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Das Gleiche gilt für den »Arbeitskreis Steuerschätzung«. Aber auch zahlreiche andere Einrichtungen, die sich mit ökonomischen Dingen befassen, veröffentlichen unentwegt ihre Trendmeldungen, mit denen sie auf die allgemeine Stimmung und auf Entscheidungen einwirken. Kürzlich las ich an vier aufeinanderfolgenden Tagen folgende Weisheiten: Von den Konsumforschern der GfK erfuhr ich am 29. September, daß sich die »Stimmung der deutschen Verbraucher aufgehellt« hat. Die »entsprechenden Indikatoren« hätten sich im September »auf breiter Front stabilisiert«. Einen Tag später informierte mich das Münchner IfO-Institut, daß sich die Stimmung der deutschen Wirtschaft im September »leicht verschlechtert« hat. Der »Geschäfts-klima-Index« von IfO sei gesunken, und die Erwartungen der deutschen Unter-nehmer für die nächsten sechs Monate seien zurückgegangen. Für die deutschen Werkzeugmaschinenbauer galt dies allerdings nicht. Deren Verbandsvorsitzen-der Carl Martin Welcker ließ mich am 1. Oktober aufatmen: Die Inlandsaufträge seien im ersten Halbjahr um 17 und die aus dem Ausland um 27 Prozent gestie-gen. Damit seien auch die Aussagen vom Jahresanfang hinfällig, die ein Wachs-tum von vier Prozent geweissagt hatten. Jetzt sei das Doppelte zu erwarten. Noch besser kam es am 2. Oktober. Da sah im Gegensatz zum IfO-Institut das Institut der Deutschen Wirtschaft »anhaltende Zeichen« für einen »Konjunktur-frühling« und wußte natürlich schon die genauen Zahlen: Das Bruttosozialprodukt steigt heuer um 1,75 und 2005 um zwei Prozent, und dann gibt es auch 150 000 Arbeitslose weniger. Ich fühlte mich nach dieser halben Woche wie der Schüler aus Goethes »Faust«: »Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum«, und ich verzichtete weislich auf die weitere Lektüre solcher Bestandsaufnahmen und Voraussagen. Allerdings nur bis zum 8. Oktober. Denn da las ich auf der gleichen Zeitungs-seite diese beiden Aussagen über die Wirtschaftssituation: »Deutschland liegt hinten« und »Deutschland liegt an der Spitze«. Ganz oben sieht die amerikani-sche Handelskammer in Deutschland die BRD. Ihr Präsident Fred Irwin schrieb: »Deutschland hat alle Chancen, auch künftig an der Spitze zu stehen, um am Wachstum der internationalen Wirtschaft teilzunehmen.« Da mich die diversen Weisen seit eh und je belehrt haben, daß hohes Wachstum mehr Beschäftigung bringt, wäre ich nun fast wieder beruhigt gewesen. Doch als hätte sie so etwas geahnt, veröffentlichte zeitgleich die Bertelsmann-Stiftung ihr »Beschäftigungs-ranking«. Danach ist die BRD letzte unter 21 führenden Industrienationen, zu denen die Stiftung auch Portugal, Griechenland und Irland zählt. Denn natürlich paßt ihr die amerikanische Aussage ganz und gar nicht in den Kram, verlangt sie doch seit Jahren längere Arbeitszeiten bei niedrigeren Löhnen, Abbau des Kündigungsschutzes und so weiter. Das tut sie jetzt »beweiskräftig« wieder. Noch am gleichen Tag kam anläßlich der Auseinandersetzungen um Opel die Nachricht, Bayerns Ministerpräsident Stoiber fordere von der Bundesregierung einen »Sanierungsplan« für den Standort Deutschland, indes hinwiederum das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft deklarierte, die Opel-Proble-me seien »kein Ausdruck eines generellen Standortnachteils in Deutschland«, sondern auf Management-Fehler zurückzuführen. Und entgegen der oben ange-führten IfO-Darstellung über den Pessimismus der hiesigen Unternehmen sind laut Umfrage der baden-württembergischen Industrie- und Handelskammer die meisten Unternehmen im Lande zuversichtlich für das kommende Jahr. Gänzlich verwirrt habe ich mich deshalb zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. In der nahen Stadt steht die große Herbstkirmes bevor. Anstatt das Herbstgutachten der fünf »führenden« deutschen Wirtschaftsinstitute zu lesen (die ihre Prognosen gewiß im Frühjahr wieder korrigieren werden), besuche ich die dort gastierende Hellseherin. Vielleicht kann sie mir mithilfe ihrer Kugel oder des Kaffeesatzes den Weg aus dem Labyrinth der Wirtschaftsanalysen und -prophezeiungen weisen, und das für ein paar Peanuts, für die all die Genannten mir nicht einmal Guten Tag sagen würden.
Erschienen in Ossietzky 22/2004 |
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