei GM in Europa sind über die Hälfte in der BRD beschäftigt; im Werk Gliwice in Polen sind es 2000, also nur 3,2 Prozent – weniger, als es dem GME-Absatz auf dem sich allmählich entwickelnden polnischen Personenwagenmarkt entspräche; deshalb plant die GME-Zentrale in dem modernen polnischen Werk keinen Personalabbau. Angst vor polnischer Billiglohnkonkurrenz ist bisher kaum durch Tatsachen begründet – was aber nicht so bleiben muß, wenn es den Konzernherren weiterhin gelingt, nationale Standorte gegeneinander auszuspielen. Ein Zusammenschluß der Gewerkschaften, zumindest in der Europäischen Union, sollte daher auf der Agenda der IG Metall ganz oben stehen. Die Konzernspitze fordert 500 Millionen Euro Einsparungen bei den Lohn-kosten in Europa, vorrangig in den Opelwerken – mit Biegen (Lohnsenkung) oder Brechen (Schließung von Werken). Die örtlichen Chefs versichern, sie würden alles daran setzen, daß Bochum und Rüsselsheim über 2010 hinaus »wettbewerbsfähig aufgestellt« seien. Ein Professor für Arbeitsmarktforschung hat vorgerechnet, daß die von der Kapitalseite geforderten 500 Millionen Euro Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben auch durch Einführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zu haben seien. Er hat allerdings nicht verraten, wo er die daraus resultierende Mehrproduktion absetzen will. Durch Lohndumping gerät die Karre hierzulande und global nur tiefer in den Dreck. Stattdessen wäre auf Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und ein staatliches Beschäftigungs- und Investitionsprogramm zu drängen. 500 Millionen Euro hatte zuvor schon der DaimlerChrysler-Vorstand von seinen Beschäftigten verlangt – und erhalten. Jetzt will auch der VW-Vorstand (mit seinem Arbeitsdirektor Peter Hartz) zugreifen: Die Kosten müßten in den nächsten Jahren um ein Drittel sinken. Ob Siemens oder Karstadt-Quelle – überall werden die noch Beschäftigten zu Lohneinbußen und Mehrarbeit erpreßt. Der Renditehunger der Konzerne wächst, der Klassenkampf von oben verschärft sich, während und weil die Politiker darin wetteifern, die Kapitalmacht von sozialen Verpflichtungen zu befreien. Dumm-dreistes Geschwätz von Schröder oder Clement über das »Versagen der Manager« oder über den bedrohten Standort Deutschland soll von ihrer asozialen Wirtschaftspolitik ablenken, die sich mit Haut und Haaren den global agierenden Konzernen verschrieben hat. Nicht »einzelne Managementfehler«, wie sie behaupten, sind schuld, der neoliberal entfesselte Kapitalismus bringt zwangsläufig Wirtschaftskrisen mit grausamen Folgen für Menschen und Umwelt hervor. Diese sind nicht »Fehler im System« – »das System ist der Fehler«. Damit aber nicht der Kapitalismus zum Thema gemacht wird, schalten die Macher in Politik und Medien auf Nationalismus um. Regierungsmitglieder und auch manche Gewerkschafter wollen die Schuld auf die dem »alten Europa« angeblich fremde »amerikanische Unternehmenskultur« schieben oder unterstellen gar eine Abstrafung Deutschlands wegen der Nichtbeteiligung am Irak-Krieg. Der stern – sonst gern mit weltbürgerlich-zivilgesellschaftlichem Image sich zierend – brachte am Tag nach Beendigung des Ausstandes in Bochum ein Titelbild, auf dem groß und drohend ein gespornter Cowboystiefel mit US-Sternenbanner am Schaft den armen Opel-Kreis mit Blitz – gebildet aus kleinen Arbeiter-Menschen – zertreten will. Dazu der Empörungsruf: »Methode Wild-West«. Verhetzung nach Stürmer-Art. Hoffentlich haben die sechs Tage Bildungsurlaub, den sich die Opelaner in Bochum genommen haben, viele von ihnen wach gemacht und befähigt, künftig die Tricks und Lügen zu durchschauen, mit denen Kapital und Kabinett ihr Denken vernebeln wollen, damit sie sich ergeben ducken, wenn sie ausgebeutet, entrechtet, entwürdigt, mit dem Absturz ins ALG-II-Elend bedroht werden. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 22/2004 |
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